„Et hätt noch immer jot jejange“? – Kölner Messehallen und Abwasserentsorung in Hamm. In beiden Fällen ging es nach Ansicht der EU-Kommission bei der Auftragsvergabe nicht mit rechten, sprich vergaberechtskonformen Mitteln zu. Nach dem der EuGH im Oktober letzten Jahres die Rechtswidrigkeit der Vergabe des Kölner Messeneubaus an den Oppenheim-Esch-Fonds feststellte, hat die Kommission Deutschland nun förmlich aufgefordert, das Urteil innerhalb der kommenden zwei Monate umzusetzen. Andernfalls droht ein Zwangsgeld. Zugleich hat die Kommission beschlossen, die Bundesrepublik vor dem EuGH wegen der Direktvergabe von Abwasserentsorgungsleistungen in Hamm zu verklagen, da die zuständigen Behörden trotz Aufforderung vor über einem Jahr bislang keine zufriedenstellende Antwort abgegeben haben.
Kölner Messehallen
Der EuGH (Urteil v. 29.10.2009, C-536/07) hatte festgestellt, dass die Vergabe eines Auftrags zum Bau und der Vermietung der vier Messehallen mit einer privaten Investmentgesellschaft, dem Oppenheim-Esch-Fonds, nicht mit den EU-Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen vereinbar war. Eine private Investmentgesellschaft sollte die Hallen gemäß detaillierten Vorgaben der Stadt Köln errichten. Die Stadt wollte die Gebäude dann für einen festen Zeitraum von 30 Jahren mieten, zu einem Mietzins von insgesamt 600 Mio. Euro. Der Gerichtshof bestätigte den Standpunkt der Kommission, dass diese Regelung als öffentlicher Bauauftrag anzusehen war. Indem die deutschen Behörden den Auftrag ohne ein wettbewerbliches Verfahren vergaben, haben sie gegen ihre Verpflichtungen aus den Richtlinien für das öffentliche Auftragswesen verstoßen.
Nach Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Urteilen des Gerichtshofs nachzukommen. Nach Auffassung der Kommission haben die deutschen Behörden nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um dem Urteil des Gerichtshofs nachzukommen, das sie verpflichtet, den unter Verstoß gegen EU-Recht geschlossenen Vertrag zwischen der Stadt Köln und der Investmentgesellschaft über den Bau und die 30-jährige Miete der Hallen zu beenden. Die Kommission hat Deutschland nun daher förmlich aufgefordert, dem Urteil des EuGH nachzukommen und den Vertrag so bald wie möglich zu beenden.
Laut Medienberichten kommentierte Stadt-Sprecher Gregor Timmer das Ultimatum wie folgt: „Wir verhandeln weiter mit dem Esch-Fonds und hoffen, dass die Verhandlungen zu einem Ergebnis führen“ – Es gebe derzeit zwei Optionen: Entweder werde ein neuer, mit den EU-Vorgaben konformer Vertrag ausgehandelt, oder die Stadt kaufe die Hallen.
Die Aufforderung ergeht in Form einer sogenannten „förmlichen Aufforderung“ nach Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Kommen die deutschen Behörden dem nicht innerhalb von zwei Monaten nach, kann die Kommission den Gerichtshof anrufen und die Auferlegung eines Pauschalbetrags oder eines Zwangsgelds beantragen.
Abwasserentsorgungsleistungen Hamm
2003 vergab die Stadt Hamm Dienstleistungen der Abwasserentsorgung an den Lippeverband, einen Wasserwirtschaftsverband mit öffentlichen und privaten Mitgliedern ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren. 2008 erhielt der Lippeverband für die Erbringung dieser Dienstleistungen von der Stadt eine jährliche Zahlung von über 18 Mio. Euro, was in diesem Jahr einer erheblichen Gewinnmarge von über 1 Mio. Euro und einem Drittel des Gesamtgewinns des Lippeverbands entsprach.
Nach Auffassung der Kommission hätte die Stadt Hamm den Auftrag im Anschluss an eine öffentliche Ausschreibung gemäß den EU-Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen vergeben müssen. Dies hätte nach Auffassung der Kommission nicht nur der ungerechtfertigten Beschränkung des Wettbewerbs bei der Abwasserentsorgung abgeholfen, zugleich hätte es damit möglicherweise zu einer Senkung der Abwassergebühren zugunsten der Bürger der Stadt Hamm kommen können. Denn trotz des genannten Gewinns wurden die Abwassergebühren für die Bürger Hamms zwischen 2008 und 2009 nicht gesenkt.
Die Kommission hatte daher Deutschland im April 2009 aufgefordert, den EU-Rechtsvorschriften nachzukommen. Da keine zufriedenstellende Antwort gegeben wurde, hat die Kommission jetzt beschlossen, in dieser Sache den EuGH anzurufen.
Zum Vertragsverletzungsverfahren
Die Kommission ist befugt, rechtliche Schritte – in Form eines Vertragsverletzungsverfahrens – gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, die ihren Verpflichtungen aus den EU-Vorschriften nicht nachkommen. Diese Verfahren sind in drei Abschnitte gegliedert. Zunächst erhält der Mitgliedstaat ein Aufforderungsschreiben, das innerhalb von zwei Monaten zu beantworten ist. Wird den EU-Rechtsvorschriften nicht vollständig entsprochen, übermittelt die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme. Der Mitgliedstaat hat erneut zwei Monate Zeit, um darauf zu reagieren. Erhält die Kommission keine zufriedenstellende Antwort, kann sie den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg mit der Angelegenheit befassen. Kommt der Mitgliedstaat dem Urteil des Gerichtshofs nicht nach, kann die Kommission beim Gerichtshof die Auferlegung einer Geldbuße gegen das betreffende Land beantragen.
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