Auch wenn sich das Vergaberecht gerade einmal nicht ändert, so ändert sich der Stand der Technik doch fortlaufend: Daher haben die Partner des Projekts “itk-beschaffung.de” unter Federführung des Beschaffungsamts des BMI und des BITKOM ihren Leitfaden zur produktneutralen Beschaffung von Desktop-PCs aktualisiert. Der Leitfaden gibt eine praxistaugliche Hilfestellung für öffentliche Einkäufer, ihre Ausschreibungen von Desktop-PCs entsprechend § 8 VOL/A 2006 “produktneutral”, d.h. ohne Verwendung geschützter Markennamen und ohne Nennung eines bestimmten Herstellers, gleichwohl aber unter Berücksichtigung aktueller technischer Anforderungen zu formulieren. Der Schlüssel dazu liegt in der Verwendung von sog. Benchmark-Verfahren.
Gem. § 8 VOL/A sind Ausschreibungen “produktneutral” zu formulieren. So soll sichergestellt werden, dass nicht durch diskriminierende Formulierungen bestimmte Bieter ausgeschlossen werden. Gerade im ITK-Bereich aufgrund der technischen Komplexität keine leichte Aufgabe, weshalb in man sich in der Vergangenheit u.a. damit behalf, auf vermeintliche Standards wie Taktfrequenzen der CPUs zu referenzieren, oder aber eben gleich auf – “bekannt und bewährt” – einschlägige Markennamen. Nach wie vor prominentestes – wenn gleich schon lange aus der Mode gekommenes – Beispiel war die Bezugnahme auf den Pentium© Prozessor – eben von Intel. Dabei ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass sich die Problematik keinesfalls auf die Prozessoren beschränkte. So ließ sich z.B. zeitweise über die Anzahl der geforderten USB-Schnittstellen „festlegen“ welcher Hersteller zum Zuge kam.
Um den öffentlichen Einkäufern hier eine praxisgerechte Hilfe an die Hand zu geben und gleichzeitig den Wettbewerb zu fördern, haben das Beschaffungsamt des BMI und BITKOM im Jahr 2006 das Projekt “itk-beschaffung.de” ins Leben gerufen. Inzwischen sind neben einer ganzen Reihe von PC-, Notebook- und Serverherstellern das IT-Amt der Bundeswehr, die Bundesagentur für Arbeit und das Umweltbundesamt an der Erstellung der Leitfäden zur produktneutralen und gleichzeitig umweltfreundlichen Beschaffung von ITK beteiligt.
Das Mittel der Wahl zur produktneutralen Formulierung der Leistungsbeschreibung stellen dabei sog. “Benchmarks” dar. Diese herstellerneutrale Software testet das System, indem sie – im optimalen Fall – dessen täglichen Arbeitseinsatz simuliert (sog. anwendungsbezogene Benchmarks). Die so gewonnen Ergebnisse machen die Leistung von Desktop-PCs, Notebooks oder Servern erstmals objektiv miteinander vergleichbar. Dementsprechend lassen sich Ausschreibungen formulieren, die – produktneutral – einen bestimmten, vom Benchmark zu erreichenden Performance-Wert fordern.
In der nun überarbeiteten, inzwischen schon dritten Auflage des Leitfadens zur produktneutralen Beschaffung von Desktop-PCs wurden vor allem die empfohlenen Benchmarkwerte dem Stand der Technik entsprechend nach oben angehoben. Neben Windows XP werden nun auch Werte für Windows Vista angegeben. Zum Redaktionsschluss lagen noch keine verlässlichen Zahlen für Windows 7 vor, diese werden aber alsbald nachgepflegt. Gleichzeitig hat sich das Verfahren zum Einsatz der Benchmarksoftware deutlich vereinfacht.
Sie finden den Leitfaden zum kostenlosen Download auf der Internetseite des Projekts unterwww.itk-beschaffung.de.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
Wie kann man denn hier von „Hersteller- bzw. Produktneutralität“ sprechen, wenn der gewählte Benchmarktest anscheinend ausschließlich auf Betriebssystemen der Firma Microsoft läuft?
Weil sich die geforderte Hersteller- bzw. Produktneutralität vermutlich in den meisten Fällen auf die Hardware bezieht. Im Serverbereich habe ich da ja auch meine Bedenken, auf dem Desktop läuft aber in professionellen Umgebungen im ö. D. fast immer Windows – sicher nicht grundlos. Diverse Spezialanwendungen in Linux & Co. einbinden bzw. sie dort zu emulieren ist doch meist ein arg zeitintensives Unterfangen und nicht immer zufriedenstellend lösbar.
Sehr geehrter Herr Bartsch,
Sie sprechen einen validen Punkt an, an dessen Lösung auch gearbeitet wird. Die Linux Solutions Group e.V. (LiSoG), ein Netzwerk zur Förderung Open-Source-basierter Lösungen im deutschsprachigen Raum, hat im August letzten Jahres die Spezifikation des ersten Open Source Desktop Benchmarks veröffentlicht. Nähere Infos hier:
https://www.vergabeblog.de/2009-08-07/produktneutrale-ausschreibung-von-itk-erster-open-source-benchmark-entwickelt/
Bis zur „Marktreife“ gilt: Besser produktneutral in einem Windows-Umfeld, als gar nicht.
@Frank Salamon schrieb „auf dem Desktop läuft aber in professionellen Umgebungen im ö. D. fast immer Windows – sicher nicht grundlos.“
Der Grund heisst fast immer „Lock-In“. In Ausschreibungen muss vermieden werden dies auch noch zu verewigen oder zu fördern.