Fällt die Entscheidung, sich um öffentliche Aufträge zu bemühen, steht sicherlich zunächst die Frage im Vordergrund: Wie komme ich an relevante Ausschreibungen und wie beteilige ich mich möglichst erfolgreich daran. Mit Blick auf eine erfolgreiche Teilnahme und Durchführung des Auftrages verdienen jedoch auch die relevanten Vorschriften des öffentlichen Preisrechts besondere Beachtung. Der nachfolgende Gastbeitrag gibt eine Einführung in diese schwierige Thematik. (Anmk. der Red.)
Im Mittelpunkt steht hier die Verordnung PR Nr 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR 30/53). Grundidee dieser Verordnung war, wie es in ihrer Eingangsformel heißt, „marktwirtschaftliche Grundsätze auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens verstärkt durchzusetzen“.
In ihrem Einzelregelungen ist sie sowohl für den öffentlichen Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer verbindlich und soll damit dazu beitragen, in einem besonderen Markt einseitigen Machtmissbrauch zu verhindern. Öffentliche Aufträge im Sinne dieser Verordnung sind dabei Aufträge des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts an Unternehmen der privaten Wirtschaft.
Marktpreise haben Vorzug
Gemäß VO PR 30/53 ist bei der Vereinbarung von Preisen grundsätzlich Marktpreisen der Vorzug zu geben – sofern eine ordentliche Ausschreibung ein wirtschaftliches Ergebnis aufgrund eines marktfähigen Wettbewerbs und damit marktgängige Leistungen ergibt. Was marktgängige Leistungen betrifft, gibt es in den VO PR 30/53 keine eindeutige Definition. Anhaltspunkte findet man dazu lediglich in den Durchführungsbestimmungen. Im Ersten Runderlass vom 22.12.1953 heißt es dazu u.a.:
„Marktgängige Leistungen sind Leistungen, die allgemein im wirtschaftlichen Verkehr hergestellt oder gehandelt werden.“
Die Richtlinien für öffentliche Auftraggeber zur Anwendung der VO PR 30/53 in der Fassung vom 6.3.1961, geändert am 18.7.1962, stellen einigermaßen klar:
„Die marktgängige Leistung muss von mehreren unabhängig im Wettbewerb stehenden Unternehmen angeboten werden.“
Hier bleibt aber die Frage offen, wie viel „mehrere“ Unternehmen es sein müssen. Wenn sich die Ausschreibung von vornherein nur an einen eingeschränkten Bieterkreis richtet, es sich z.B. um eine freihändige Vergabe oder beschränkte Ausschreibung handelt, kann man nicht zwingend von marktgängigen Leistungen ausgehen. Der bereits erwähnte Erste Runderlass aus 1953 sagt zwar „Freihändige Vergabe besagt nicht, dass Selbstkostenpreise anzuwenden sind.“ Aber das bedeutet auch, dass es auf den Einzelfall ankommt.
Markt vorhanden?
Bei Leistungen, für die es tatsächlich keinen Markt gibt – wie z.B. im Verteidigungsbereich (im engen Sinne) oder bei innovativen Lösungen – ist die Beurteilung einfach. Bei handwerklichen Leistungen wird es im Gegenzug wohl grundsätzlich einen Markt geben.
In eine „Grauzone“ fallen jedoch nicht frei und allgemein verfügbare „Lösungen“. Regelmäßig häufig wird auch bei Dienstleistungen davon ausgegangen, dass keine marktgängige Leistung vorliegt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Marktforschung. Außerdem sind Fälle denkbar und durchaus üblich, bei denen eine grundsätzliche Feststellung der Preisprüfbehörden vorliegt, dass z.B. die Stundensätze des Unternehmens nicht marktgängig sind.
Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten
Und immer dann kommt es zur Anwendung der spezifischen Vorschriften der VO PR 30/53 und der Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten (LSP). Deren Prinzip der kostenorientierten Kalkulation soll – vom Urgedanken her – den öffentlichen Auftraggeber vor überzogenen Preisforderungen eines Angebotsmonopolisten schützen. Als Ersatz für eine wettbewerbliche Preisbildung erfolgt also eine Preisbildung aufgrund von Selbstkosten nach den Vorschriften der LSP. Hier kommen drei Preistypen zur Anwendung – prioritär geordnet als sog. „Preistreppe“. Je nach Kalkulationsmöglichkeit wird zwischen Selbstkostenfest-, -richt- und –erstattungspreis unterschieden.
