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Vergaberechtsreform: Gesetzentwurf liegt vor

Paragraph Mit rund einjähriger Verspätung liegt nun der der Gesetzentwurf zur Modernisierung des deutschen Vergaberechts aus der Feder des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) vor.

Nach dem Ende 2006 die sog. erste Stufe der Vergaberechtsreform, die nur der Umsetzung der zwingenden EU-rechtlichen Vorgaben (insb. der RiLi 2004/17/EG für den Sektorenbereich und 2004/18/EG für den Nicht-Sektorenbereich) diente, erfolgreich abgeschlossen wurde, dient der Gesetzentwurf nun (neben der Umsetzung weiterer EU-rechtlicher Vorgaben) der lange angekündigten, sog. zweiten Stufe der Reform, die das deutsche Vergaberecht vereinfachen und modernisieren soll.

Die Verzögerung bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs, so wurde verlautet, war darauf zurück zu führen, dass sich die beteiligten Ressorts nicht auf die Einbeziehung sog. vergabefremder Aspekte, wie insb. eine nachhaltige Beschaffung und eine verstärkte Förderung des Mittelstands, einigen konnten.

Geändert und ergänzend werden das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV) und die Verdingungsordnungen. Letztere werden allerdings gesondert in den Verdingungsausschüssen gemeinsam von öffentlicher Hand und Wirtschaft überarbeitet. Für die Sektorenbereiche soll eine eigene Verordnung geschaffen werden.

Die grundlegenden Eckpunkte des Entwurfs sind:

Kein eigenständiges „Vergabegesetz“, sondern Modernisierung im bestehenden System unter Beibehaltung des Kaskadenprinzips (GWB, VgV und Verdingungsordnungen).

Keine Einführung eines förmlichen Primärrechtsschutzes unterhalb der EU-Schwellenwerte (entspr. Urteil des BVerfG vom 13.6.2006: „Keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines Primärrechtsschutzes im Unterschwellenbereich“).

Bürokratiekostensenkung durch effizientere Verfahrenabläufe.

Keine weitere Einführung von Informationspflichten für Unternehmen.

Die wesentlichen inhaltlichen Änderungen sind:

Informationspflicht des § 13 VgV an unterlegene Bieter nun in § 101 a und § 101 b GBW-E mit folgenden Änderungen:

  • 15 statt wie bisher 14 Tagen Stillhaltefrist vor Vertragsschluß entsprechend der neuen EG-Rechtsmittelrichtlinie (§ 101 a I GWB-E).
  • Keine Informationspflicht in Fällen, in den das Verhandungsverfahren ohne Bekanntmachung wegen besonderer Dringlichkeit zulässig ist (§ 101 a II GWB-E).
  • Erfasst werden nun auch Fälle von de-facto-Vergaben, also solche, bei denen rechtswidrig gar kein Vergabeverfahren stattfand, was im Rahmen des § 13 VgV umstritten war (§ 101 b I Nr. 2 GWB-E).
  • Bei Verstoß gegen die Informationspflicht ist der Vertrag nur dann unwirksam, wenn der Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt wurde. Dabei gilt eine Frist von 30 Tagen zur Geltendmachung der Unwirksamkeit ab Kenntnis des Verstoßes bzw. Veröffentlichung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der EU, jedoch spätenstens 6 Monate nach Vertragsschluß (§ 101 b I, II GWB-E).

Einführung einer Frist zur Erhebung des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer: Der Antrag ist unzulässig, wenn mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind (§ 107 III GWB-E).

Verstärkte Berücksichtung mittelständischer Interessen (§ 97 III GWB-E): Bislang „Soll“-Vorschrift, nun grds. Pflicht zur Aufteilung in Lose. Abweichungen hiervon „wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern“.

Möglichkeit, „zusätzliche Anforderungen“ an den Auftragnehmer zu stellen, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen (§ 97 IV GWB-E), z.B. Lebenszykluskosten, Energieeffizienz, bestimmte Produktionsverfahren, Beschäftigung von Auszubildenden oder Langzeitarbeitslosen, angemessene Vergütung oder Produkte, die im Ausland unter Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation hergestellt wurden.

Regelung von Inhouse-Vergaben: „Ein öffentlicher Auftrag liegt nicht vor, wenn öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 1, 2 oder 3 Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen durch eine oder mehrere juristische Personen erbringen lassen, die selbst öffentliche Auftraggeber sind und an denen privates Kapital nicht beteiligt ist, sofern diese juristischen Personen die zu erbringende Leistung überhaupt nicht auf dem Markt anbieten oder im wesentlichen für öffentliche Auftraggeber tätig sind.“ (§ 99 I GWB-E)

Korrektur der Rechtsprechung des OLG-Düsseldorf („Ahlhorn-Entscheidung“), wonach die Regeln über die Vergabe von Bauaufträgen einzuhalten seien, wenn eine Kommune ihre städtischen Grundstücke unter einer Bebauungsverpflichtung zur Verwirklichung ihrer städtebaulichen Ziele verkauft (sog. Investorenwettbewerbe). Nach der neuen Regelung wird der Begriff des öffentlichen Auftrags insoweit verschärft, als dass die Bauleistung dem öffentlichen Auftraggeber „unmittelbar wirtschaftlich zugute kommen“ muß.

Der Entwurf ist entgegen ersten Stimmen ein großer Wurf. Zwar wurde – wie bereits zuvor bekannt war – entgegen den ursprünglichen Plänen aus 2006, das deutsche Vergaberecht durch Abschaffung des Kaskadenprinzips radikal zu konsolidieren, das bestehende System aus GWB, VgV und Verdingungsordnungen beibehalten. Gleichwohl sind die Pflicht zur Losvergabe, die Regelung von Inhouse-Vergaben, die es der öffentlichen Hand nun erstmals ermöglichen, rechtssicher Leistungen „in-house“, d.h. ohne förmliche Ausschreibung zu vergeben, sowie die sehr weitreichende Zulassung vergabefremder Aspekte ein mutiger Schritt nach vorne.

Es wird spannend bleiben, was am Ende hiervon tatsächlich in Gesetzesform gegossen werden wird.

Den Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts finden Sie hier.

Die Begründung zum Gesetzentwurf finden Sie hier.

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Über Marco Junk

Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.

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