Weder Schneegestöber, glatte Straßen noch umgeleitete Flieger konnten Teilnehmer und Referenten stoppen: Mit über 120 Gästen fand am 21. Februar im Rathaus von Berlin die erste „Berliner Vergabekonferenz“ statt. Die von den bi-AusschreibungsDiensten ausgerichtete Konferenz im geschichtsträchtigen Louise-Schroeder-Saal bot mit ihrem Motto „Auftragsvergabe und Beschaffung – Aktuelle Entwicklungen, Praxis, Perspektiven“ einen thematischen Rundumschlag.
Vielleicht war deshalb schon wenige Tage nach Versenden der Einladungen die Veranstaltung bis auf den letzten Platz ausgebucht. Nach Begrüßung und Einführung durch Friedeman Kühn, Leiter eVergabe der bi medien GmbH, wünschte Staatssekretär Björn Böhning, Chef der Senatskanzlei, in Vertretung des Regierenden Bürgermeisters den Teilnehmern eine gelungene Konferenz. Er ging in seiner Rede auch auf die starke Rolle Berlins bei der Verwaltungsmodernisierung und der Förderung von sozialen Standards und Innovationen ein.
In sechs spannenden Vorträgen erhielten die Teilnehmer, vorwiegend Mitarbeiter aus Vergabestellen, praktische Informationen für ihre tägliche Arbeit. Als erste Referentin des Tages informierte RAin Anja Theurer, Geschäftsführerin der Auftragsberatungsstelle Brandenburg e.V., über die Neuerungen im Vergabegesetz Brandenburg/Berlin und ihre Anwendung. Auf neue Mindestentgelte bei der Leistungserbringung und stärkere Prüfungspflichten bei unangemessen niedrig erscheinenden Angeboten müssen sich Vergabestellen ebenso einstellen wie auf die grundsätzliche Anerkennung von Präqualifikationszertifikaten. Besonders hob Frau Theurer die neuen Wertungskriterien Umweltschutz sowie Frauen- und Ausbildungsförderung für die Auftragsvergabe hervor.
XVergabe
Was elektronische Vergabelösungen können müssen und welche Anforderungen die verschiedenen Systeme heute und in Zukunft erfüllen sollten, stellte Friedeman Kühn in seinem Praxisvortrag vor. Das bi-Entwicklerteam arbeitet, wie andere eVergabe-Lösungsanbieter auch, aktiv im Standardisierungs-Projekt XVergabe unter Federführung des Beschaffungsamtes des BMI mit, so dass diese Vergabelösungen im Einklang mit XVergabe entwickelt werden. Mit dem Projekt XVergabe werden derzeit europaweit die ersten Lösungsansätze für die notwendige Interoperabilität verschiedener eVergabe-Lösungen umgesetzt. Was mit dem Projekt bisher erreicht wurde und wie XVergabe die eVergabe zukünftig voranbringen kann, erläuterte Marc Christopher Schmidt (Bild oben), Projektleiter XVergabe vom Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern. Fragen aus dem Publikum und angeregte Gespräche im Umfeld der Veranstaltung zeigten, dass sich viele Verwaltungen bereits intensiv mit der eVergabe und der Suche nach der geeigneten Lösung beschäftigen.
RAin Dr. Bernhardine Kleinhenz von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erläuterte in ihrem Vortrag, welche vergaberechtlichen Fallstricke Zuwendungsempfänger beachten sollten, wenn mit der Bewilligung von Fördermitteln Auflagen zur Beachtung des Vergaberechts verbunden sind. Zugleich zeigte sie auf, wie Verfahrensfehler vermieden werden können, damit Fördermittel am Ende nicht zurückgegeben werden müssen. So können neben schlichten Formalverstößen – z.B. Annahme verspäteter Angebote – auch Verstöße gegen das Gebot der Fachlosvergabe oder die Wahl einer falschen Verfahrensart zur Rückforderung von Fördermittel führen. Wegen der wesentlich strengeren Prüfungen beim Einsatz von Fördermitteln sollte auf die Wahl der Verfahrensart und die Bekanntmachung der Zuschlagskriterien und deren Wertung genauso geachtet werden wie auf formale Vorgaben des Vergaberechts oder die lückenlose Dokumentation eines Verfahrens.
Nachhaltige Beschaffung
Ass. Jur. Vanessa Hübner (Bild links), Projektleiterin Buy Smart+ von der Berliner Energieagentur GmbH, zeigte anhand praktischer Beispiele, auf welche Weise eine nachhaltige und umweltverträgliche Beschaffung möglich ist. Auf die Erläuterung von rechtlichem Rahmen und Kriterien wie Lebenszykluskosten und Nutzung von Labeln stellte sie das Projekt Buy Smart+ vor, das für die umweltfreundliche Beschaffung ein breites Spektrum an Hilfsmitteln bereithält. Für verschiedene Beschaffungsthemen wie Bürogeräte, Beleuchtung, Strom, Fahrzeuge oder Haushaltsgeräte stehen nicht nur Leitfäden und Leistungsblätter, Berechnungshilfen und Beschaffungsrichtlinien zur Verfügung, sondern vor allem aktive Beratung und Schulung. Die Ausschreibungshilfen können direkt über die oben genannte Internet-Plattform erstellt werden. Dazu können erfolgreiche Projekte in ein Referenzarchiv aufgenommen werden.
Reform
Im Anschluss gab RA Oliver Lowin, Bereichsleiter Öffentliches Auftragswesen und Vergaberecht des IT-Branchenverbands BITKOM, den Teilnehmern anhand der Richtlinienvorschläge der EU-Kommission einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Vergaberechts: Neben einer neuen Richtlinie zu Konzessionen ist vor allem eine Vereinfachung und Flexibilisierung der Vergabeverfahren vorgesehen. Zudem will die Kommisson den Zugang kleiner und mittelständischer Unternehmen zu öffentlichen Aufrägen verbessern. Die Vorschläge beinhalten auch eine verstärkte Berücksichtigung einer nachhaltigen Beschaffung, beispielweise durch Wertung von Lebenszykluskosten statt Anschaffungskosten, aber auch Reformpunkte wie die Stärkung von Verhandlungsverfahren und Innovationspartnerschaften zur innovativen Beschaffung. Auch will die Kommission mit ihrem Richtlinienvorschlag die eVergabe in Europa weiter strärken. Dazu strebt sie deren verpflichtende Einführung bis 2016 an. Am Verlauf bisheriger Vergaberechtsreformen sieht man deutlich, wie ambitioniert der Zeitplan für die jetzt vorgeschlagenen Neuerungen gesteckt ist – möchte die EU-Kommission doch die Verabschiedung ihrer Legislativinitiativen bis Ende dieses Jahres erreichen.
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