Bei vielen der großen Krankenkassen laufen die im Wettbewerb vergebenen Rabattverträge für umsatzstarke Medikamente demnächst aus. Die AOK z.B. meldet, dass sie ihre bislang umfangreichste Ausschreibung (AOK VII) an den Markt geben will, in der einige sehr umsatzstarke Wirkstoffe wie Pantoprazol erneut ausgeschrieben werden.
Die AOKen schreiben, obwohl es sich um jeweils selbständige Krankenkassen mit regionalem Bezug handelt, ihre Rabattverträge gemeinsam aus, teilen aber die Verträge in (diesmal acht) Regionallose auf. Für jedes Los wird (und wurde in der Vergangenheit) nur ein Vertragspartner gewählt – angesichts der rechtlichen Unsicherheiten des 3-Partnermodells ein Ansatz mit Zukunft.
Die bereits siebte Tranche der bundesweiten Verträge wurde am 27. August 2011 im EU-Amtsblatt europaweit ausgeschrieben (TED). Sie umfasst 105 Wirkstoffe/Wirkstoffkombinationen mit einem jährlichen Umsatzvolumen von mehr als zwei Milliarden Euro. Die Verträge sollen am 1. April 2012 starten und über zwei Jahre laufen. Zu den umsatzstärksten Wirkstoffen der neuen Ausschreibung zählen der Magensäurehemmer Pantoprazol oder das Neuroleptikum Olanzapin. Die AOKen rechnen mit Einsparungen in Höhe von 600 Millionen Euro (ingesamt für alle von ihr geschlossenen Rabattverträge im Jahr 2012).
Die AOKen haben ihre Modalitäten diesmal insoweit geändert, dass Unternehmen auch Produkte anbieten dürfen, die sie bisher noch nicht im Sortiment haben – dies war etwa bei der Techniker Krankenkasse schon länger möglich. Angesichts der Probleme der AOKen mit lieferunfähigen Rabattvertragspartnern (und in der Folge mit sich als wenig vertrauenswürdig erweisenden Apothekern) überrascht dies aber, da so der Zuschlag auch auf ein Unternehmen fallen könnte, dass die Produktionskette erst noch aufbauen muss. Da es sich bei den AOKen gemeinsam um den bei weitem größten Abnehmer handelt und keine eine Loslimitierung vorgesehen wurde, kann und muss der Losgewinner mit einer erheblichen Nachfragesteigerung rechnen, die seine Produktionskapazitäten erheblich fordern kann.
Bei der neuen Ausschreibung wurde zudem auf die Rabattstaffeln verzichtet, die bei der AOK VI erfolgreich angegriffen worden waren – das Vergabeblog berichtete. Die Zahl der Gebietslose erhöht sich von sieben auf acht – vermutlich reagieren die AOKen damit auf Kritik an der Bündelung ihrer beträchtlichen Marktmacht.
Der Branchenverband der Generikaanbieter, ProGenerika, rügt, dass auch Wirkstoffe von der Ausschreibung umfasst seien, bei denen der Patentschutz noch gar nicht abgelaufen sei, sondern erst während der Vertragslaufzeit entfalle. Damit zementiere die AOK die Führungsstellung des Originalherstellers und lasse den Generikaanbietern keine Möglichkeit, selbst anzubieten. Inwieweit sich die AOK patentgeschützte Wirkstoffe anbieten lässt, konnte Vergabeblog.de nicht prüfen.
Für die Krankenkassen ist die Phase unmittelbar nach dem Entfall des Patentschutzes wirtschaftlich ausgesprochen schwierig. Da die Generikahersteller ihre Produktionsprozesse erst aufbauen müssen, fällt in der Regel der Preis für diese Wirkstoffe von einem sehr hohen Niveau aus rapide. Rabattverträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren sind in dieser Phase oft nicht wirtschaftlich. Es ist daher durchaus denkbar, dass die AOKen hier ein neues Modell ausprobieren mit dem rapiden Preisverfall umzugehen.
Mit großer Spannung wird erwartet, wie jene Krankenkassen ihre Ausschreibungen gestalten werden, die bisher das 3-Partner-Modell gewählt haben. Bis das OLG Düsseldorf über dieses Modell entschieden hat, ist es ausgesprochen riskant, mit einem 3-Partnermodell an den Markt zu gehen; immerhin kann ein potenzieller Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Erfolg vor der VK Bund hoffen. Zudem haben auch die Apotheker das ihre dazu beigetragen, dem 3-Partner-Modell einen harten Schlag zu versetzen. Als die AOK den Rabatt für über 30.000 Packungen eines rabattierten Medikaments dem Hersteller in Rechnung stellen wollte, wurde bekannt, dass dieser bisher vollständig lieferunfähig war. Deutlich über 1000 Apotheker hatten – wohl aus Angst vor Retaxierung – wahrheitswidrig in über 30.000 Fällen angegeben, dass Rabattarzneimittel abgegeben zu haben. Die AOK hält die Zahlen nur für „die Spitze des Eisberges“ und hat angekündigt, Strafanzeige zu stellen. Sie sieht sich nicht nur als Opfer von massenhaftem Abrechnungsbetrug, sondern auch die Arzneimittelsicherheit gefährdet, denn es ist völlig unklar, was die Versicherten stattdessen erhalten haben. Damit ist fraglich geworden, ob das 3-Partner-Modell, bei dem der Apotheker zwischen den drei Rabattpartnern das für den Versicherten beste auswählt, noch eine Zukunft hat.
Aber selbst wenn das OLG Düsseldorf die Bedenken der VK Bund am 3-Partner-Modell nicht teilen sollte, dürften die nächsten Ausschreibungen auch dieser Kassen ein 1-Partner-Modell sein. Denn wenn – wie oben erwähnt – die umsatzstarken Medikamente ausgeschrieben werden, können die durch ein Nachprüfungsverfahren entstehenden Verzögerungen die gesetzlichen Krankenkassen Millionen Euro an Einsparungen kosten.
Eine Renaissance des 1-Partner-Modells ist daher – zumindest bis das OLG Düsseldorf entschieden hat – sehr wahrscheinlich.
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