Unerwarteter Geldsegen? Nach dem VG Halle entschied nun auch das VG Frankfurt (Urteil v. 20.08.12 – 9 K 1175/11.F), dass die übliche Besoldung nach Lebensalter bei Landesbeamten und Kommunalbeamten altersdiskriminierend und damit europarechtswidrig ist. Folge: Jüngere Beamte und Richter können mit zum Teil deutlichen Gehaltszuwächsen rechnen, die Spanne reicht in den konkreten Fällen von ca. 2.500 bis 23.000 EUR pro Jahr. Die Kläger waren Richterinnen und Richter sowie Beamte im hessischen Landesdienst.
Die Klage
Die richterlichen Kläger sind Angehörige der ordentlichen und der Arbeitsgerichtsbarkeit, der Kläger im Beamtenverhältnis ist Polizeioberkommissar in den Diensten des beklagten Landes. Die richterlichen Kläger wollen gerichtlich durchsetzen, dass ihre Besoldung in der höchsten Lebensalterstufe, erfolgt. Der Kläger im Beamtenstatus begehrt die Besoldung nach der höchsten Besoldungsstufe der Besoldungsgruppe A 10. Die Kläger haben ein Lebensalter zwischen etwa Mitte 30 und Anfang 50. Je lebensjünger ein Kläger oder eine Klägerin ist, desto größer ist die Gehaltsdifferenz, je lebensälter desto kleiner ist sie. Die Spanne reicht von etwa 2.500 Euro pro Jahr bis 23.000 Euro pro Jahr.
Die Argumentation
Die Klagen stehen im zeitlichen Zusammenhang mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom September 2011, der entschieden hatte, dass eine Regelung des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT), die aus Sicht der Kläger mit dem mit der hier im Streit stehenden Richter – und Beamtenbesoldung vergleichbar ist, gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt.
Die Klagen stehen weiterhin in zeitlichem Zusammenhang mit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BRG) vom 10.11.2011, das entschieden hatte, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden kann.
Und Gegenargumentation
Das beklagte Land sieht in den angegriffenen Regelungen keine Diskriminierung nach dem Alter – genenau betrachtet gehe es hier um Erfahrungsstufen. Selbst wenn es eine Unterscheidung nach dem Alter gebe, so sei sie gerechtfertigt. Unabhängig davon wendet sich das beklagte Land gegen eine Anpassung „nach oben“ und wendet weiterhin ein, dass die Kläger wegen ihrer Treueverpflichtung zu ihrem Dienstherren Nachzahlungsansprüche nur für das laufende Haushaltsjahr geltend machen dürften.
Die Entscheidung
Die für richterdienstrechtliche und beamtenrechtliche Verfahren zuständige 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hat den Klagen stattgegeben. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständlichen besoldungsrechtlichen Regelungen des beklagten Landes Hessen mit dem Verbot der Altersdiskriminierung im europäischen Gemeinschaftsrecht (RL 2000/78/EG) unvereinbar seien und deshalb nicht zu Lasten von Richterinnen und Richtern und Beamtinnen und Beamten angewendet werden dürften.
Das Gericht sieht in den streitgegenständlichen Besoldungsregelungen eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters und verneint die Möglichkeit, diese Benachteiligung ausnahmsweise zu rechtfertigen. Die Höhe der Besoldung in den Richterämtern der Besoldungsstufe R 1 und R 2 sei ausschließlich am Lebensalter des jeweiligen Richters bzw. der jeweiligen Richterin orientiert und verstoße daher gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Es könne insoweit auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das jeweilige konkrete Lebensalter mit einer bestimmten Erfahrungsstufe deckungsgleich sei. Das alleinige Abstellen auf das bloße Lebensalter stelle jedenfalls keinen Rechtfertigungsgrund im Sinne der Rechtsprechung des EuGH dar, der ausnahmsweise geeignet sei, eine Altersdiskriminierung zu rechtfertigen.
Soweit die einschlägigen besoldungsrechtlichen Regelungen bei dem vorliegend klagenden Polizeioberkommissar betroffen seien, stellten die Dienstaltersstufen, die Grundlage für die Festsetzung der Besoldungshöhe seien, zwar nicht unmittelbar auf das Lebensalter ab, seien jedoch im Ergebnis ebenfalls als altersdiskriminierend und damit europarechtswidrig anzusehen. Von der Möglichkeit, Besoldungsstufen im Einzelfall leistungsbezogen zu verkürzen, werde in Hessen nach den vorgelegten Auskünften nur in vernachlässigungswertem Umfang Gebrauch gemacht mit der Folge, dass der Sache nach alleine das jeweilige Lebensalter bzw. ein starrer Zeitablauf zur Grundlage für die Höhe der Besoldung gemacht werde und nicht eine an der beruflichen Erfahrung orientierte Einstufung. Dies sei als altersdiskriminierend einzustufen.
Gegen diese Urteile (Az. 9 K 1175/11.F, 9 K 5034/11. F, 9 K 5036/11.F und 9 K 8/12.F ) kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof beantragt werden. Im Internet kursieren bereits erste Ratschläge: Einstufung in die höchste Besoldungsstufe beantragen, bei zu erwartendem ablehnenden Bescheid Widerspruch einlegen.
Quelle: VG Frankfurt a.M.
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