Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) hat Ende 2013 ihren jährlichen “Korruptionswahrnehmungsindex” veröffentlicht. Er umfasst 177 Länder und Territorien. Deutschland rangiert auf Platz 12. Übrigens: Auf der nächsten Sitzung der Regionalgruppe Köln-Bonn-Koblenz des Deutschen Vergabenetzwerks (DVNW) wird Dr. Christian Lantermann, Mitglied des Vorstands von Transparency International Deutschland e.V., zum Thema referieren.
Der Index setzt sich aus verschiedenen Expertenbefragungen zusammen und misst die bei Politikern und Beamten wahrgenommene Korruption. Deutschland erreicht auf einer Skala von 0 (hohes Maß an wahrgenommener Korruption) bis 100 (keine wahrgenommene Korruption) 78 Punkte. Im europäischen Vergleich belegen Dänemark (91 Punkte), Finnland (89) und Schweden (89) die vordersten Plätze. International reiht sich außerdem Neuseeland (91 Punkte) in die Gruppe der Spitzenreiter ein.
Transparency fordert eine “Integritätsoffensive der Politik”. Dazu gehören:
Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: „Die Bundestagswahlen haben gezeigt, dass die Kanzlerin einen großen Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung genießt. Getreu dem Motto ‚Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser‘ brauchen wir jedoch einen transparenten Rahmen, in dem sich Politiker und Interessenvertreter bewegen können. Leider lässt der Koalitionsvertrag nicht erkennen, dass sich die Große Koalition hier entscheidend bewegen will. Vor dem Hintergrund einer geschwächten Opposition wäre mehr Transparenz von enormer Bedeutung. Wir erwarten von Frau Merkel, dass sie Transparenz im Lobbyismus zur Chefinnensache macht.“
Positiv zu werten sei, dass CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung neu geregelt wird. Auch der Einsatz externer Personen in der Verwaltung soll transparenter gestaltet und Interessenkonflikten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft entgegengewirkt werden. Entscheidende Maßnahmen für ein verantwortungsvolleres und transparentes Lobbying fehlten jedoch, so TI.
„Lobbyisten geben Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen ab, sie pflegen Kontakte zur Ministerialverwaltung, zu Abgeordneten und ihren Assistenten. Das alles ist legitim. Es muss jedoch klar sein, welche Interessen berücksichtigt wurden und ob bestimmte Interessen nicht beachtet wurden, obwohl sie von der Regulierung betroffen sein werden. Künftig sollte jeder Gesetzentwurf einem Lobbycheck unterzogen werden. Nur so kann eine mögliche Ungleichbehandlung aufgedeckt und die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur unparteiischen Interessenabwägung erfüllt werden“, so Edda Müller.
Vorgeschlagen wird die Einführung einer legislativen Fußspur: In der Begründung von Gesetzentwürfen solle dokumentiert werden, welcher externe Sachverstand und welche Interessenvertreter bei der Vorbereitung beteiligt waren und welche nicht. Die 1. Lesung im Bundestag solle für einen „Lobbycheck“ genutzt werden. Damit könnte die Betroffenheit der verschiedenen Bevölkerungsgruppen von einem Gesetzesvorhaben kritisch diskutiert werden. Hierdurch würde auch die in der Großen Koalition geschwächte Kontrollfunktion der Opposition im Deutschen Bundestag gestärkt. Gleichzeitig müsse es möglich sein, sich in einem Lobbyregister schnell und einfach einen Überblick über die genannten Interessenvertreter zu verschaffen. So müssten Lobbyisten verpflichtet werden, ihre inhaltlichen und finanziellen Interessen offenzulegen, so TI.
Beispiele für Drehtüreffekte müsse man in Deutschland nicht erst lange suchen, prominente Politiker wechselten regelmäßig in die Wirtschaft: so ging Eckart von Klaeden (CDU) jüngst zum Autohersteller Daimler und Kurt Beck (SPD) erhielt einen Beratervertrag beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim. „Manche Politiker scheinen nicht zu verstehen, dass ein solcher Wechsel in die gutbezahlte Privatwirtschat Raum für Spekulation bietet“, so Edda Müller.
Um diesem Anschein von Interessenkonflikten entgegenzuwirken soll dem Koalitionsvertrag zufolge eine angemessene Regelung für ausscheidende Kabinettsmitglieder, Parlamentarische Staatssekretäre und politische Beamte angestrebt werden. Aus Sicht von Transparency bedarf es dazu einer eindeutigen Karenzzeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt, wenn ein Zusammenhang zwischen der früheren und neuen Tätigkeit besteht. Erfahrungen auf EU-Ebene zeigten, dass eine Fall-zu-Fall-Prüfung durch eine Ethikkommission nicht mehr Handlungssicherheit schaffe. So sei der frühere Kommissar für Unternehmen und Industrie, Günter van Verheugen, trotzdem kurz nach seinem Ausscheiden 2009 zahlreichen Tätigkeiten in der Wirtschaft nachgegangen, so TI.
„Es ist vollkommen in Ordnung, dass die Unternehmen die Parteien fördern, die ihnen besonders nahe stehen. Wir dürfen jedoch nicht naiv sein, anzunehmen, dass Unternehmen hohe Summen an Geldern verschenken, ohne eine Gegenleistung zu erwarten“, so Edda Müller. Transparency Deutschland fordert daher eine Deckelung von Parteispenden und Sponsoring auf maximal 50.000 Euro pro Jahr und Konzern, Unternehmen, Verband oder Person. Somit könne allen Debatten über den unlauteren Einfluss von Großspenden die Grundlage entzogen werden.
“Für besonders viel Unmut sorgten in der jüngsten Vergangenheit Spenden der Automobilindustrie. Diese Spendenpolitik ist nicht neu”, so TI. Demnach habe Daimler seit vielen Jahren sowohl an die CDU als auch SPD 150.000 Euro im Jahr gespendet. Auch BMW spende nach Informationen von TI regelmäßig – entweder direkt oder über BMW Großaktionäre. “So flossen in den Jahren 2009 bis 2013 rund 1,5 Millionen Euro an die CDU, 700.000 Euro an die CSU, 600.000 Euro an die SPD, 500.000 an die FDP und 100.000 Euro an die Grünen”, so TI. Der Anschein, dass diese langfristige Spendenpolitik der Automobilbranche das Handeln der Bundesregierung beeinflusst habe, schade nach Auffassung von TI dem Ansehen der Politik.
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