Ein Gastbeitrag von RA Torben Schustereit, GKMP Pencereci Rechtsanwälte
Die Dienstleistungskonzession beschäftigt auch das Vergaberecht bereits seit geraumer Zeit in regelmäßigen Abständen. Dabei ist für ihre Vergabe der Rechtsweg zu den Vergabekammern und –senaten gar nicht eröffnet – meinte man. Zu den hierzu ergangenen Entscheidungen hat sich nunmehr eine neue gesellt, mit der das OLG Brandenburg Neuland betritt.
Hintergrund
Noch zu Jahresbeginn hatte der BGH bestätigt, was alle längst zu wissen schienen: Die Vergabe einer Dienstleistungskonzession ist im Wege des Vergabenachprüfungsverfahrens nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (BGH, Urt. v. 23.01.2012 – X ZB 5/11 – Beitrag im Vergabeblog von Dr. Christian P. Kokew). Mit der Frage, ob im Nachprüfungsverfahren zumindest zu prüfen sei, inwieweit die (kommunal-)rechtlichen Voraussetzungen für den Abschluss einer Dienstleistungskonzession vorlägen, hatte sich bereits das OLG Jena beschäftigt (OLG Jena, B. v. 11.12.2009 – 9 Verg 2/08). In dieser Entscheidung ging der Vergabesenat davon aus, es spiele keine Rolle, ob eine etwaige Konzession aufgrund fachrechtlicher Regelungen rechtswidrig sei. Dies ändere nichts an der Ausgestaltung des Vertrags und somit an der Einstufung als Konzession – der Weg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen sei nicht eröffnet.
Unlängst hatte jedoch das OLG Düsseldorf entschieden, dass die Zuständigkeit der Vergabesenate dann gegeben sei, wenn der öffentliche Auftraggeber eine Dienstleistungskonzession zur Umgehung des Vergaberechts einsetzt, da die Vergabe nur als ausschreibungspflichtiger Dienstleistungsauftrag möglich ist (OLG Düsseldorf, B. v. 19.10.2011 – Verg 51/11). Konkret hatte der Senat entschieden, dass die Vergabe einer Dienstleistungskonzession zur Sammlung und zum Transport von Abfällen gegen den damals geltenden § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG verstößt und daher rechtswidrig sei. Dies war soweit auch unstreitig. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte der BGH verworfen, die Zuständigkeit der Nachprüfungsinstanzen bejaht und damit die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf bestätigt (BGH, B. v. 18.06.2012 – X ZB 9/11). Nunmehr hat sich auch das OLG Brandenburg mit einer ähnlichen Fragestellung befasst und dabei die einschlägigen fachrechtlichen Normen in seine Prüfung einbezogen.
Entscheidung (OLG Brandenburg, B. v. 28.08.2012 – Verg W 19/11)
In dem entschiedenen Fall beabsichtigte der Auftraggeber die Vergabe einer Dienstleistungskonzession zur Abwasserbeseitigung an einen privaten Dritten. Dieser sollte mit den Nutzern privatrechtliche Entsorgungsverträge schließen, Investitionen in die Anlagen vornehmen sowie Entgelte und Baukostenzuschüsse erheben. Die Aufgabe selber sollte jedoch beim Auftraggeber verbleiben und nicht übertragen werden. Der vom Auftraggeber bereits Jahre vorher abgeschlossene Betriebsführungsvertrag über die Entsorgungsanlagen sollte trotz Kündigungsmöglichkeit unabhängig von der Konzession fortbestehen. Das vom Auftraggeber zu entrichtende Betriebsführungsentgelt sollte der Konzessionär erstatten. Sofern der Betriebsführungsvertrag zukünftig gekündigt werden sollte, wären auch dessen Aufgaben durch den Konzessionär durchzuführen.
