Auf der heute und morgen in Berlin stattfindenden Public Sector Messe “Moderner Staat” ist mir vorhin Uli Norf begegnet. Herr Norf von der Firma Intel, ist – ebenso wie Hauptwettbewerber AMD – Mitglied einer Arbeitsgruppe unter Federführung des Beschaffungsamts des BMI und des BITKOM zur “produktneutralen Ausschreibung von Informations- und Kommunikationstechnologien (ITK)”. Was so gar nicht spannend klingt, hat in der inzwischen über 3-jährigen Dauer des Projekts Kreise gezogen: Das IT-Amt der Bundeswehr, das Umweltbundesamt, die Bundesagentur für Arbeit und das IT-Dienstleistungszentrum Berlin sind als Partner hinzugetreten. Ziel ist die Erarbeitung von Leitfäden zur Formulierung von produktneutralen und damit rechtskonformen Ausschreibungen für Desktop-PCs, Notebooks und Server. Eine Zwischenbilanz.
Die Verpflichtung zur produktneutralen Beschaffung ergibt sich aus dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot gemäß dem Rahmenwerk der Direktive 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993, entsprechend in § 8 VOL/A, und soll gewährleisten, dass nicht schon durch diskriminierende Formulierungen in der Ausschreibung bestimmte Hersteller oder Lieferanten aus dem Kreis der potentiellen Bieter ausgeschlossen werden. Zugleich ermöglicht ein fairer, offener Wettbewerb Kosteneinsparungen für die Vergabestellen, denn diese erhalten das am besten geeignete Produkt zum besten Preis.
Gerade im Bereich der ITK-Beschaffung ist eine solche produktneutrale Leistungsbeschreibung aber naturgemäß keine leicht zu erfüllende Aufgabe: Die technische Komplexität der Materie, die rasche Abfolge der Produktzyklen und vor allem die Schwierigkeit, die gewünschte Leistungsfähigkeit eines Systems unter Einbeziehung aller technischen Anforderungen punktgenau zu beschreiben, stellen öffentliche Beschaffer vor große Herausforderungen. Dazu kommt, dass insbesondere in kleinen und mittleren Kommunen und Behörden oft kein IT-Fachmann beratend zur Seite stehen kann.
In der Vergangenheit behalf man sich u.a. damit, auf vermeintliche Standards wie Taktfrequenzen der CPUs zu referenzieren, oder aber eben gleich auf – “bekannt und bewährt” – einschlägige Markennamen. Nach wie vor prominentestes – wenn gleich schon lange aus der Mode gekommenes – Beispiel war die Bezugnahme auf den Pentium© Prozessor – eben von Intel. Die erste genannte Methode ist aufgrund der verschiedenen Architekturen der Prozessoren schlicht ungeeignet, die Leistung eines Rechners zu spezifizieren, die zweite offenkundig rechtswidrig. Dabei ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass sich die Problematik keinesfalls auf die Prozessoren beschränkte. Es gab Zeiten, da ließ sich z.B. über die Anzahl der geforderten USB-Schnittstellen “festlegen” welcher Hersteller zum Zuge kam.
Ziel der 2006 von Beschaffungsamt und BITKOM gegründeten Arbeitsgruppe ist es, öffentlichen Beschaffern auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene eine ebenso verlässliche wie verständliche Hilfe bei der Formulierung ihrer ITK-Ausschreibungen an die Hand zu geben. In dazu gemeinsam von den beteiligten Beschaffern wie der anbietenden Wirtschaft erarbeiteten Leitfäden wird eine umfassende Hilfestellung gegeben, die Ausschreibungen produktneutral, d.h. ohne Verwendung geschützter Markennamen oder der Nennung eines bestimmten Herstellers und unter Berücksichtigung aktueller technischer Anforderungen zu formulieren. Der Schlüssel dazu liegt in der Verwendung von sog. Benchmark-Verfahren. Dabei wird die Leistung eines IT-Systems durch eine eigens hierfür entwickelte, herstellerneutrale Software gemessen. Unabhängig von der Eigenheit und Herkunft der verbauten Komponenten schreibt der Beschaffer daher nur doch eine bestimmte Mindestleistung aus, die der Rechner bereitstellen muss. Der Hersteller oder Lieferant stellt sicher, dass das System diese Leistung auch erfüllt, was mittels des Benchmarkverfahrens leicht nachzuweisen ist. Klingt einfach, und ist es bei Beachtung der dafür zwingend einzuhaltenden Prozedur auch.
Gegenwärtig sind Leitfäden zur Beschaffung von Desktop-PCs und Notebooks erhältlich, solche für Bildschirme und Server sind in Arbeit. Um dabei stets dem aktuellen Stand der Technik zu entsprechen, werden die gegebenen Empfehlungen regelmäßig aktualisiert – so folgt z.B. ein Update des PC-Leitfadens noch in diesem Jahr – sollten Sie also gerade solche beschaffen wollen, empfiehlt es sich, noch ca. 2 Wochen damit zu warten.
Neben technischen Anforderungen gewinnt eine umweltgerechte, nachhaltige Beschaffung mehr und mehr an Bedeutung. Unter Beteiligung des Umweltbundesamts als gleichberechtigtem Partner werden daher zudem Empfehlungen gegeben, auch diesen Ansprüchen gerecht zu werden. So werden etwa Aspekte wie einfache Wiederverwertbarkeit der Geräte, geringe Lärmemissionen während des Betriebs und insbesondere ein niedriger Energieverbrauch berücksichtigt – ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz.
Alle Leitfäden sind kostenlos als PDF-Dokument auf der Internetseite der Arbeitsgruppe unter www.itk-beschaffung.de abrufbar.
Ziel der Arbeitsgruppe ist es, möglichst breit aufgestellt zu sein, um produktspezifische Diskriminierungen mit größtmöglicher Sicherheit auszuschließen. Sollten Sie als Hersteller oder Anbieter von ITK-Hardware (PCs, Notebooks, Server, Peripherie) Interesse an einer Mitarbeit am Projekt haben, so kontaktieren Sie mich bitte.
Herr Norf sagte mir vorhin, dass – das Internet macht es möglich – inzwischen auch zahlreiche, regelmäßig von Korruption betroffene Länder weit jenseits der EU-Außengrenzen das Informationsangebot der Webseite www.itk-beschaffung.de nutzen. Aus der praktischen Not heraus, Ausschreibungen im ITK-Bereich rechtskonform zu gestalten, wurde so ein probates Mittel zur Bekämpfung von Korruption in Ländern, die im Alphabet der Rechtsetzung bei weitem noch nicht bei V wie Vergaberecht angekommen sind – denn ein Benchmark lässt sich zwar fälschen, aber eben auch überprüfen.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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