Am 7. Dezember trafen sich die Beteiligten des Projekts XVergabe auf Einladung des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Innern, dass die Projektleitung inne hat, in der Scharnhorststraße im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Berlin (Foto oben). Es wurden die erreichten Meilensteine vorgestellt und verabschiedet.
Das Problem
Auch nach 10 Jahren eVergabe liegt diese nach wie vor bei nur rund 4 % echter, d.h. vollelektronischer Angebotsabgabe in Deutschland. Man erinnere sich an das einst von der EU Kommission gesteckte Ziel, Ende 2010 die eVergabe in allen Fällen möglich zu machen und zumindest 50 % aller Ausschreibungen tatsächlich auf elektronischem Wege abzuwickeln. Als eines der zentralen Hemmnisse aus Bietersicht wird die Vielzahl an verschiedenen eVergabe-Plattformen auf Bundes, Landes- und kommunaler Ebene ausgemacht. Da die kleine Schar der dahinter stehenden Lösungsanbieter im unmittelbaren Wettbewerb zueinander steht, ist zudem die Schaffung von Schnittstellen zum Datenaustausch untereinander alles andere als nahe liegend.
XVergabe
Bereits 2007 wurde daher das Projekt XVergabe im Rahmen der Standardisierungsinitiative XÖV als zentrales Vorhaben von Deutschland Online (vergleichbar XBau, XFinanz oder XJustiz) gegründet. Ziel war und ist die Schaffung von eVergabe-Plattform übergreifenden Daten- und Austauschprozessstandards, Fernziel ein darauf basierender einheitlicher Bieterclient, der es den Bietern ermöglicht, mit nur einer Anwendung alle eVergabe-Plattformen zu nutzen.
Die Federführung des Projekts obliegt dem Beschaffungsamt des BMI, dem Land NRW und dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Da der eVergabeprozess mehrere Komponenten und damit interoperable Hürden beinhaltet, wurden im Rahmen des Projekts mehrere eigenständige Arbeitsgruppen (AGs) gebildet, die AG Bekanntmachung, die AG Vergabeunterlagen und die AG Schnittstelle.
Deren Ergebnissen wurden in der Sitzung vergangene Woche von der sog. “Abstimmungsinstanz” des Projekts freigegeben. Der gehören die Beschafferseite (Bund, Länder, Kommunen), Wirtschaftsverbände (z.B. BDI und BITKOM) sowie alle relevanten eVergabe-Plattformbetreiber und -Lösungsanbieter an.
Projektstand: 2 von 3 erfüllt
Projektleiter Marc-Christopher Schmidt (Foto links, Interview hier) vom Beschaffungsamt stellte den aktuellen Zielerreichungsgrad des Projekts XVergabe vor: Die “AG Bekanntmachung” vermeldete als erste bereits im Mai 2010 Vollzug: Man erarbeitete ein XML-Schema und einen Web-Services für den eVergabe-Plattform übergreifenden Austausch von Bekanntmachungen, welches zudem kompatibel zur Bekanntmachungsplattform auf bund.de ist. Hintergrund war nicht zuletzt der neue § 12 VOL/A, wonach sicher zu stellen ist, dass Bekanntmachungen in Internetportalen zentral über die Suchfunktion des Internetportals www.bund.de ermittelt werden können (zur damit verbundenen Diskussion siehe auch den Beitrag von Michael Wankmüller, BMWi). Nach der erfolgreichen Erprobung wurde der Standard 2011 fortgeschrieben und er liegt heute bereits in der Version 2.0 vor. Dabei ging es vor allem darum, ihn um nationale und europäische Vorinformationen sowie Bekanntmachungen über vergebene Aufträge zu erweitern.
Die “AG Schnittstelle” verfolgt das Ziel zu spezifizieren, wie eine Bieteranwendung in die Lage versetzt wird, in standardisierter Weise mit einer Vergabeplattform zu kommunizieren. Dazu soll eine technische Definition der Nachrichtenbestandteile geschaffen werden. Um den Prozess der Integration der XVergabe-Schnittstelle in die existierenden elektronischen Vergabelösungen zu unterstützen, stellte das Beschaffungsamt des BMI in diesem Jahr einen einmaligen Förderbetrag iHv 330.000 € bereit. Erfreulicherweise ließ sich nun in Berlin vermelden: Die Mehrzahl der für eine eVergabe relevanten Geschäftsvorfälle wird inzwischen durch die Schnittstelle unterstützt. Und vor allem: Ein beachtlicher Teil der Lösungsanbieter hat diese bereits in ihre Software implementiert.
