Ein Plädoyer für den Einsatz von sog. Open Source Software (OSS) in der Bundesverwaltung lässt sich aus der Antwort der Bundesregierung (17/5730) auf die diesbzgl. Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündis90/Die Grünen (17/5589) nicht gerade ableiten. Die GRÜNEN hatten u.a. wissen wollen, ob die Regierung plant, die ”ohnehin bereits marktbeherrschende Stellung von Microsoft Office und Microsoft Windows weiter zu fördern, indem sie diese Software zur in der Bundesverwaltung standardisierten Software erklärt”. Anlass der Anfrage war die Rückumstellung der IT-Landschaft des Auswärtigen Amts auf Microsoft Produkte.
Nach Ansicht der Bundestagsfraktion von 90/Die Grünen stellt freie und quelloffene Software eine ”sichere, wirtschaftliche und nachhaltige Alternative zu proprietärer Software dar, die oftmals durch eine marktbeherrschende Stellung der Anbieter gekennzeichnet ist“, so die Abgeordneten in der Kleinen Anfrage.
OSS in SAGA und UfAB berücksichtigt
Die Bundesregierung unterstütze OSS ”überall dort, wo sie geeignet und wirtschaftlich ist“. Wie sie in ihrer Antwort erläutert, habe man im Rahmen des Konjunkturpakets II bei den Mitteln zur Verbesserung der IT-Organisation des Bundes im Kernbereich ”Innovation/Zukunftsfähigkeit“ auch den Einsatz von OSS gefördert, unter anderem durch den Ausbau des Kompetenzzentrums OSS.
Um in Zukunft den Einsatz offener Standards noch weiter zu fördern, sei in den vergangenen Monaten vor allem eine umfassende Aktualisierung und Überarbeitung des Grundlagenpapiers „Standards und Architekturen für E-Government Anwendungen (SAGA)“ durchgeführt worden. Das Ergebnis befinde sich derzeit in der Abstimmungsphase für einen Beschluss des Rates der IT-Beauftragten.
Außerdem seien weiter konsequent noch bestehende Vergabehindernisse abgebaut worden; so enthaltet die aktuelle Fassung der Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen (UfAB) ein eigenes Kapitel über die Beschaffung von OSS-Lösungen.
OSS “nicht zwangsläufig sicherer”
Zwar räumt die Regierung ein, dass der Einsatz freier und quelloffener Software zur Verbesserung der IT-Sicherheit beitragen kann. So könne diese Software von einer Vielzahl unabhängiger Experten auf Quellcode-Ebene analysiert werden und auch Schwachstellen, die in freier und quelloffener Software entdeckt werden, durch unabhängige Entwickler geschlossen werden sowie anfällige Software-Monokulturen vermieden werden.
“Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie in jedem Fall sicherer ist als proprietäre Software”, so die Regierung. Auch in freier und quelloffener Software würden Sicherheitslücken entdeckt. Der Einsatz von OSS könne somit nur ein Baustein in einer umfassenden Sicherheitsstrategie sein.
Gretchenfrage
Die GRÜNEN wollten wissen, ob die Regierung plane, “die ohnehin bereits marktbeherrschende Stellung von Microsoft Office und Microsoft Windows weiter zu fördern, indem sie diese Software zu in der Bundesverwaltung standardisierter Software“ erkläre. Die Antwort fällt dazu kurz und knapp aus: “Nein, die Bundesregierung plant nicht, die Stellung marktbeherrschender Unternehmen im IT-Bereich aktiv zu stärken. Es ist auch nicht geplant, Lösungen solcher Hersteller formal in den Rang eines Standards zu erheben.”
Umbau der IT-Dienstleistungszentren des Bundes
Im Zuge der weiteren Umsetzung des Kabinettsbeschlusses IT-Steuerung Bund plane die Regierung die IT-Dienstleistungszentren des Bundes (DLZ-IT) weiter so auszubauen, dass diese auch ressortübergreifend IT-Dienstleistungen anbieten können. “Dies wird notwendigerweise zu Umstrukturierungen besonders in den DLZ-IT selbst, aber auch in Behörden führen, die diese Leistungen künftig beziehen werden”, so die Regierung. Gegenwärtig gäbe es dazu aber keine resssortübergreifenden Planungen. OSS-Lösungen dürften “dabei nicht grundsätzlich benachteiligt werden” – was nicht gerade nach der Absicht klingt, diese verstärkt zu berücksichtigen.
Unzufriedene Nutzer im AA
Anlass der Kleinen Anfrage war die bekannt gewordene Rückumstellung des Auswärtigen Amts (AA) – einst Vorzeigebehörde in Sachen OSS – hin zu Microsoft-Windows, -Office und –Outlook auf den Arbeitsplatzrechnern der Mitarbeiter. Gefragt nach den Gründen führt die Regierung aus, dass “nachdem sich im Juli 2010 abzeichnete, dass aufgrund von Ressourcen- und Zeitproblemen eine quelloffene Bundesdistribution nicht realisiert werden konnte, von der Hausleitung des Auswärtigen Amts die Konsolidierung der Arbeitsplatzinfrastruktur entschieden [wurde].” Dabei habe auch eine Rolle gespielt, dass es bei der Mail-, Office-, und Groupware-Software “erhebliche Beschwerden der Nutzer hinsichtlich Bedienbarkeit, Anwenderfreundlichkeit, fehlender Integration und mangelhafter Interoperabilität” gegeben habe, “die auf Basis verfügbarer quelloffener Software nicht zufriedenstellend gelöst werden konnten.”
Im Hinblick auf diese Entwicklung habe auch das betraute Beratungsunternehmen die Migration der Arbeitsplatzrechner auf Windows 7 empfohlen.
Na, wenn es die Berater gesagt haben, dann wird es schon so sein.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
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