Der Antragsteller rügte erfolglos, dass die Vergabe einer Dienstleistungskonzession im Bereich der Abwasserentsorgung aufgrund entgegenstehender landesrechtlicher Regelungen des Wasser- und Kommunalabgabenrechts unzulässig sei. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag gem. § 112 Abs. 1 S. 3 GWB als unzulässig, da der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen nicht gegeben sei. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
Zulässigkeit der Dienstleistungskonzession
Der Senat hielt die Vergabe einer Dienstleistungskonzession trotz entgegenstehender verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung für rechtswidrig. Diese Rechtssprechung könne nicht überzeugen, da sie nicht aufzeige, aufgrund welchen Rechtssatzes eine reine „Erfüllungsprivatisierung“ vollzogen werden solle. Eine Konstruktion zum Handeln im eigenen Namen im Rahmen der Aufgabenerfüllung und Entgelterhebung, ohne Übertragung der Aufgabe an sich, kenne das Wasserrecht nicht. Ohnehin sei eine gänzliche Aufgabendelegation auf einen Privaten – unstreitig – unzulässig. So könne der Auftraggeber Dritte lediglich als Erfüllungsgehilfen bzw. Verwaltungshelfer einsetzen. Dies entspreche dem Wortlaut von § 66 Abs. 1 S. 1 Brandenburgisches Wassergesetz (BbgWG), wonach Gemeinden die zur Abwasserbeseitigung notwendigen Anlagen von Dritten betreiben lassen dürften. Eine Rechtsgrundlage für die eigenständige Begründung von Rechtsverhältnissen mit den Nutzern sei hierin jedoch nicht zu sehen. Dementsprechend sei das vom Auftraggeber durchgeführte Verfahren aufzuheben und bei fortbestehender Vergabeabsicht im Wege eines förmlichen Vergabeverfahrens neu zu vergeben.
Vorliegen einer Baukonzession
Vergaberechtlich kam es hierauf jedoch evtl. gar nicht an, da der Senat noch einen weiteren interessanten Aspekt angerissen hat: Die Vergabe von Konzessionen im Zusammenhang mit dem Betrieb und der Unterhaltung leitungsgebundener Netze verpflichtet den Konzessionär regelmäßig auch, die notwendigen Investitionen in diese Netze vorzunehmen. Dadurch schulde der Konzessionär nicht nur Dienstleistungen, sondern auch Baumaßnahmen, welche als Baukonzession dem Vergaberecht unterliegen. Sofern diesen Baumaßnahmen nur untergeordnete Bedeutung zukäme und der andere Teil des Vertrags dem Vergaberecht nicht unterliege, seien insgesamt keine vergaberechtlichen Regelungen zu beachten. Dies unterstellte der Senat vorliegend ohne darauf – mangels Entscheidungserheblichkeit – weiter einzugehen.
Trotzdem dürfte einiges dafür sprechen, dass Baumaßnahmen in vergleichbaren Fallgestaltungen nicht lediglich eine untergeordnete Bedeutung i. d. S. zukommt und daher auch aus diesem Grund ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen ist bzw. auf diese Weise der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen begründet werden kann.
Vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung vom 18.06.2012 war die Eröffnung des Rechtswegs zu den Nachprüfungsinstanzen zu erwarten.
Auch wenn sich die Entscheidung inhaltlich nur auf die Rechtslage im Land Brandenburg bezieht, dürfte die Entscheidung von bundesweiter Bedeutung sein, da die entscheidenden Regelungen der einzelnen Länder vergleichbar sind. Auch das OLG Düsseldorf hatte die Unzulässigkeit einer Abwasserkonzession für Nordrhein-Westfalen bereits in einem obiter dictum erwähnt (OLG Düsseldorf, a. a. O.).
Umso erstaunlicher, wie sich der Vergabesenat nunmehr – sehr nachvollziehbar – über die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hinwegsetzt.
Es wird abzuwarten sein, wie sich die Rechtsprechung in diesem Bereich entwickeln wird. Auftraggeber, die eine entsprechende Konzession beabsichtigen, sollten vorsichtig sein. Ebenso stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung Auswirkungen für die Gemeinden hat, die bereits auf ein Konzessions-Modell umgestellt haben.
Der Autor Torben Schustereit ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei GKMP Pencereci Rechtsanwälte aus Bremen und dort schwerpunktmäßig im Bereich des Vergabe- und Baurechts tätig.
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