Die EU-Kommission verlangt von Deutschland Auskunft über den Stand seiner Maßnahmen zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 15.07.2010 (Az.: C-271/08). Danach haben deutsche Städte und Kommunen die Vergabe der betrieblichen Altersvorsorge ihrer kommunalen Mitarbeiter europaweit auszuschreiben. Nach Auffassung der Kommission haben die deutschen Behörden die notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung des EuGH-Urteils bislang nicht ergriffen, denn der Tarifvertrag, der Gegenstand des Urteils war, und die entsprechenden Rahmenverträge sind nach wie vor in Kraft. Erteilen die deutschen Behörden der Kommission nicht innerhalb von zwei Monaten Auskunft über die Maßnahmen zur Umsetzung des Urteils, kann diese erneut den EuGH anrufen und beantragen, dass eine Geldstrafe gegen Deutschland verhängt wird.
Sachverhalt
In einem Tarifvertrag von 2003 zwischen der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) und der Gewerkschaft ver.di (Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e.V.) ist festgelegt, dass die Entgeltumwandlung durch die kommunalen Arbeitgeber über öffentliche Zusatzversorgungseinrichtungen, Mitglieder der Sparkassen-Finanzgruppe oder Kommunalversicherer zu erfolgen hat. Auf Basis dieses Tarifvertrags haben deutsche kommunale Behörden und Betriebe Verträge über Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung ohne öffentliches Vergabeverfahren direkt an Dienstleister vergeben, die den im Tarifvertrag genannten drei Gruppen angehören. Da nach Auffassung der Kommission die Verträge dem europäischen Vergaberecht unterfallen und daher europaweit hätten ausgeschrieben werden müssen, verklagte diese Deutschland im Jahr 2007 vor dem EuGH.
Das Urteil des EuGH
Am 15.07.2010 urteilte der EuGH (Az.: C-271/08), dass Verträge über die betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer des kommunalen öffentlichen Dienstes nach dem EU-Vergaberecht nur nach unionsweiter Ausschreibung vergeben werden dürfen. Demnach stellte die in Deutschland gängige Praxis, Verträge oberhalb der Anwendungsschwelle der Richtlinie 2004/18/EG ohne Ausschreibung an die in einem Tarifvertrag genannten Altersversorgungseinrichtungen zu vergeben, einen Verstoß gegen die Richtlinie dar.
Gemäß Artikel 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union müssen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um den Urteilen des Gerichtshofs nachzukommen. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass, um den im Urteil festgestellten Verstoß abzustellen, alle von dem Urteil betroffenen Rahmenverträge zwischen den betreffenden Kommunalbehörden und Altersversorgungseinrichtungen beendet und neu ausgeschrieben werden sowie die Bestimmungen des Tarifvertrags mit dem EU-Recht in Einklang gebracht werden müssen.
Es freut sich die Versicherungsbranche
Im Rahmen einer für kommunale Arbeitnehmer tarifvertraglich festgelegten Entgeltumwandlung ist gegenwärtig die Vergabe der fraglichen Altersversorgungsverträge noch den drei genannten Gruppen von Dienstleistern vorbehalten, so dass der Großteil der Versicherer von diesem Markt ausgeschlossen bleibt. Werden die betreffenden Altersversorgungsleistungen nun in einem offenen und fairen Wettbewerb ausgeschrieben, eröffnen sich für diese somit ein völlig neuer Markt. Für den Steuerzahler, so die Kommission, damit “die Chance, bessere Dienstleistungen zu erhalten und mehr für sein Geld zu bekommen.”
Ob diese Gleichung so stimmt, wird kritisch zu prüfen sein, denn eine – bis dahin ja nicht notwendige – Vertriebsorganisation frisst bekanntermaßen einen Großteil der Rendite auf.
Korrektur nach Hinweis von Extern: Bis auf die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) verfügen die genannten anderen, insb. auch die Sparkassen, natürlich ebenfalls über eine Vertriebsorganisation.
Nach den mir vorliegenden Informationen aus der Versicherungswirtschaft, haben die Tarifparteien der öffentlichen Hand bereits im Oktober 2010 beschlossen, die bestehenden Rahmenverträge zu kündigen und als Einzelverträge fortzuführen.