Insbesondere bei komplexen Bauausschreibungen mit oftmals umfangreichen Leistungsverzeichnissen kommt es in der Praxis immer wieder zu dem (vermeintlichen) Angebotsmangel, dass durch den Auftraggeber mit dem Angebot geforderte Produktangaben der Bieter, wie Fabrikats-, Hersteller- oder Typbezeichnungen im Angebot vollständig fehlen, teilweise unvollständig oder nicht eindeutig sind. Nach wie vor ist nicht abschließend geklärt, wie mit solchen „Angebotsmängeln“ im Vergabeverfahren umzugehen ist.
Vom Auftraggeber geforderte Fabrikats-, Hersteller- oder Typbezeichnung
Öffentliche Auftraggeber fordern produktbeschreibende Angaben des Bieters wie Fabrikats-, Hersteller- oder Typbezeichnungen zum einen in den Fällen, in denen der Auftraggeber kein konkretes Produkt in der Leistungsbeschreibung benennt, sondern eine produktneutrale Beschreibung wählt, die es dem Bieter bzw. späteren Auftragnehmer überlässt, welches die aufgestellten Anforderungen erfüllendes Produkt er anbietet und bei der Leistungserbringung verwenden wird. Um nachprüfen zu können, ob das angebotene Produkt tatsächlich den Anforderungen der ausgeschriebenen Leistung entspricht, interessiert den Auftraggeber in der Regel jedoch schon im Vergabeverfahren, welches Produkt der Bieter verwenden wird.
Zum anderen muss der Bieter Fabrikats-, Hersteller- oder Typangaben machen, wenn der Auftraggeber zur Beschreibung der Leistung (vergaberechtskonform) ein Produkt vorgibt, das seinen Anforderungen entspricht und auf dem gegebenenfalls seine Planung beruht, mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ jedoch auch andere gleichwertige Produkte zulässt. In diesen Fällen wird in der Regel eine Angabe der Bieter gefordert, ob das Leitprodukt angeboten wird oder ein anderes Produkt, das dann mit Fabrikats-, Hersteller- oder Typangaben genau zu bezeichnen ist.
„Fehlen“ einer Fabrikats-, Hersteller- oder Typangabe
Ob aus einem Fehlen von Fabrikats-, Hersteller- und Typbezeichnungen Konsequenzen gezogen werden können oder sogar müssen und das Angebot aus diesem Grund auszuschließen ist, hängt zunächst davon ab, ob die Bieterangabe überhaupt wirksam durch den Auftraggeber gefordert wurde. Ein Angebotsausschluss wegen einer fehlenden Angabe kann beispielsweise unzulässig sein, wenn der Auftraggeber bei der entsprechenden Position ein Leitprodukt oder „Beispielprodukt“ vorgegeben hat, obwohl er die Leistung auch produktneutral im Sinne der §§ 7 Abs. 8, 7 EG Abs. 8 VOB/A hätte beschreiben können (so z. B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.10.2009 – Verg 9/09). Auch wenn aus den Vergabeunterlagen nicht zweifelsfrei ersichtlich wird, welche Angaben der Auftraggeber genau fordert (z. B. ob neben dem Hersteller auch der Produkttyp genannt werden muss), kann ein Angebotsausschluss nicht auf das Fehlen dieser Angabe gestützt werden (vgl. OLG München, Beschl. v. 23.12.2010 – Verg 21/10).
Wurde die Fabrikats-, Hersteller- oder Typangabe wirksam gefordert, stellt sich zunächst die Frage, in welchen Fällen eine Angabe in diesem Sinne tatsächlich „fehlt“. Unterlässt der Bieter eine wirksam geforderte Angabe z. B. des Produktherstellers und des genauen Produkttyps völlig, dürfte grundsätzlich von einem „Fehlen“ in diesem Sinne auszugehen sein. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Auftraggeber (zulässigerweise; vgl. z. B. OLG Koblenz, Beschl. v. 06.06.2013 – 2 U 522/12) im oben beschriebenen Fall der Verwendung eines Leitprodukts in seinen Vertragsbedingungen eine Klausel aufgenommen hat, nach der sich der Bieter mit Abgabe seines diese Klausel umfassenden Angebotes verpflichtet, das vorgeschlagene Leitprodukt anzubieten, sofern er kein anderes Produkt benennt. Diese Fiktion greift wiederum ausnahmsweise nicht, wenn aus dem Angebot des Bieters ein entgegenstehender Wille erkennbar ist, d. h. ersichtlich wird, dass er eigentlich ein anderes Produkt benennen wollte (OLG Koblenz, Beschl. v. 06.06.2013 – 2 U 522/12).
Von einer zumindest teilweise fehlenden Angabe ist auszugehen, wenn der Bieter eine unvollständige oder nicht eindeutige Angabe macht. Benennt er zum Beispiel nach eindeutiger Forderung des Auftraggebers von umfassenden Angaben nur den Hersteller, jedoch nicht oder nicht identifizierbar den genauen Produkttyp, ist dem Auftraggeber insbesondere nicht zuzumuten, eigene Nachforschungen anzustellen, welches genaue Produkt gemeint sein könnte. Erst recht ist es nicht Sache des Auftraggebers, dasjenige Produkt des angegebenen Herstellers auszuwählen, das die Anforderungen der Leistungsbeschreibung überhaupt oder am besten erfüllt (vgl. z. B. OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.05.2009 – 11 Verg 2/09; BGH, Beschl. v. 18.02.2003 – X ZB 43/02).
