Ein Unternehmen, das für einen Bieter komplexe, nach der Leistungsbeschreibung individuell zu fertigende Bauteile liefert, ist kein Lieferant, sondern ein Nachunternehmer. Die fehlende Angabe im Nachunternehmerverzeichnis führt zum Ausschluss des Angebots, eine nachträgliche Benennung des Nachunternehmers ist nicht möglich.
§§ 6d, 8, 16d EU VOB/A 2016, Art. 71 Richtlinie 2014/24/EU
Sachverhalt
Gegenstand der Entscheidung ist die EU-weite Vergabe von OP-Wandsystemen im Rahmen einer Baumaßnahme einer Klinik. Mit der Angebotsabgabe wurden u.a. die Eigenerklärung, die Nachunternehmererklärung und das Verzeichnis der Leistungen/Kapazitäten anderer Unternehmen gefordert. Aus Ziff. 2.1 der Nachunternehmererklärung geht hervor:
„Ich/wir werde(n) daher die Leistungen auf die mein/unser Betrieb eingerichtet ist, weitgehend (gleichbedeutend mit mindestens 70 v.H.) im eigenen Betrieb ausführen.“
Es wurden zwei Angebote abgeben. Das zweitplatzierte Unternehmen rügte neben weiteren Vergabeverstößen, dass der erstplatzierten Bieterin insbesondere die Eignung fehle, da sie nicht selbst leistungsfähig und aufgrund der Beschränkung in Ziff. 2.1 der Vergabeunterlagen ein Nachunternehmereinsatz von mehr als 30 % der Gesamtleistung unzulässig sei und macht dies auch zum Gegenstand des Nachprüfungsantrags.
Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens trug die Vergabestelle vor, dass kein Verstoß gegen das in der Nachunternehmererklärung enthaltene Gebot vorläge, da die Erstplatzierte in ihrem Angebot nur einen Unterauftragnehmer benannt habe, der lediglich ca. 13 % der Gesamtleistung ausführen soll, nämlich die Montage der OP-Wand- und Türsysteme.
Auf den rechtlichen Hinweis der VK Südbayern, dass aufgrund der Leistungsbeschreibung auch der Lieferant der OP-Wände als Nachunternehmer angesehen werden könnte, führte die erstplatzierte Bieterin aus, dass dieser nur Lieferant sei. Als Kooperationspartner mit ausgelagerter Fertigungsstätte fungiere er nur für die Herstellung der OP-Wände unter ihrer Anleitung und sei daher kein Nachunternehmer, der im Nachunternehmerverzeichnis aufgeführt werden müsse.
Die Entscheidung
Dies sah die VK Südbayern anders. Sie entschied, dass das Angebot der Erstplatzierten aufgrund der nicht erfolgten Angabe des Lieferanten der OP-Wände als Nachunternehmer auszuschließen ist.
Die Fertigung der OP-Wände sei als Werkvertrag zu qualifizieren, da der Schwerpunkt der Leistung auf der individuellen Planung, Herstellung und Montage der OP-Wände liege. Der zur Fertigung eingeschaltete Kooperationspartner sei somit nicht (nur) Lieferant, sondern Nachunternehmer, da es sich nicht um eine Lieferung „von der Stange“ handele.
Die fehlende Angabe als Nachunternehmers im Angebot könne nicht nachgeholt bzw. nachgefordert werden, da dies eine unzulässige Änderung des Angebots wäre. Einem Bieter, der ohne eine unzulässige Änderung seines Angebotsinhalts nicht leistungsfähig ist, kann gem. § 16b EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A der Zuschlag nicht erteilt werden.
Die Vergabekammer ließ darüber hinaus offen, ob das Angebot auch wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen auszuschließen gewesen wäre, da die Erstplatzierte aufgrund des zusätzlichen Nachunternehmereinsatzes im Bereich Fertigung weit mehr als 30 % der Leistung nicht im eigenen Betrieb ausführen lassen wollte.
