Die brasilianische Stadt Recife hat heute den Reinhard Mohn Preis 2011 für Bürgerbeteiligung erhalten. Liz Mohn (2. v. r.) überreichte im Rahmen einer Festveranstaltung mit über 500 geladenen Gästen in Gütersloh dem Bürgermeister (2. v. l.) der Millionenmetropole die mit 150.000 Euro dotierte Auszeichnung. Besonders herausragend bei dem vorbildlichen Beteiligungsprojekt sind Bürgerhaushalte, die den Einwohnern von Recife umfassende Entscheidungskompetenzen einräumen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt die Festrede.
„Die Stadt Recife zeigt mit ihrem Beteiligungsprojekt, wie die Distanz zwischen Politik und Bürgern durch weitreichende Kooperation und Beteiligung abgebaut werden kann“, sagte Dr. Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. „Das Konzept ergänzt die repräsentative Demokratie, weil die Bürger in Recife direkt und zugleich mit dem Stadtrat gemeinsam entscheiden. Ein beispielhaftes Modell für das Miteinander von Bürgern und Staat, das den Ideen Reinhard Mohns in hohem Maße entspricht.“
Zahlreiche Partizipationsmöglichkeiten
Bereits seit 2001 werden die Bürger Recifes in umfangreichem Maße in die Weiterentwicklung ihrer Stadt eingebunden. Mehr als 100.000 Erwachsene und Jugendliche beteiligen sich jedes Jahr an Versammlungen und über das Internet, bringen Vorschläge für städtebauliche Maßnahmen ein, begleiten sie in der Umsetzung und bestimmen Prioritäten in verschiedenen Politikbereichen. Die Stadt verfolgt dabei konsequent den Weg, vor Ort zu sein und die Verantwortung mit ihren Bürgern zu teilen. Dazu hat sie ein umfassendes Netzwerk aus Haupt- und Ehrenamtlichen aufgebaut, das die Bürger das ganze Jahr über bei Entscheidungen und deren Umsetzung einbindet.
Die Preisträgerin
Recife ist die Hauptstadt des Bundeslandes Pernambuco an der Nordostküste Brasiliens und hat rund 1,7 Millionen Einwohner. Lange Strände mit prächtigen Bauten stehen in Recife Slumgebieten gegenüber, in denen mehr als 50 Prozent der Bevölkerung leben; Gegensätze, wie sie sich in Brasilien oftmals finden lassen.
Umdenken in den 90er Jahren
Der Grundstein für die Bürgerbeteiligung in Recife wurde in den 1990er Jahren gelegt. Nach 20 Jahren Militärdiktatur sollte die Demokratie im ganzen Land einkehren und sorgte dabei auch in Recife für eine politische Neuausrichtung. Die Bevölkerung verband mit diesem Umschwung jedoch Erwartungen an die Verbesserung ihrer Lebensqualität, die mit den knappen finanziellen Mitteln des städtischen Haushalts nicht umzusetzen waren. In Recife wurde daher zuerst 1993 der Versuch unternommen, die Bürger direkter in die Entscheidungen einzubinden – und damit sowohl zur Aufklärung über die Problemlagen als auch zur Fortentwicklung der Demokratie beizutragen. Eine umfassende und nachhaltige Form der Bürgerbeteiligung hat sich jedoch erst 2001 mit dem Ansatz des „Orcamento Participativo“ (Partizipatives Budget) herausgebildet.
Der Reinhard Mohn Preis
Der Reinhard Mohn Preis ist die Fortführung des seit 1988 vergebenen Carl Bertelsmann Preises. Zu Ehren des 2009 verstorbenen Gründers der Bertelsmann Stiftung wurde er 2010 in Reinhard Mohn Preis umbenannt. Durch den Preis möchte die Bertelsmann Stiftung wichtige gesellschaftliche Herausforderungen benennen und Lösungsmöglichkeiten identifizieren.
„Demokratie vitalisieren – politische Teilhabe stärken“
Unter dem Titel „Demokratie vitalisieren – politische Teilhabe stärken“ hatte die Bertelsmann Stiftung für den Reinhard Mohn Preis 2011 weltweit nach staatlichen Institutionen gesucht, denen es gelungen ist, Bürger erfolgreich an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Beworben hatten sich 123 Institutionen und Kommunen. Von den sieben Finalisten bekam der Bürgerhaushalt in Recife bei einer Online-Abstimmung die meisten Stimmen.
Aus den vielen guten Worten, die im Rahmen der heutigen Festveranstaltung in Gütersloh gesprochen wurden, brachte es Dr. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung und verantwortlich für die diesjährige Preisverleihung auf den Punkt: “Wer heute nicht in Bürgerbeteiligung investiert, wird später teuer zu reparieren haben.”
Quelle u.a.: Bertelsmann-Stiftung
Über die Bertelsmann Stiftung:
Die Bertelsmann Stiftung setzt sich für das Gemeinwohl ein. Sie engagiert sich in den Bereichen Bildung, Wirtschaft und Soziales, Gesundheit sowie internationale Verständigung und fördert das friedliche Miteinander der Kulturen. Durch ihr gesellschaftliches Engagement will sie alle Bürger ermutigen, sich ebenfalls für das Gemeinwohl einzusetzen. Die 1977 von Reinhard Mohn gegründete, gemeinnützige Einrichtung hält die Mehrheit der Kapitalanteile der Bertelsmann AG. Die Bertelsmann Stiftung ist unabhängig vom Unternehmen und parteipolitisch neutral. Im laufenden Geschäftsjahr verfügt die Bertelsmann Stiftung mit ihren 316 Mitarbeitern über einen Etat von rund 60 Millionen Euro.
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