Verlangen öffentliche Auftraggeber außerhalb eines Planungswettbewerbs Lösungsvorschläge für die gestellte Planungsaufgabe, steht den betroffenen Bietern unmittelbar auf Grundlage der Vergabeordnung für freiberufliche Dienstleistungen (VOF) ein Vergütungsanspruch zu. Der Vergütungsanspruch für die vorvertraglich erbrachten Planungsleistungen bestimmt sich dann nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Das hat das OLG Koblenz dem Grunde nach mit Urteil vom 6. Juli 2012 (8 U 45/11) als erstes Oberlandesgericht entschieden.
Hintergrund und Problemaufriss
Die Vergabe von Planungsleistungen gemäß VOF ist in Bezug auf die Erstellung der Angebote für die Bieter häufig mit immensem Aufwand verbunden. Das gilt jedenfalls dann, wenn öffentliche Auftraggeber in der Angebotsphase eines Verhandlungsverfahrens von den Bietern bereits vorvertragliche Planungsleistungen abfordern, um die Qualität der Angebote besser beurteilen zu können. Handelt es sich um einen großvolumigen Auftrag, so kann der Aufwand der Bieter allein für die Planungsleistungen im Vergabeverfahren schnell einen sechsstelligen Betrag erreichen.
Sofern öffentliche Auftraggeber eine solche Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen für die gestellte Planungsaufgabe im Rahmen eines Planungswettbewerbs fordern, liegt die Kompensation für den damit verbundenen erheblichen Aufwand der Wettbewerbsteilnehmer in den ausgelobten Preisen, die sich nach den Vorgaben der VOF an der Bedeutung und Schwierigkeit der Bauaufgabe sowie dem Leistungsumfang nach der jeweils geltenden Honorarordnung orientieren müssen.
Werden Planungsleistungen hingegen außerhalb eines Planungswettbewerbs gefordert, muss eine Antwort darauf gegeben werden, ob den Bietern auch in dieser Fallkonstellation ein Vergütungsanspruch zusteht. Sollte dem Grunde nach eine Vergütungspflicht bestehen, stellt sich für die Planungsbüros die Frage nach der Grundlage dieses Anspruchs sowie dem einschlägigen Rechtsweg für dessen Durchsetzung. Öffentliche Auftraggeber, denen die Abforderung (erster) Lösungsvorschläge der gestellten Planungsaufgabe die Entscheidung über die Auftragsvergabe in der Regel erheblich erleichtert, stehen vor dem Problem, wie sie exorbitante Kosten eines Verhandlungsverfahrens vermeiden können, ohne in jedem Fall auf die Abforderung von Planungsleistungen verzichten zu müssen.
Regelungssystematik der VOF für Aufwendungen der Bieter bei der Angebotserstellung
Die Vorschrift des § 13 Abs. 2 VOF stellt den Grundsatz auf, das für die Ausarbeitung der Bewerbungs- und Angebotsunterlagen Kosten nicht erstattet werden. Im Gegensatz zur Vorgängerfassung des § 15 Abs. 1 VOF 2006 erfasst § 13 Abs. 2 VOF nunmehr ausdrücklich die für die Verhandlungen mit dem Auftraggeber vom späteren Bieter abgegebenen Angebotsunterlagen auf der zweiten Stufe des Vergabeverfahrens. Der Grund hierfür liegt darin, dass es sich um eine rein werbende Tätigkeit des Freiberuflers für eine mögliche Auftragserteilung handelt. Damit stellt die Ausarbeitung der Bewerbungs- und Angebotsunterlagen keine Leistung des Bewerbers oder Bieters mit einem eigenen Vergütungswert dar.
Verlangt ein öffentlicher Auftraggeber über die bloße Ausarbeitung von Unterlagen hinaus, dass Bewerber Entwürfe, Pläne, Zeichnungen, Berechnungen oder andere Unterlagen ausarbeiten, so ist gemäß § 13 Abs. 3 S. 1 VOF einheitlich für alle Bewerber eine angemessene Vergütung festzusetzen. Da regelmäßig erst in der Angebotsphase und nicht schon im Bewerbungsstadium eine über den normalen Umfang hinaus gehende Bearbeitung verlangt wird, ist die Regelung so auszulegen, dass auch Bieter erfasst werden. Die in § 13 Abs. 3 S. 2 VOF enthaltene Aufzählung ist lediglich beispielhaft und schließt andere Unterlagen ein. Entscheidend für einen Erstattungsanspruch ist vielmehr die Abgrenzung zwischen Absatz 3 und Absatz 2: Die Ausarbeitung von Unterlagen, die über die gewöhnliche Ausarbeitung der Vergabeunterlagen hinausgeht. Das bedeutet, dass es sich um selbständige Leistungen handeln muss, die nicht nur der Ergänzung oder Erläuterung der Bewerbungsunterlagen oder eines Angebots dienen.
