Es muss gar nicht immer Absicht dahinter stecken, wenn Bieter im Rahmen einzureichender Unterlagen von Vorgaben der Vergabeunterlagen abweichen. Gerade bei komplexeren Vergabeverfahren mit umfangreichen oder auszulegenden Vergabeunterlagen stellt sich hier die Frage, wie Bieter dies am besten vermeiden können.
§§ 133, 157 BGB; § 19 Abs. 3 lit. d EG VOL/A
Leitsätze (nicht amtlich)
Sachverhalt
Ein Auftraggeber schrieb den Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit fünf Unternehmen europaweit nach den Bestimmungen der VOL/A aus, wobei die Einzelaufträge im „Mini-wettbewerb“ beauftragt werden sollten. Die Vergabe des ersten Einzelauftrags leitete der Auftraggeber jedoch bereits während des noch laufenden Vergabeverfahrens über die Rahmenvereinbarung ein.
Die Einzelauftragsbedingungen sahen für die herzustellende Menge mehrere Teillieferungen „voraussichtlich ab Januar 2014 bis spätestens Ende Juni 2014“ vor. Die Rahmenvereinbarung bestimmte hingegen, dass der Auftraggeber den voraussichtlichen Beginn und das voraussichtliche Ende des Lieferzeitraums für die jeweiligen Einzelaufträge gleichzeitig festlegen sollte. Mit dem Angebot hatten die Bieter hatten ein durch den Auftraggeber vorformuliertes Angebotsbegleitschreiben abzugeben, in dem u.a. die Vorlage einer detaillierten Produktionsplanung vorgesehen war. Bei Änderungen oder Ergänzungen an den bereitgestellten Dokumenten sah die Rahmenvereinbarung den Angebotsausschluss vor.
Das Angebotsbegleitschreiben enthielt zudem die Erklärung, dass der Bieter ein „Hauptangebot“ abgegeben habe, „d.h. [….] keine Abweichungen zu den Vergabeunterlagen“ vorliegen. Er bestätigte damit zugleich die Geltung der jeweiligen Vertragsbedingungen für den Einzelauftrag und für die Rahmenvereinbarung, wobei bei Widersprüchen die Bedingungen des Einzelauftrags Vorrang haben sollten.
Das Angebot des eigentlich erstplatzierten Bieters enthielt eine Produktionsplanung, welche erst Mitte Juli 2014 endete. Es wurde wegen Abweichung von den Vertragsbedingungen ausgeschlossen.
Die Entscheidung
Der Ausschluss erfolgte zu Recht! Die Vergabekammer des Bundes bestätigte, dass der Bieter durch seine eingereichte Produktionsplanung von zwingenden Vorgaben der Vergabeunterlagen abgewichen und deswegen auszuschließen war.
Auslegung ergibt: Lieferendtermin eindeutig
Aus Sicht der Vergabekammer des Bundes war das Ende des Lieferzeitraums eindeutig und verbindlich auf Ende Juni 2014 festgelegt. Der Begriff „voraussichtlich“ beziehe sich demnach allein auf den Beginn des Lieferzeitraums, da ansonsten der Zusatz „spätestens“ entbehrlich sei. Die nachrangige und lediglich ergänzende Regelung der Rahmenvereinbarung stehe dem nicht entgegen.
Einzureichende Produktionsplanung ist verbindlich
Durch das spätere Lieferende weiche die Produktionsplanung des betroffenen Bieters von dieser vertraglichen Vorgabe ab. Die Einordnung als „unverbindlichen Vorschlag“ lehnte die Vergabekammer schon deswegen ab, weil sie ausdrücklich als Angebotsbestandteil vorzulegen war und bei Nichtvorlage ausdrücklich der Angebotsausschluss angedroht wurde. Die Angebots- und Wertungsrelevanz war aus Sicht der Vergabekammer damit für alle Bieter klar erkennbar gewesen. Ein möglicherweise abweichendes subjektives Verständnis eines einzelnen Bieters war daher nicht relevant.
Allgemein (und von dem Auftraggeber vor-) formulierte Erklärung unbeachtlich!
Ohne Erfolg argumentierte der Bieter, dass er mit seinem Angebotsbegleitschreiben doch bereits die Einhaltung der ausgeschriebenen Vorgaben verbindlich zugesagt habe und dass der in seiner Produktionsplanung genannte Endtermin für die letzte Tranche von diesen nur geringfügig abweiche. Die Vergabekammer sah diese allgemeine und durch den Auftraggeber vorformulierte Erklärung gerade wieder „in Frage gestellt“ durch die konkrete und bieterseitig erstellte Produktionsplanung. Aus objektiver Empfängersicht liege darin eine klare Abweichung von dem vorgegebenen Lieferendtermin, so dass der Ausschluss auch ohne vorherige Aufklärung zulässig war. Diese hätte dem Bieter nämlich Gelegenheit zur Korrektur oder Klarstellung seines Angebots gegeben und damit gegen das Nachverhandlungsverbot verstoßen.
Praxistipp
Auch unbeabsichtigte oder geringfügige Abweichungen von zwingenden Vorgaben führen zum Ausschluss eines Angebots. Eine ausdrückliche, aber allgemein formulierte Erklärung der Konformität mit den Vorgaben kann daran allerdings nichts ändern. Bietern kann man daher nur empfehlen, die Vergabeunterlagen vor Angebotsabgabe sorgfältig auf Mindestanforderungen und zwingende Vorgaben zu prüfen und bei Zweifeln an der Auslegung entsprechende Bieterfragen zu stellen. Keinesfalls sollten sie sich auf darauf verlassen, dass auslegungsbedürftige Vorgaben immer zu Lasten des Auftraggebers gehen. Unklare Vorgaben können zwar eine wiederholte Angebotsabgabe erfordern (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.07.2012, Az. 11 Verg 6/12). Das gilt aber nicht, wenn jedenfalls aus objektiver Empfängersicht eine klare Auslegung besteht (vgl. hierzu auch VK Bund, Beschluss vom 17.04.2014, Az.: VK 2-27/14).
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
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