Das mit der “AG Vergabeunterlagen” verfolgte Ziel der technischen Harmonisierung von Vergabeunterlagen, um so eine automatisierte und medienbruchfreie Weiterverarbeitung auf Bieter- wie Beschafferseite zu ermöglichen, darf man getrost als das anspruchsvollste bezeichnen. Es verwundert daher nicht, dass es hier für alle Beteiligten noch am meisten zu tun gibt. Erste Entwürfe eines XML Schemas zur Definition der Informationsbausteine sowie eines XML-Schemas zur Anwendung der Informationsbausteine wurden entwickelt. Die Teilnehmer haben sich darauf verständigt, gemeinsam weitere Informationsbausteine zu erarbeiten.
Nachfolgend Dr. Heiko Schinzer, Vorstand des eVergabe-Softwareanbieters Administration Intelligence (AI), unmittelbar nach der Sitzung:
Ruf aus Brüssel
Inzwischen ist die EU-Kommission auf eVergabe Made-in-Germany aufmerksam geworden: Marc-Christopher Schmidt wurde im September nach Brüssel eingeladen, um die Ergebnisse der AG Schnittstelle als eines von drei „Best Practices“ den EU-Mitgliedsstaaten vorzustellen. Denn auf EU-Ebene wurde bislang keine Lösung für die vielen unterschiedlichen Schnittstellen zwischen Bieteranwendungen und eVergabe-Plattformen gefunden.
Ausblick
Die technischen Herausforderungen der XVergabe sind hoch genug. Noch schwerer wiegen allerdings die Hürden, die angesichts der extrem heterogenen und dabei im Wettbewerb stehenden Landschaft aus eVergabe-Lösungsanbietern bzw. –Plattformbetreibern bestehen. Für diese bedeutet Unterschiedlichkeit und Inkompatibilität vor allem auch Abgrenzung untereinander. “Ohne die sehr konstruktive Zusammenarbeit mit und unter den Lösungsanbietern wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen”, so Schmidt. Man darf ihm getrost Anerkennung dafür zollen, dass er es mit Ausdauer und Feingefühl geschafft hat, diese mit auf den Weg zu einem einheitlichen Bieterclient zu nehmen. Davon werden vor allem KMUs profitieren.
Alle Standards nützen freilich nichts, ohne dass sie tatsächlich gelebt werden. Auf der Sitzung in Berlin sprachen sich die Teilnehmer dafür aus, dass die Projektverantwortlichen bei den zuständigen Stellen für eine Überführung der Ergebnisse in den produktiven Betrieb werben. Eine Vorstellung der Ergebnisse ist auch auf der CeBIT 2012 geplant. Edda Peters, Geschäftsführerin der subreport Verlage Schawe GmbH, eine der großen eVergabe-Plattformen, blickte nach der Sitzung optimistisch, aber auch bestimmt in die Zukunft:
Der Autor Marco Junk ist Rechtsanwalt und war bis 2011 als Bereichsleiter Vergaberecht beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) Mitglied im DVAL und im Beraterkreis eVergabe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Er ist Herausgeber des Vergabeblog und leitet seit März 2011 die Online-Redaktion des Verlags C. H. Beck.
Thema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.
Der Jurist Marco Junk gründete im Jahr 2007 den Vergabeblog und 2010 gemeinsam mit Dipl.-Betriebsw. Martin Mündlein das Deutsche Vergabenetzwerk (DVNW). Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2004 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und war danach als Bereichsleiter Vergaberecht beim Digitalverband bitkom tätig. Im Jahr 2011 leitete er die Online-Redaktion des Verlags C.H. Beck. Von 2012 bis 10/2014 war er Mitglied der Geschäftsleitung des bitkom und danach bis 10/2021 Geschäftsführer des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. Seit 2022 ist Marco Junk zudem als Leiter Regierungsbeziehungen für Eviden tätig. Seine Beiträge geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.
0 Kommentare