Selbstkostenpreise sind möglichst als Selbstkostenfestpreise zu vereinbaren – so schreibt es die VO PR 30/53 vor. Der Selbstkostenfestpreis beruht auf einer Vorkalkulation, die spätestens bei Vertragsabschluss bzw. unmittelbar danach als Auftragspreis festzulegen ist.
Kann ein Selbstkostenfestpreis nicht festgestellt werden, weil z.B. die Kalkulationsgrundlagen vorvertraglich noch nicht hinreichend überschaubar sind, ist dem Preis auf der zweiten Stufe der Preistreppe, nämlich dem Selbstkostenrichtpreis, der Vorzug zu geben. Es handelt sich dabei um einen vertraglich fixierten vorläufigen Selbstkostenpreis, der vor Beendigung des Auftrages, sobald die Kalkulationsgrundlagen überschaubar sind, in einen Selbstkostenfestpreis umgewandelt werden muss. Basis für die Preisfestsetzung beim Vertragsschluss ist eine Vorkalkulation des Auftragnehmers. Zum Zeitpunkt der Umwandlung erfolgt eine Abrechnung der bisherigen und eine Kalkulation der zukünftigen Aufwendungen. Ergebnis ist die endgültige Festsetzung des Preistyps und der Auftragshöhe.
Selbstkostenerstattungspreise schließlich dürfen nur vertraglich fixiert und vereinbart werden, wenn keine andere Preisermittlung möglich ist – also wenn z.B. auch während des Auftrages nicht von zuverlässigen Kalkulationsgrundlagen ausgegangen werden kann. Auch hier wird der Preis beim Vertragsschluss aufgrund einer Vorkalkulation des Auftragnehmers festgesetzt. Gleichzeitig wird jedoch bestimmt, dass sich die endgültige Höhe der Auftragssumme aus einer Abrechnung und Prüfung der tatsächlich entstandenen und preisrechtlich zulässigen Selbstkosten ergibt.
Sowohl beim Selbstkostenrichtpreis als auch beim Selbstkostenerstattungspreis kommt es also zu einer Neufestsetzung der Auftragshöhe nach Vertragsschluss. Eine nachträgliche Erhöhung der Auftragssumme ist jedoch so gut wie ausgeschlossen, da die Höhe der erstattungsfähigen Kosten beinahe regelmäßig auf den vertraglich vereinbarten Preis begrenzt ist. Diese beiden Preistypen können folglich lediglich zu einer Reduzierung des ursprünglichen Preises führen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Interessen des Auftraggebers und des Auftragnehmers bei der Festsetzung des Preistyps unterschiedlich gelagert sind. Der Auftragnehmer wird den Selbstkostenfestpreis favorisieren, weil er damit lediglich eine Vorkalkulation zur Prüfung vorlegen muss. Der Auftraggeber hingegen wird – getrieben vom Sicherheitsdenken – oftmals versuchen, einen Selbstkostenerstattungspreis zu vereinbaren.
Wenn sich bei entsprechenden Meinungsverschiedenheiten die beiden Beteiligten nicht einigen können, kann einer der beiden die zuständige Preisprüfbehörde einschalten, die den Preistyp dann verbindlich festsetzt. Dies kann auch noch nach Abschluss des Auftrages geschehen.
Preisprüfung
Stichwort Preisprüfbehörde: bis zu fünf Jahren nach dem Abschluss des Auftrages hat der Auftraggeber schließlich noch das Recht, eine Preisprüfung zu beantragen. Preisprüffähig sind grundsätzlich alle Preistypen, wobei sich die Prüfungen in der Praxis eindeutig auf Selbstkostenricht- und –erstattungspreise konzentrieren.
Die Prüfung von Marktpreisen, die sich nur auf die Vereinbarkeit mit der VOL beziehen würde, ist kaum noch üblich. Eine Prüfung von Selbstkostenfestpreisen, die sich ausschließlich auf die Prüfung der Vorkalkulation erstreckt, wird auch nur noch in seltenen Fällen durchgeführt. Weitaus häufiger ist die Prüfung der anderen beiden Selbstkostenpreise. Bei dieser Prüfung handelt es sich dann beinahe ausschließlich um Kostenprüfungen und darum, ob die abgerechneten Kosten mit den Kalkulationsvorschriften der LSP vereinbar sind. Dort sind die Bestandteile der Selbstkosten aufgeführt, die in der Preisprüfung akzeptiert werden und zu denen z.B. auch – anders als im betrieblichen Rechnungswesen – ein kalkulatorischer Gewinnzuschlag gehört. Eingebürgert hat sich dafür – ohne dass es in der LSP erwähnt wird – ein Zuschlag von ca. 5 %; höchstens aber 6,5 %.
