Am 15. April 2014 erließ der Verfassungsgerichtshof ein Urteil in der Rechtssache SK 12/13 betreffend die Höhe einer Gebühr für Beschwerden, die gegen Entscheidungen der Landesberufungskammer (nachfolgend auch: „Berufungskammer“) eingelegt werden.
Einer der Rechtsbehelfe, die nach dem polnischen Gesetz vom 29. Januar 2004 – Das Recht des öffentlichen Vergabewesens (d.h. GBl. 2013 Pos. 907, mit Änd.) in vergaberechtlichen Verfahren vorgesehen sind, ist die Beschwerde gegen die Entscheidung der Landesberufungskammer. Sie kann durch Parteien und Beteiligte des Berufungsverfahrens beim Bezirksgericht eingelegt werden. Für die Beschwerdeerhebung muss ein Entgelt entrichtet, dass im Gesetz über Gerichtsgebühren in Zivilverfahren vom 28. Juli 2005 (GBl. 2010 Nr. 90, Pos. 594, nachfolgend: „Gerichtskostengesetz”) festgelegt ist. Das Entgelt kann fest ermittelt werden. Es beträgt dann das Fünffache der Berufungsgebühr (Art. 34 Abs. 1 des Gesetzes) oder kann in einer Höhe von 5% des Auftragswertes berechnet werden. Die anteilmäßig berechnete Gebühr kann jedoch nicht mehr als 5 Mio. PLN (ca. 1,2 Mio EUR) betragen, wenn die Beschwerde Handlungen im öffentlichen Vergabeverfahren betrifft, welche nach der Eröffnung der Angebote vorgenommen wurden (Art. 34 Abs. 2 des Gesetzes). Eine enorm hohe Gebühr in öffentlichen Vergabeverfahren stellt ein wesentliches Hindernis in der Geltendmachung der Ansprüche, insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen dar und bewirkt, dass das Recht zur Anfechtung der Entscheidungen der Berufungskammer illusorisch ist. Nur wenige Unternehmer gehen daher das Risiko im Zusammenhang mit der Einlegung der Beschwerde bei Gericht ein.
Sowohl Unternehmer als auch Praktiker aus dem Bereich des Vergaberechts betonten seit Langem die zwingende Herabsetzung der Beschwerdegebühren, indem sie die Vereinbarkeit der so hohen Gebühr mit der Verfassung recht häufig bestritten haben. Dieser Sachverhalt wurde zum Gegenstand der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, das im eingangs genannten Urteil erkannt hat, dass Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes mit Art. 45 Abs. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 3, Art. 77 Abs. 2 und Art. 78 der polnischen Verfassung nicht vereinbar ist. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes verstößt die Regelung aus Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes gegen das Zugangsrecht zum Gericht und verletzt dabei das Recht aus Art. 77 Abs. 2 der Verfassung zur Anfechtung der erstinstanzlichen Entscheidungen. Darüber hinaus widerspricht diese Regelung dem Art. 78 der Verfassung. Sie begründet nämlich zu hoch gesteckte und erschwerte Anforderungen an die Erhebung einer Beschwerde bei Gericht, indem sie das Recht zur Anfechtung eines erstinstanzlichen Urteils nur formal gewährt. Wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, sei eine negative Beurteilung des Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes vor allem auf die unverhältnismäßige Festlegung der Höchstgebühr zurückzuführen. Diese ist als prozentueller Betrag für jene Beschwerden gegen Entscheidungen der Landesberufungskammer zu entrichten, die sich auf Handlungen des Auftraggebers nach Angebotseröffnung beziehen. Der Betrag von 5 000 000 PLN sei somit als willkürlich und überhöht anzusehen.
Der Verfassungsgerichtshof urteilte, dass sämtliche Gerichtsgebühren in öffentlichen Auftragsverfahren, unabhängig davon ob sie jegliche Handlungen vor oder nach der Angebotseröffnung betreffen, nach Maßgabe des Art. 34 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes berechnet werden; d.h. sie werden fest angesetzt und belaufen sich auf das Fünffache der Berufungsgebühr. Eine etwaige Änderung des Art. 34 ließ der Gerichtshof durch den Gesetzgeber entscheiden. Dies gilt sowohl für die Festlegung neuer Gerichtsgebühren in vergaberechtlichen Verfahren, als auch für die Wahl deren optimaler Berechnung. Wie der Verfassungsgerichtshof betonte, kann es nicht ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber aus Gründen, die durch die Verfassung legitimiert sind, anordnet, dass Gerichtsgebühren in vergaberechtlichen Verfahren in gleicher Höhe wie zurzeit geltende Gebühren in vermögensrechtlichen Streitsachen festgelegt werden. Diese Frage hat der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht entschieden.
Die angesprochene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes tritt mit ihrer Bekanntmachung in Kraft. Einen anderen Zeitpunkt für das Außerkrafttreten der Regelung aus Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes hat der Verfassungsgerichtshof nicht festgelegt.
Nur um daran kurz zu erinnern, war die Vorschrift aus Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes bereits Gegenstand des neulich ergangenen Urteils des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Januar 2014 in der Rechtssache SK 25/11. Insoweit sich der Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes auf die Höchstgebühr von 5 Mio. bezieht, wurde das Verfahren allerdings wegen der fehlenden Zulässigkeit des Urteils eingestellt. Die damals bestrittene Vorschrift war nämlich nicht Gegenstand der endgültigen Entscheidung in Sachen der Beschwerdeführer. Gleichzeitig teilte der Gerichtshof nicht die Einwände der beschwerdeführenden Gesellschaften hinsichtlich der nicht verfassungskonformen prozentualen Gebühr nach Maßgabe des Art. 34 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes. Er stellte dabei fest, dass der Mechanismus traditionelle Funktionen der Gerichtskosten, u.a. die soziale Funktion (sog. Präventionsfunktion) erfülle und dabei die Justiz vor dem Überfluss von Rechtssachen schütze, die ohne jeglichen realen Grund eingeleitet werden.
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