Eine besondere Vergütungspflicht sieht die Regelung des § 20 Abs. 3 VOF vor, die in Kapitel 3 über die besonderen Vorschriften zur Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen enthalten ist:
„Verlangen Auftraggeber außerhalb eines Planungswettbewerbs Lösungsvorschläge für die Planungsaufgabe, so sind die Lösungsvorschläge der Bieter nach den Honorarbestimmungen der HOAI zu vergüten.“
Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 20 Abs. 2 S. 2 VOF zu sehen:
„Die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen der gestellten Planungsaufgabe kann vom Auftraggeber nur im Rahmen eines Verfahrens nach Abs. 3 oder eines Wettbewerbs gemäß Kapitel 2 verlangt werden.“
Dem Wortlaut dieser Regelungen nach können Planungsleistungen von öffentlichen Auftraggebern bei der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens nach VOF folglich nur gefordert werden
– im Rahmen des Verfahrens nach § 20 Abs. 3 VOF, wonach die erbrachten Planungsleistungen gemäß der HOAI zu vergüten sind oder
– im Rahmen eines Planungswettbewerbs gemäß Kapitel 2 der VOF (§§ 15 ff.)
Bisherige Entscheidungen der Landgerichte
In den vergangenen Jahren ergingen einige Entscheidungen der Landgerichte in Bezug auf eine Vergütung für abgeforderte Planungsleistungen in VOF-Vergabeverfahren. Die Entscheidungen sind teilweise noch nicht rechtskräftig. Die Rechtsentwicklung ist also noch im Fluss. Inhaltlich liegen die Entscheidungen jedoch auf einer Linie und gehen allesamt davon aus, dass außerhalb eines Planungswettbewerbs abgeforderte Planungsleistungen nach der VOF unter Anwendung der HOAI zu vergüten sind (LG Mühlhausen, Urteil vom 18.10.2005 – 6(5)O 1473/04 g; LG Mainz, Urteil vom 08.12.2010 – 9 O 162/10 (nicht rechtskräftig); LG Bad Kreuznach, Urteil vom 26.10.2012 – 2 O 382/10 (nicht rechtskräftig)). Die bislang ergangenen Urteile bezogen sich allesamt noch auf die VOF 2006. Die inhaltsgleichen Bestimmungen der VOF 2009 werden im Folgenden daher stets mit angegeben. Die Kernaussagen der Urteile lassen sich wie folgt zusammenfassen:
(1) § 24 Abs. 3 VOF 2006 (20 Abs. 3 VOF 2009) stellte eine eigenständige Anspruchsgrundlage für die Vergütung von Architekten- und Ingenieurleistungen dar, soweit Leistungen außerhalb eines Planungswettbewerbs abgefordert und erbracht werden.
(2) Der Vergütungsanspruch errechnet sich unter Anwendung der Mindestsätze der HOAI.
(3) Anspruchsvoraussetzung ist, dass Planungsleistungen außerhalb eines Planungswettbewerbs abgefordert werden und diese nicht nur eine Modifizierung des ursprünglichen Angebots darstellen.
Das OLG Koblenz hat als Berufungsinstanz für das LG Mainz (und wird auch Berufungsinstanz für die Entscheidung des LG Bad Kreuznach sein) als erstes Obergericht ausführlich Stellung bezogen. Dabei setzt es sich u.a. mit dem Verhältnis einer Vergütungspflicht nach den Bestimmungen der HOAI zu einer vom Auftraggeber vorab festgesetzten Pauschalvergütung auseinander, macht Aussagen zum einschlägigen Rechtsweg und stellt Überlegungen an, wie exorbitante Kosten eines Verhandlungsverfahrens nach VOF vermieden werden können.
Die Entscheidung des OLG Koblenz ist Gegenstand des in Kürze erscheinenden zweiten Teils des Beitrags zur Vergütung von Planungsleistungen außerhalb eines Planungswettbewerbs in Vergabeverfahren nach VOF.
Der Autor Dr. Martin Ott ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Herr Dr. Ott berät und vertritt bundesweit in erster Linie öffentliche Auftraggeber umfassend bei der Konzeption und Abwicklung von Beschaffungsvorhaben. Auf der Basis weit gefächerter Branchenkenntnis liegt ein zentraler Schwerpunkt in der Gestaltung effizienter und flexibler Vergabeverfahren. Daneben vertritt Herr Dr. Ott die Interessen der öffentlichen Hand in Nachprüfungsverfahren. Er unterrichtet das Vergaberecht an der DHBW und der VWA in Stuttgart, tritt als Referent in Seminaren auf und ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichen. Er ist einer der Vorsitzenden der Regionalgruppe Stuttgart des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW).
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