Fast 2 1/2 Jahre ist es her, daß das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung „Fliegerhorst Ahlhorn“ ein städtebauliches Grundstücksgeschäft der öffentlichen Hand für ausschreibungspflichtig erklärte und damit ein wahres Erdbeben in Literatur und Praxis ausgelöste (wir berichteten). Nachdem die Kritik an dieser neuen Rechtsauffassung nicht abebben wollte und die Bundesregierung ihr zudem durch eine Gesetzesänderung ein Ende zu setzen suchte, entschied sich das OLG Düsseldorf zur Flucht nach vorn – und legte dem EuGH in einem ähnlich gelagerten Fall mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Am 17. November 2009 hat nun Generalanwalt Mengozzi in diesem Vorlageverfahren (Rs. C-451/08) seine Schlußanträge veröffentlicht. Darin tritt er der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf zur Ausschreibungspflicht kommunaler Grundstücksgeschäfte gleich in mehrfacher Hinsicht entgegen.
Die Begründung des OLG Düsseldorf fußte auf drei grundsätzlichen Annahmen:
1) Für das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrages im Sinne der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (bzw. des § 99 Abs. 3 GWB a.F.) muß die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber nicht notwendig unmittelbar selbst wirtschaftlich zu Gute kommen. Es reicht aus, wenn durch das Bauvorhaben (auch) ein öffentlicher Zweck für den öffentlichen Auftraggeber erfüllt werden soll.
2) Der Begriff des öffentlichen Bauauftrages erfordert nicht zwingend, daß der Auftragnehmer durch ihn zur Durchführung einer Bauleistung verpflichtet wird.
3) Eine Baukonzession, wie sie in § 99 Abs. 3 GWB als Fall des öffentlichen Bauauftrages geregelt ist, kann auch gegeben sein, wenn dem Konzessionär das aus der Konzession folgende Nutzungsrecht an dem Bauwerk dauerhaft eingeräumt wird. Eine (endgültige) Eigentumsübertragung am Bauwerk steht einer Konzession daher nicht entgegen.
Der Generalanwalt beim EuGH hat sich mit diesen rechtlichen Einschätzungen des OLG Düsseldorf in seinen Schlußanträgen ausführlich auseinandergesetzt und kam jeweils zu einem abweichenden Ergebnis:
Zu 1) Zwar muß der öffentliche Bauauftrag keine unmittelbare wirtschaftliche Leistung an den öffentlichen Auftraggeber enthalten. Allerdings ist eine unmittelbare Verbindung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem in Frage stehenden Bauvorhaben erforderlich. Eine unmittelbare Verbindung liegt vor, wenn entweder a) der öffentliche Auftraggeber das Bauwerk erwirbt, b) zur Realisierung des Bauwerkes öffentliche Mittel eingesetzt werden oder c) das Bauvorhaben auf eine Initiative des öffentlichen Auftraggebers zurückgeht, wobei diese Initiative über die „normalen“ städtebaulichen Befugnisse des öffentlichen Auftraggebers hinausgehen muß. Die Erfüllung allgemein städtebaulicher Interessen reicht nicht aus.
Zu 2) Nach Auffassung des Generalanwalts ist das Vorliegen einer Verpflichtung zur Durchführung der Bauleistungen ein „unverzichtbares Element“ des öffentlichen Bauauftrages. Wesentliches Merkmal eines öffentlichen Auftrages ist, daß durch ihn Erfordernisse und Bedürfnisse der öffentlichen Hand erfüllt werden sollen. Steht die Erfüllung der Bedürfnisse im Ermessen des Auftragnehmers, liegt dieses Merkmal gerade nicht vor.
Zu 3) Eine Baukonzession setzt, so Generalanwalt Mengozzi, schließlich notwendigerweise voraus, daß dem Konzessionär das Nutzungsrecht an dem Bauwerk zeitlich begrenzt übertragen wird. Folgt das Nutzungsrecht bereits aus dem Eigentum an dem Bauwerk, kann der Eigentümer im Regelfall nicht zusätzlich aus einer Konzession zur Nutzung berechtigt werden. Zudem erfolgt die im europäischen Vergaberecht für Konzessionen maßgebliche Risikoübertragung auf den Konzessionär gerade auch aus der zeitlichen Begrenzung der Nutzungsmöglichkeit.
Für den im Vorlageverfahren zu entscheidenden Fall hat der Generalanwalt alle drei genannten Kriterien verneint. Daß dies für die bereits entschiedenen Fälle kommunaler Grundstücksveräußerungen in gleicher Weise gegolten hätte, ist damit allerdings nicht gesagt. Gerade im Fall „Fliegerhorst Alhorn“ spricht Einiges dafür, daß die Initiative zur Realisierung des Bauvorhabens im ausreichenden Maße vom öffentlichen Auftraggeber herrührte, um die vom Generalanwalt verlangte „unmittelbare Verbindung“ zu erfüllen. Die geforderte Bauverpflichtung hatte dort über den als Einheit zu berücksichtigenden Durchführungsvertrag unproblematisch vorgelegen. Eine Ausschreibungspflicht wäre danach voraussichtlich allenfalls an der fehlenden Entgeltlichkeit des Vertrages gescheitert. Da auch im Fall „Fliegerhorst Ahlhorn“ eine zeitlich unbegrenzte (Eigentums)-Übertragung erfolgen sollte, wäre der Weg über die Baukonzession nach der Auffassung des Generalanwalts versperrt gewesen.
Die Entscheidung des EuGH wird zum Frühjahr 2010 erwartet.
Die Autorin Julie Wiehler, LL.M., ist Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Frhr. v.d. Bussche Lehnert Niemann Wiehler Rechtsanwälte & Notare. Sie berät und unterstützt Unternehmen und die öffentliche Hand bei öffentlichen Ausschreibungen sowie bei vergaberechtlichen Fragen in öffentlich geförderten Projekten.
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