Klargestellt hat die Vergabekammer jedoch in dem Zusammenhang, dass die Vorgabe einer Eigenausführungsquote (vorliegend 70%) bei EU-weiten Ausschreibungen nicht zulässig ist bzw. nach § 6d EU Abs. 4 VOB/A nur für kritische Teile des Auftrags vorgegeben werden kann.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung der VK Südbayern beschäftigt sich eingehend mit der Frage, wann ein Unternehmen als Nachunternehmer einzuordnen ist und welche vergaberechtlichen Folgen ein (irrtümlich) nicht im Angebot aufgeführter, aber zur Ausführung zwingend erforderlicher Nachunternehmereinsatz hat.
Wann ein Unternehmer als Nachunternehmer einzuordnen ist, ist weder im europäischen noch im nationalen Vergaberecht legal definiert. Nach ständiger Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2014, Verg 38/13) handelt es sich um einen Nachunternehmer bzw. Unterauftragnehmer, wenn ein Unternehmen
– bestimmte Teile des Auftrags,
– einen Teil der in der Leistungsbeschreibung oder
– im Leistungsverzeichnis festgelegte Leistungen
selbstständig ausführt, auch wenn dieses allein vom Auftragnehmer beauftragt wird und in keinem Auftragsverhältnis zum Auftraggeber steht.
Nicht vom Nachunternehmerbegriff und damit von der Benennungspflicht umfasst sind gem. Art. 71 Abs. 5 Richtlinie 2014/24/EU Lieferaufträge. Wann eine Leistung als Lieferauftrag zu qualifizieren ist, ist im Einzelfall anhand der konkret ausgeschriebenen Leistung zu bestimmen. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Einordnung als Lieferauftrag immer dann ausscheidet, wenn der vom Bieter eingesetzte Dritte wie vorliegend in Form der individuellen Anfertigung schwerpunktmäßig eine Werkvertragsleistung schuldet. In diesem Fall liegt ein Nachunternehmereinsatz vor, der zwingend im Angebot angegeben werden muss.
Praxistipp
Die Abgrenzung von Nachunternehmer- zum bloßen Lieferauftrag ist höchst praxisrelevant, da wie die aktuelle Entscheidung der VK Südbayern zeigt, die fehlerhafte Einordnung und die Nichtangabe eines Nachunternehmers zum zwingenden Angebotsausschluss führt.
Bei Lieferleistungen muss deswegen immer anhand der Leistungsbeschreibung im Einzelfall geprüft werden, ob es sich um einen reinen Standard oder eine individuelle Anpassung des zu liefernden Bauteils bzw. des Systems handelt und damit der Lieferant als Nachunternehmer zwingend im Angebot anzugeben ist.
Im Zweifel sollten Bieter und Bewerber vorsorglich etwaige Nachunternehmer im Angebot aufführen und von der Nachunternehmerstellung ausgehen bzw. dies mit einer Bieterfrage klären.
Kontribution
Der Beitrag wurde gemeinsam mit Frau Rechtsanwältin Dr. Jana Dahlendorf verfasst.
Dr. Jana Dahlendorf ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei SammlerUsinger Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Berlin. Sie berät öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren ebenso wie Bieterunternehmen umfassend bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus vertritt sie ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen.
Monika Prell ist Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin bei der Kanzlei SammlerUsinger in Berlin. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung im Vergaberecht und berät sowohl öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren als auch Bieterunternehmen umfassend bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus vertritt Monika Prell ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen. Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist sie als Kommentarautorin tätig, veröffentlicht regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
Wie schon so oft, macht nicht jede Gerichtsentscheidung das Leben an der Vergabefront leichter… echt schade, denn weder in den Unternehmen noch an in den Vergabestellen sitzen Juristen, die die feinen Unterschiede im Detail kennen. Für meine Praxis bedeutet dies einmal mehr: was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Oder anders: warum frage ich regelmäßig bei jeder Vergabe nach dem Nachunternehmereinsatz? Wäre es nicht besser, die Abfrage als Ausnahmefall zu betrachten und nur dann vorzunehmen, wenn es mich wirklich interessiert, wer den Auftrag ausführt….
In diesem Sinne wünsche ich allen eine schöne Woche, schöne Grüße aus Berlin Steffi Ehrhardt
Ja, besonders bei komplexen IT-Ausschreibungen mit mehreren Herstellern, die auch Service und Wartung ausführen und damit als Nachunternehmer anzusehen sind, wäre das im Sinne aller eine vernünftige Lösung, aber mit Sicherheit auch bei anderen Ausschreibungen.