Im Vergabeblog konnten Sie bereits vorab einen Blick hinein werfen: Die EU-Kommission hat heute, am 20.12.2011, wie angekündigt ihren Entwurf der überarbeiteten EU-Vergaberichtlinien der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die von der Kommission heute angekündigte Überarbeitung der öffentlichen Auftragsvergabe ist Teil eines Gesamtpakets, mit dem die öffentliche Auftragsvergabe in der Europäischen Union tiefgreifend modernisiert werden soll. Dazu gehört erstmals auch eine Richtlinie über Konzessionen. In Zeiten der Haushaltsbeschränkungen und der wirtschaftlichen Krise in den meisten Mitgliedstaaten müsse die Politik der öffentlichen Auftragsvergabe mehr denn je eine optimale Verwendung der öffentlichen Mittel sicherstellen, heißt es in einer Pressemitteilung der Kommission. Und weiter:
“Angesichts der aktuellen Haushaltszwänge ist eine wirksame öffentliche Auftragsvergabe für alle Mitgliedstaaten in der Tat eine Priorität geworden. Deshalb ist es erforderlich, über ein flexibles und benutzerfreundliches Instrumentarium zu verfügen, das den Behörden und Lieferanten in Europa eine transparente und wettbewerblich organisierte Auftragsvergabe so leicht wie möglich macht, um Beschaffungen zum besten Preis-Leistungs-Verhältnis („value for money“) zu tätigen”.
Dem Reformvorschlag vorangegangen war das Grünbuch der Kommission mit einer breit angelegten öffentlichen Konsultation sowie ein ganzes Bündel von Studien zum öffentlichen Auftragswesen. Dabei verfolgt die Kommission mit der Novelle vor primär drei Ziele:
1. Vereinfachung und Flexibilisierung der Vergaberegeln und –verfahren
– durch die Möglichkeit eines verstärkten Rückgriffs auf Verhandlungen, die den Vergabestellen eine besser an ihre Bedürfnisse angepasste Beschaffung von Lieferungen und Dienstleistungen zum besten Preis ermöglicht,
– die Ausweitung und mittelfristig allgemeine Nutzung elektronischer Mittel als Kommunikationsmittel bei öffentlichen Aufträgen, um die öffentliche Auftragsvergabe zu vereinfachen,
– eine drastische Verringerung der administrativen Belastungen, insb. auch hinsichtlich der von den Bietern beizubringenden Unterlagen.
2. Förderung des Zugangs der KMU zu öffentlichen Aufträgen durch
– durch Maßnahmen zur Verringerung der Verwaltungslast,
– einen „starken Anreiz für die Auftragsvergabe an KMU“,
– sowie Beschränkungen in Bezug auf die für die Einreichung eines Angebots erforderlichen Finanzkraft.
3. Einbeziehung von sozialen und Umweltkriterien zur „besseren qualitativen Verwendung“ der öffentlichen Auftragsvergabe
– durch Berücksichtigung von z.B. Lebenszykluskosten,
– oder der Eingliederung schutzbedürftiger und benachteiligter Personen.
Weitere Ziele
– Verbesserungen der bestehenden Garantien zur Behebung von Interessenkonflikten und Bekämpfung von Günstlingswirtschaft und Korruption,
– Bestellung einer einzigen nationalen Behörde in jedem Mitgliedstaat, die für die Beaufsichtigung, Ausführung und Kontrolle der öffentlichen Aufträge zuständig ist, um eine bessere Anwendung der Regeln vor Ort sicherzustellen.
Richtlinie über Konzessionen
Diese soll den europäischen Rechtsrahmens für die öffentliche Auftragsvergabe vervollständigen. Der Richtlinienvorschlag über Konzessionen deckt Partnerschaftsabkommen zwischen einer in der Regel öffentlichen Stelle und einem oftmals privaten Unternehmen in Fällen ab, in denen letzteres das Betriebsrisiko für die Wartung und Entwicklung von Infrastrukturen übernimmt (Häfen, Wasserversorgung, Parkhäuser, gebührenpflichtige Autobahnen usw.) oder aber Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringt (Energie, Gesundheitswesen, Wasserversorgung und -behandlung, Abfallbeseitigung usw.).
Die Richtlinie fände auch auf Dienstleistungskonzessionen Anwendung, die bislang nicht unter das abgeleitete Recht fallen. Die vorgeschlagenen Regeln sollen einen klaren Rechtsrahmen schaffen, der die erforderliche Rechtssicherheit gewährleistet, die öffentliche Auftraggeber bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben benötigen. Sie sollen einen wirksamen Zugang aller europäischen Unternehmen zum Konzessionsmarkt gewährleisten, einschließlich KMU. Auch könnten sie so den Ausbau öffentlich-privater Partnerschaften fördern, bei denen die Konzessionen ein privilegiertes Instrument sind.
Deshalb schlägt die Kommission vor, die Konzessionen obligatorisch im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Auch schlägt sie vor, die Pflichten der Vergabebehörden zu konkretisieren, was die Wahl der Auswahl- und Zuschlagskriterien betrifft, bestimmte Basisgarantien vorzuschreiben, die beim Vergabeverfahren einzuhalten sind, und die Vorteile der Richtlinie in Bezug auf den Regress auf dem Gebiet öffentlicher Aufträge auf alle Personen auszuweiten, die eine Konzession erhalten möchten, sowie Klarstellungen z. B. zum System der Änderungen von Konzessionen vorzunehmen, die derzeit ausgeführt werden.
Weiteres Verfahren
Die Vorschläge der EU-Kommission werden dem Rat und dem Europäischen Parlament übermittelt, um ein Legislativverfahren im Hinblick auf ihre Annahme zu lancieren. Dies soll noch vor Ende 2012 im Rahmen der Binnenmarktakte erfolgen.
Dokumente
Vorschlag für eine Richtlinie zum öffentlichen Auftragswesen, ersetzt Richtlinie 2004/18 (PDF-Dokument, bislang nur in englischer Sprache)
Vorschlag für eine Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energieund Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ersetzt Richtlinie 2004/17 (PDF-Dokument in deutscher Sprache)
Vorschlag für die Direktive zu Konzessionen (PDF-Dokument in deutscher Sprache)
Insbesondere in der Zeit von Wirtschaftskrise in vielen europäischen Ländern, ist dieser Entwurf der EU sehr sinnvoll und wichtig. Zum einen müssen bürokratische Hürden abgebaut werden, um auf Dauer administrative Kosten zu senken. Zum anderen, und das ist noch viel dringender, müssen verbesserte Kontrollen und Mittel gegen Korruption auf den Weg gebracht werden, die sonst auch aufgrund der schlechten wirtschaftliche Verfassung der betroffenen Länder immer weiter um sich greifen kann.