Die Pflicht von Auftraggebern, den Mittelstand durch die Vergabe von Fach- und Teillosen zu berücksichtigen, gilt nicht uneingeschränkt. Gerade bei ÖPP-Projekten dürfen sie auf eine Losbildung verzichten, wenn sie sich hierdurch einen interdisziplinären Managementaufwand ersparen wollen. Dies hat das OLG Celle in seinem Beschluss vom 26.04.2010 (13 Verg 4/10) entschieden.
Gesamtvergabe vs. Mittelstandsschutz
Die Entscheidung betrifft den geplanten Neubau für das Landeskriminalamt Niedersachsen als ÖPP-Modell. Das Land hatte hierfür die wirtschaftliche, technische und juristische Beratung als Gesamtberatung EU-weit ausgeschrieben. Die Beratung sollte die konkrete Ausgestaltung des Projekts klären, ein bestimmtes ÖPP-Modell stand noch nicht fest. Eine Anwaltskanzlei rügte diese Gesamtvergabe als mittelstandsfeindlich und verlangte, die juristische Beratung als eigenes Fachlos auszuschreiben. Hierbei berief sie sich insbesondere auf die Verschärfung der Pflicht zur Losbildung im Rahmen der GWB-Novelle, von der nur noch aus zwingenden Gründen abgewichen werden dürfe.
Gestaltungsfreiheit des Auftraggebers
Das OLG Celle hat indes keine Bedenken gegen die Gesamtvergabe geäußert. Nach seiner Ansicht ändert die Verschärfung der Lospflicht durch die GWB-Novelle nichts daran, dass jeder Vergabestelle die Bestimmung der auszuschreibenden Leistung nach ihren individuellen Vorstellungen frei steht. Nur in dieser Gestalt muss die Vergabestelle den Wettbewerb eröffnen. Im Anschluss an das OLG Jena (Beschluss vom 06.06.2007 – 9 Verg 3/07) nimmt das OLG Celle eine zweistufige Prüfung vor. Auf der ersten Stufe fragt es, ob aufgrund der Natur der nachgefragten Leistung eine Losteilung überhaupt möglich ist. Nur wenn dies der Fall ist, ist auf der zweiten Stufe anschließend zu prüfen, ob im Einzelfall eine Ausnahme von der Pflicht zur Losteilung vorliegt.
Kein bloßes Zusammenfügen von Teilleistungen
Für die ausgeschriebenen Beratungsleistungen hat das OLG Celle bereits auf der ersten Stufe die Möglichkeit einer Losteilung abgelehnt. Eine Aufteilung in Lose hätte vorausgesetzt, dass sich das Land bereits für ein bestimmtes ÖPP-Modell entschieden hätte. Hier wollte sich das Land jedoch externen Sachverstand beschaffen, der ihm die wesentlichen Schnittstellen des Projektes aufzeigen und die unterschiedlichen rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Optionen bewerten und analysieren sollte. Diesen interdisziplinären Managementaufwand hätte das Land im Fall einer losweisen Vergabe jedoch selbst erbringen müssen, da diese nur das Zusammenfügen mehrerer Teilleistungen ermöglicht hätte. Zudem hätte eine losweise Vergabe nicht gewährleistet, dass die Teilleistungen überhaupt zu einem Gesamtkonzept zusammengefügt werden könnten.
Die Entscheidung des OLG Celle zeigt erneut, dass auch nach der Verschärfung des § 97 Abs. 3 GWB noch Spielräume für eine Gesamtvergabe bestehen. Am 07.10.2009 hatte bereits die VK Münster entschieden, dass sich das Gebot der losweisen Vergabe auch nach der GWB-Novelle weiter vor den Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung gemäß § 97 Abs. 5 GWB rechtfertigen muss (VK 18/09).
Mehr Informationen über den Autor Dr. Jan Seidel finden Sie im Autorenverzeichnis.
Dr. Jan Seidel ist Rechtsanwalt im Düsseldorfer und Nürnberger Büro der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Dort berät er öffentliche Auftraggeber und Bieter in Vergabeprojekten mit einem Schwerpunkt auf der kommunalen Infrastruktur (insbesondere Ver- und Entsorgung sowie ÖPNV).
Hi! Danke für die Info – der Artikel ist sehr gut geschrieben.