Reicht die Eignungsprüfung aus, um die Spreu vom Weizen zu trennen? Zumindest für den Bereich der “Arbeits- und Arbeitskräftevermittlung” lautet die Antwort nach Ansicht des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) “nein”. Dieses schlägt daher eine Ergänzung des § 4 Abs. 4 VgV vor. Danach soll es bei Leistungen des Anhangs I B der VOL/A zukünftig zulässig sein, besondere Erfahrungen mit dem Bieter und andere Eignungsmerkmale auch bei der Zuschlagsentscheidung zu berücksichtigen, sofern deren Gewichtung 20% der Gewichtung aller Zuschlagskriterien nicht überschreitet.
Der Ausschuss Vergaberecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) rät davon ab und verweist auf den drohenden Systembruch.
Irgendwie kann man das BMAS ja verstehen. Eine „mehr an Eignung“ ist kein zulässiges Wertungskriterium (BGH, Urteil vom 15.04.2008 – X ZR 129/06 – siehe dazu unseren Beitrag). Was nicht passt, wird also einfach passend gemacht, um die Erfahrungen, über die man verfügt, auch bei der Zuschlagserteilung zu berücksichtigen? Zur Begründung gibt das Ministerium an, es gebe insbesondere freiberufliche Leistungen, bei denen sich Eignungs- und Wertungsaspekte überlappten und bei denen die strikte Trennung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien zu unsachgemäßen Ergebnissen führe. Tatsächlich hat man in der Vergangenheit z.T. schlechte Erfahrungen im Bereich Arbeits- und Arbeitskräftevermittlung gemacht.
Der DAV verweist auf die ständige Rechtsprechung des EuGH, der an einer strikten Trennung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien festhalte. Eine hiervon abweichende nationale Regelung, die die Berücksichtigung von Eignungsmerkmalen auch bei der Angebotsprüfung gestattet, sehe sich daher dem Einwand der Europarechtswidrigkeit ausgesetzt.
Im Übrigen ermögliche das geltende Vergaberecht nach Ansicht des DAV durchaus die Auswahl der am besten geeigneten Bewerber im Rahmen der Eignungsprüfung. Dazu könne der Auftraggeber einen Katalog eignungsbezogener Kriterien aufstellen, so der DAV: „In der nachfolgenden Angebotsphase können neben dem Preis weitere leistungsbezogene Zuschlagskriterien aufgestellt werden“.
Der DAV verweist insbesondere darauf, dass der Auftraggeber nach der VOL/A von den Bietern Muster und Proben fordern könne. So könne z.B. auch ein Auszug der Schulung- oder Seminarunterlagen, ein Probevortrag und ähnliches verlangt werden.
Nun, grau ist alle Theorie. Trotzdem erscheint der Vorschlag des BMAS wenig aussichtsreich, ohne damit eine systemwidrige Ausnahme zu schaffen. Und wer im System der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien erstmal anfängt, Ausnahmen zuzulassen, wird sich sehr bald neuen Forderungen nach weiteren Ausnahmen gegenüber sehen. Will man kein Faß aufmachen, wird man daher den Vorschlag des BMAS besser wieder in der Schublade verschwinden lassen. Bei allem Verständnis.
Die vollständige Stellungnahme des Ausschuss Vergaberecht im DAV finden Sie als PDF-Dokument hier.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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