Daraus folgt, dass die Preisprüfung bereits hier zu einem anderen Ergebnis als in der betriebswirtschaftlichen „Wirklichkeit“ kommen wird. Diese Abweichung wird bei der betriebsüblichen Verrechnung von Leistungen und dem Ansatz von Stundenverrechnungssätzen noch größer. Die LSP schreiben ein geordnetes Rechnungswesen vor, das jederzeit die Feststellung und Abstimmung der Kosten und Leistungen ermöglicht. Geprüft wird dies mit einer sog. Grundsatzprüfung, welche speziell auch die Feststellung der preisrechtlich erlaubten Stundensätze im Focus hat. Die zentrale Frage also ist: haben wirklich alle betriebswirtschaftlich verrechneten Positionen auch vor dem öffentlichen Preisrecht Bestand?
„Preisunterschiede“
Das Ergebnis wird Abweichungen ergeben – das ist sicher. Und diese können sich in beide Richtungen ergeben. Stellt der Preisprüfer einen höheren Preis als den vertraglich vereinbarten fest, bedeutet dies nicht, dass sich das Unternehmen auf eine Nachzahlung freuen darf, da die Selbstkostenpreise – wie oben bereits erwähnt – beinahe regelmäßig vertraglich höchstbegrenzt sind.
Im anderen Fall wird aber der niedrigere festgestellte Preis als korrigierte Auftragssumme festgesetzt und das Unternehmen muss die Differenz an den Auftraggeber zurückzahlen – egal ob dieser Auftrag betriebswirtschaftlich gesehen erfolgreich war oder nicht. Erschwerend kommt oft hinzu, dass bestimmte Kalkulationsposition nur begrenzt oder überhaupt nicht mit anderen Positionen austauschbar sind.
Controlling
Betriebswirtschaftlich gesehen besteht zwischen Selbstkosten und Verkaufspreisen kein funktionaler Zusammenhang. Unternehmen müssen über Ihre Preise zumindest Vollkostendeckung erzielen, um langfristig am Markt bestehen zu können. Dies kann in Einzelfällen zu einem Konflikt mit den erzielbaren Preisen für öffentliche Aufträge führen – von eventuellen Rückzahlungen wegen Preisprüfungen ganz abgesehen. Es wird daher notwendig sein, kurz- und mittelfristige Preisuntergrenzen in der betrieblichen Kostenrechnung zu definieren.
Was kann das Controlling tun, um die Prüfsicherheit öffentlicher Aufträge zu stärken?
Es beginnt mit der Qualitätssicherung der Vorkalkulation, die bereits so ausgestaltet sein muss, dass sie als eine der Grundlagen für den Vertragsabschluss kein Hindernis auf dem Weg zu einer erfolgreichen Preisprüfung ist. Nächster Schritt ist, für ein ordentliches Controlling der öffentlichen Aufträge während der gesamten Laufzeit zu sorgen – immer mit Blick auf eine vorweggenommene Nachkalkulation, die den Vorschriften des öffentlichen Preisrechts nicht entgegen läuft.
Die Abwicklung der öffentlichen Aufträge ist in das bestehende betriebswirtschaftliche System zu integrieren. Das Controlling muss während der gesamten Laufzeit des öffentlichen Auftrages ein Gefühl entwickeln, wie sich – auf den Prüfzeitpunkt hochgerechnet – die Nachkalkulation, der Verwendungsnachweis und die Preisprüfung darstellen. Zur vernünftigen und optimalen Steuerung dieser Aufträge muss der Controller über sehr gutes Produkt- und Auftrags-Know-how und über Beratungskompetenz verfügen. Ein kontinuierlicher Kontakt mit dem Projektleiter bzw. fachlich Verantwortlichem – auf gleicher Augenhöhe – ist unerlässlich.
Es zahlt sich also aus, entsprechendes Know-how aufzubauen oder „einzukaufen“, sofern sich Unternehmen mehr als einmal um öffentliche Aufträge, Zuwendungen oder Fördermittel bewerben wollen.
Michael Singer beschäftigt sich seit 1988 ausführlich mit der Thematik „Öffentliches Preisrecht und Preisprüfungen“. Er veranstaltet praxisorientierte Seminare zum öffentlichen Preisrecht und berät Unternehmen vor Preisprüfungen und auf dem Weg zu prüfsicheren öffentlichen Aufträgen (https://www.singer-preispruefung.de). Außerdem ist er Mitveranstalter des Deutschen Preisrechtstags, tritt als Referent bei Tagungen und Fachseminaren auf und veröffentlicht regelmäßig einschlägige Fachbeiträge.
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