Nun steht es fest: Die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) hat am 22. März 2010 den Zuschlag für das Vergabeverfahren über den Betrieb des BOS-Digitalfunknetzes an die Alcatel-Lucent Deutschland AG erteilt. Erst am 3. März hatte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die Freigabe der Mittel für den Regelbetrieb des Netzes verfügt, nachdem er sie zuvor wegen massiver Kostensteigerungen gesperrt hatte.
Die zu den größten Vergabeverfahren Deutschlands zählende Ausschreibung um den sog. Regelbetrieb des Netzes wurde im Dezember 2007 bekannt gemacht und war als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgestaltet. Im Oktober letzten Jahres wurde Alcatel-Lucent als Gewinner neben den im Wettbewerb verbliebenen Konkurrenten, darunter Nokia Siemens Networks und T-Systems/EADS bestimmt.
Bund und Länder wollen gemeinsam ein bundesweit einheitliches, digitales Sprech- und Datenfunksystem für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), also Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, einführen, den sog. BOS-Digitalfunk. Dabei handelt es sich um das derzeit größte technische Modernisierungsprojekt in Deutschland. Der Aufbaus wird zentral von der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) koordiniert.
Aufgabe des Betreibers Alcatel-Lucent ist die Übernahme des Netzbetriebs vom derzeitigen Interimsbetreiber und die Gewährleistung von dessen hoher Verfügbarkeit und Qualität für die kommenden 10 Jahre. Mit dem Abschluss des Vergabeverfahrens Betrieb ist ein weiterer wichtiger Meilenstein beim Aufbau des BOS-Digitalfunknetzes erreicht. An der Realisierung des Netzbetriebs ist neben dem Hauptpartner Alcatel-Lucent noch IBM und die deutsche IABG beteiligt. Im Vergabeverfahren wurde hinter vorgehaltener Hand Kritik hinsichtlich einer möglichen Vergabe an Nicht-Deutsche Anbieter laut, schließlich handele es sich ja um die Kommunikation deutscher Sicherheitsbehörden.
Nach Angaben der BDBOS ist der BOS-Digitalfunk bereits in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie in den Städten München, Köln und Stuttgart auf Sendung. Insgesamt hätten bereits 13 Bundesländer Basisstationen in Betrieb genommen und beide Netzverwaltungszentren des BOS-Digitalfunknetzes – in Berlin und Hannover – ihre Arbeit aufgenommen.
Technisch basiert der Digitalfunk BOS auf dem Standard TETRA (Terrestrial Trunked Radio), der im europäischen Raum etabliert ist und für die besonderen Anforderungen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben entwickelt wurde. Er erlaubt auch eine Datenübertragung. Mit rund 500.000 Nutzern wird es sich dann um das weltweit größte flächendeckende TETRA-Funknetz handeln.
Wie eGovernment-Computing meldet, rechnet das BMI “bis 2021 mit Gesamtkosten – allein für den Bund – von rund 3,5 Milliarden Euro für Planung, Aufbau und Betrieb des Digitalfunks – 40 Prozent mehr, als ursprünglich geplant”. Derzeit bauen neben Deutschland acht weitere europäische Staaten landesweite TETRA-Netze auf, zum Beispiel Österreich, Schweden, Norwegen und Portugal. Interessant wäre es zu erfahren, ob auch hier die Kosten so aus dem Ruder laufen oder es sich um eine deutsche Tugend handelt – man erinnere sich nur an Stuttgart21.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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