Ein Landkreis in Rheinland-Pfalz hatte im Jahr 2004 die Einsammlung von Papier, Pappe und Kartonagen (PPK) an einen privaten Entsorger vergeben. Die Ausschreibungsunterlagen sahen vor, dass der erfolgreiche Bieter an den Landkreis ein über die Vertragslaufzeit unveränderliches Entgelt für die Möglichkeit der Mitbenutzung der kommunalen Papiertonnen für die Erfassung von Verkaufsverpackungen aus PPK zu zahlen hatte.
Nachdem während der Vertragslaufzeit die Entgelte, die der private Entsorger seinerseits von den für die Entsorgung von Verkaufsverpackungen aus PPK zuständigen Dualen Systemen für die Mitbenutzung erhält, gesunken waren, wollte der private Entsorger auch das an den Landkreis zu zahlende Entgelt kürzen; dies allerdings ohne Erfolg (LG Kaiserslautern, Urteil v. 28.07.2010 – 2 O 298/08 – nicht rechtskräftig).
Grundsätzliches zur Mitbenutzung im Bereich PPK
Der Urteilsinhalt erschließt sich nur, wenn die zu Grunde liegende Systematik der Mitbenutzung im Bereich der PPK-Entsorgung bekannt ist: Die Kommunen sind nach den Vorgaben der VerpackV originär nur für die Entsorgung von so genannten Druckerzeugnissen (Zeitschriften, Kataloge, Zeitungen, etc.) aus PPK zuständig, während die Erfassung und Entsorgung der Verkaufsverpackungen aus PPK Sache der Privatwirtschaft ist. Die Entsorgung der Verkaufsverpackungen aus PPK wird von den Dualen Systemen (Duales System Deutschland – DSD) organisiert, die auch für die so genannten Leichtverpackungen zuständig sind, die gemeinhin in einem „gelben Sack“ gesammelt werden. Da es für die Dualen Systeme keine Sinn macht, ein eigenständiges Erfassungssystem für Verkaufsverpackungen aus PPK neben den etablierten kommunalen Sammelsystemen einzurichten, sind die Dualen Systeme dazu angehalten, die bestehenden kommunalen Sammelsysteme mitzubenutzen.
Zu diesem Zwecke können nach den Vorgaben des Bundeskartellamts (BKartA) die so genannten Mitbenutzungsverträge, in denen insbesondere die Höhe des von den Dualen Systemen zu zahlenden Entgelts für die Mitbenutzung geregelt wird, nur zwischen dem operativ tätigen Sammelunternehmen und den Dualen Systemen geschlossen werden, obwohl es doch um die Mitbenutzung des kommunalen Sammelsystems geht.
Keine Regelungslücke wegen vorhandener Preisanpassungsklausel
Das Landgericht Kaiserslautern wies die Klage des privaten Entsorgers auf geminderte Mitbenutzungsentgelte ab. Zur Begründung führt das Gericht zunächst aus, dass eine Regelungslücke in dem Vertrag als Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung wohl nicht vorliege, da eine Preisanpassungsklausel vorhanden sei, die diese Anpassungsmöglichkeit gerade nicht vorsehe.
Risikoübernahme durch den privaten Entsorger wegen Festpreisvereinbarung
Letztlich lässt das Gericht diese Frage jedoch offen, da eine Auslegung des Vertrages ergebe, dass der private Entsorger insoweit das Kalkulationsrisiko übernommen habe. Entscheidend sei dabei, dass durch die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen das Mitbenutzungsentgelt als Festpreis abgefragt worden sei. Den Einwand des privaten Entsorgers, nicht in der Lage gewesen zu sein, für die Dauer der Vertragslaufzeit die Entwicklung der DSD-Entgelte vorauszusehen, weist das Gericht mit der Begründung zurück, dann hätte während des Vergabeverfahrens eine entsprechende Rüge erhoben werden müssen mit dem Ziel, die Festpreisvorgabe zu verändern.
Auch der Einwand des privaten Entsorgers, man müsse dem Landkreis nun etwas gewähren, was man selbst von den Dualen Systemen gar nicht erhalte, greift nach Auffassung des LG Kaiserslautern nicht durch. Dieser Umstand zeige ausschließlich, dass sich das übernommene Preisrisiko realisiert habe, rechtfertige aber keine Preisanpassung.
Ebenso wenig konnte der Klage zu Erfolg verhelfen, dass im Falle eines Abschlusses der Mitbenutzungsverträge zwischen dem Landkreis und den Dualen Systemen der private Entsorger kein Risiko getragen hätte. Denn dann hätte der Landkreis eben auch selbst mit den Dualen Systemen verhandeln können. Da dies vorliegend aber nur der private Entsorger konnte, sei es nur angemessen, dass dieser dann eben auch das entsprechende Risiko trage.
Kein Anpassungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben
Schließlich und endlich verneint das Gericht auch einen Anspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und den Regelungen über eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Weder führe das Festhalten an der entsprechenden vertraglichen Regelung zu untragbaren Ergebnissen, noch sei eine wesentliche Veränderung der vertraglichen Grundlagen zu erkennen.
Fazit: Diejenigen Kommunen, die die Sammlung von PPK nicht selbst ausführen, können durch eine entsprechende Gestaltung der Vergabeunterlagen das Risiko veränderter DSD-Entgelte rechtswirksam auf den privaten Sammler übertragen. Dies ist auch nicht unbillig, da nur der private Sammler Verhandlungspartner der Dualen Systeme sein darf. Wichtig ist hierbei, auf die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen höchste Sorgfalt zu legen.
Mehr Informationen über den Autor Martin Adams, Mag. rer. publ., finden Sie im Autorenverzeichnis. Er hat auch das gerichtliche Verfahren für den Landkreis geführt. Das Urteil kann im Volltext unter www.fmp-recht.de oder www.oekon-gmbh.de unter diesem Link herunter geladen werden.
Herr Martin Adams, Mag. rer. publ. ist Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei _teamiur_Rechtsanwälte, Mannheim. Herr Adams berät bundesweit öffentliche Auftraggeber bei Ausschreibungen und in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren, insbesondere im Bereich der Abfallwirtschaft. Darüber hinaus veröffentlicht er regelmäßig Beiträge in entsprechenden Fachmedien und tritt als Referent in Fachseminaren auf.
0 Kommentare