Es war wahrlich eine “Große” Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/7426) zur nachhaltigen Beschaffung und den diesbzgl. Plänen der Bundesregierung, entsprechend umfangreich und dabei auffallend detailliert fällt die Antwort aus. Von Zielkonflikten, keiner Notwendigkeit einer weiteren Verrechtlichung bis zur konkreten Angabe der Anzahl in diesem Sinne fachkundiger Mitarbeiter in den Beschaffungsstellen der Bundesverwaltung – die interessantesten Fragen&Antworten haben wir für Sie zusammengestellt.
Verfügt die Bundesregierung über konkrete Zahlen und/oder Studien über entwicklungsschädliche Effekte von deutscher und europäischer öffentlicher Beschaffung in Entwicklungsländern?
„Die Bundesregierung verfügt nicht über solche Zahlen und/oder Studien. Die Bundesregierung ist sich aber dessen bewusst, dass die öffentliche Beschaffung zur Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards in Industrie- und Entwicklungsländern beitragen und damit auch entwicklungsschädliche Effekte ausschließen beziehungsweise verringern kann […] Die Beauftragung von Studien zur Messung der entwicklungsschädlichen Effekte öffentlicher Beschaffung ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht zielführend.“
Welche Zielkonflikte sieht die Bundesregierung zwischen den Entscheidungsgrundlagen der öffentlichen Beschaffung in Deutschland und entwicklungspolitischen Zielsetzungen der internationalen Gemeinschaft und Deutschlands?
„Die Bundesregierung sieht keine Zielkonflikte. § 97 Absatz 4 GWB sieht ausdrücklich vor, dass bei der Auftragsausführung soziale Aspekte im Vergabeverfahren berücksichtigt werden können, wenn diese in sachlichem Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.“
Welche „anspruchsvollen Vorgaben für einzelne Produktbereiche und ergänzende Maßnahmen“ wurden infolge des Beschlusses des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung vom 6. Dezember 2010 entwickelt (Umsetzung Nummer 6)?
„Nummer 6 des Maßnahmenprogramms Nachhaltigkeit lautet: „Zur weiteren Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung am Leitprinzip einer nachhaltigen Entwicklung werden die Bundesressorts sowie die Behörden und Dienststellen der Geschäftsbereiche […]
a) nur noch Produkte der jeweils höchsten Energieeffizienzklasse (z. B. Bürogeräte) beschaffen, sofern die Produkte das erforderliche Leistungsprofil aufweisen;
b) bei Ausschreibungen, wo dies bereits möglich ist, die Kriterien des Umweltzeichens „Blauer Engel“ verwenden; ansonsten werden die Kriterien des Europäischen Umweltzeichens, des Energy Stars oder vergleichbarer Label genutzt oder deren Standards;
c) den Anteil des Einsatzes von Recyclingpapier (z. B. für Kopierarbeiten, Briefumschläge und Druckerzeugnisse) – wo wirtschaftlich und technisch möglich – schrittweise von heute rund 70 Prozent auf mindestens 90 Prozent in 2015 steigern;
d) Einzelmaßnahmen prüfen, die sichern, dass sich das eigene Beschaffungs- und Bauwesen spätestens bis zum Jahr 2020 auch an biodiversitätserhalten den Standards (Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung) orientiert;
e) die Energieeffizienz ihrer Fuhrparks verbessern; ausgenommen sind – wo erforderlich – Sonderfahrzeuge. Bei der Beschaffung handelsüblicher Dienstwagen wird bis 2015 ein durchschnittlicher Emissionswert der Dienstwagenflotte von 130 g CO 2/km angestrebt;
f) bei geeigneten Ausschreibungen bei Bietern als Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit eine Zertifizierung nach einem Umweltmanagementsystem (EMAS und ISO 14001 oder nach gleichwertigen Standards) abfragen;
g) ihr Personal in den Vergabestellen regelmäßig im Sinne einer nachhaltigen Beschaffung weiter bilden und insbesondere in geeigneten Ausbildungsstätten wie z. B. der BAköV entsprechende Angebote einführen.“
Ist eine institutionalisierte und regelmäßige Weiterentwicklung der Kriterien für eine soziale und ökologische Beschaffung der Bundesregierung vorgesehen, und wie wird sich diese laufend auf aktuelle Entwicklungen hinsichtlich der Angebots- und Produktionssituation beziehen?
„Das geltende Vergaberecht bietet bereits sehr umfangreiche Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten bei der öffentlichen Beschaffung […] Eine stärkere Verrechtlichung bietet nicht die Gewähr dafür, dass die öffentliche Hand nachhaltig beschafft. Vordringlicher ist, die mit öffentlicher Beschaffung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesbehörden umfassend aus- und fortzubilden und ihnen Handreichungen, Leitfäden, Musterausschreibungen und andere Informationsmöglichkeiten an die Hand zu geben sowie den Austausch zur guten Praxis nachhaltiger Beschaffung zu ermöglichen.“
In wie vielen Beschaffungsstellen von Bundesministerien, Bundeskanzleramt, Kaufhaus des Bundes und nachgeordneten Behörden sind wie viele Personen tätig, die explizit Kenntnisse von der Aufnahme und Bewertung sozialer, ökologischer oder entwicklungspolitisch relevanter Kriterien in Vergabe-/Beschaffungsvorgängen haben?
0 im Auswärtigen Amt und 0 im Bundeskanzleramt, 0 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 5 im Bundesministerium für Bildung und Forschung, 24 beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 8 beim Bundesministerium für Gesundheit, 12 beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2 + 9 beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 4 beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Herausragend: Das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern mit 140 entsprechend ausgebildeten Personen.
Auffallend ist, dass das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung gleich über 500 derartig versierter Mitarbeiter verfügt. Deren Fähigkeiten bleiben aber wohl eher theoretischer Natur, denn: “Die Zielsetzung der Beschaffung in den Projektabteilungen des BWB ist einsatzfähiges Material, das der Verantwortung für Leib und Leben der Soldatinnen und Soldaten Rechnung trägt”, stellt die Bundesregierung klar.
Dazu und zu den übrigen Fragen und Antworten lesen Sie bitte die vollständige Antwort der Bundesregierung (17/9485).
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