Auch wenn der Bieter seine vollständigen Angaben nicht an der vom Auftraggeber dafür bezeichneten Stelle macht, riskiert er, dass der Auftraggeber dies als fehlende Angabe werten könnte; dies selbst dann, wenn sich die erforderliche Angabe möglicherweise mehr oder weniger leicht auffindbar an anderer Stelle des Angebotes, in einem Produktblatt oder Katalog etc. auffinden ließe (vgl. Dittmann, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 2. Auflage, § 16 Rd. 157).
Auswirkungen des Fehlens einer Fabrikats-, Hersteller- oder Typangabe
Sofern eine Fabrikats-, Hersteller- oder Typangabe tatsächlich fehlt, obwohl sie wirksam gefordert wurde, gelangt die jüngere Spruchpraxis der Nachprüfungsinstanzen zu unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich der vergaberechtlichen Folgen.
Teilweise wird vertreten, das Angebot sei ohne Weiteres vom weiteren Verfahren auszuschließen, da es jedenfalls in der vorliegenden Form ohne die geforderten Produktangaben nicht mit den Angeboten der anderen Bieter im Wettbewerb vergleichbar wäre. Nach anderer Auffassung besteht die Pflicht des Auftraggebers, eine Nachforderung der fehlenden Angaben des Bieters gemäß § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 3 VOB/A als „fehlende Erklärungen oder Nachweise“ vorzunehmen. Ob eine Nachforderung im Falle fehlender Fabrikats-, Hersteller- oder Typangaben vergaberechtlich zulässig ist, ist bislang nicht abschließend geklärt.
Die Frage der Zulässigkeit einer Nachforderung der fehlenden Angaben hängt maßgeblich von der Auslegung des Begriffs der nachforderungsfähigen „Erklärungen oder Nachweise“ in § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 3 VOB/A und davon ab, ob fehlende Fabrikats-, Hersteller- oder Typangaben hierunter gefasst werden können. Ausgehend vom sehr weit gefassten Wortlaut „Erklärungen und Nachweise“, könnten darunter grundsätzlich jegliche vom Bieter mit dem Angebot einzureichenden Angaben erfasst sein, sodass solche stets nachzufordern wären. Hiervon ausdrücklich ausgenommen sind jedoch zumindest die Angebotsbestandteile, deren Fehlen gemäß § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 1 oder 2 VOB/A zu einem zwingenden Angebotsausschluss führen würde (vgl. § 16 (EG) Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 VOB/A), wie die Angebotsunterschrift oder Preisangaben für wesentliche Positionen.
Zum Teil wird vertreten, unter die Formulierung der „Erklärungen und Nachweise“ seien „alle (insbesondere leistungsbezogenen) Angaben und Unterlagen zu fassen, die der öffentliche Auftraggeber von den Bietern verlangt, z. B. […] produktidentifizierende Angaben wie Hersteller- oder Typenangaben“ (Dittmann, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 2. Auflage, § 13 Rd. 66; in diese Richtung argumentierend auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.03.2011 – 15 Verg 2/11) – abgesehen von den erwähnten Angebotsbestandteilen, deren Fehlen zu einem zwingenden Angebotsausschluss führen würde, wie die Angebotsunterschrift oder Preisangaben für wesentliche Positionen.
Teilweise wird jedoch bei der Frage, welche Angaben oder Unterlagen nachgefordert werden dürfen, auch danach differenziert, ob diese wertungsrelevant sind oder Einfluss auf die Wertungsreihenfolge hätten bzw. ob durch eine Nachforderung der Wettbewerb verfälscht würde (OLG Naumburg, Beschl. v. 23.02.2012 – 2 Verg 15/11; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.03.2011 – 15 Verg 2/11). Dies dürfte – abgesehen von besonderen Ausnahmefällen – bei der reinen namentlichen Benennung eines Fabrikats, Herstellers oder Typs jedoch in der Regel nicht der Fall sein und keine Rolle spielen, sodass eine Nachforderung fehlender Fabrikats-, Hersteller- oder Typangaben nach dieser Ansicht für den Auftraggeber wohl zwingend wäre.
Nach wiederum anderer Auffassung sei danach zu unterscheiden, ob die fehlenden Erklärungen oder Nachweise Vertragsinhalt werden sollen. Nur Belege für den Inhalt des Vertragsangebotes oder außerhalb des eigentlichen Vertragstextes stehende Umstände würden als nachforderungsfähige Erklärungen und Nachweise gelten. Werden Angaben des Bieters jedoch zum Vertragsbestandteil, so dürften sie nicht nachgefordert werden (so z. B. OLG Dresden, Beschl. v. 21.02.2012 – Verg 1/12 hinsichtlich des Fehlens von Arbeitskarten zu ausgeschriebenen Wartungsverträgen; Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhaben, VOB-Kommentar, 5. Auflage, § 16 EG Rd. 210), da bei ihrem Fehlen schon kein wirksames Angebot abgegeben werde und offen bliebe, welche Leistungen angeboten werden. Diese Wertung ließe sich auch auf fehlende Fabrikats-, Hersteller- oder Typbezeichnungen übertragen, die Vertragsinhalt werden, sodass eine Nachforderung nach dieser Ansicht ausgeschlossen wäre.
Dementsprechend haben Teile der Rechtsprechung eine Nachforderung von geforderten, aber im Angebot fehlenden Fabrikats-, Hersteller- und Typangaben insbesondere in jüngeren Entscheidungen von Vergabekammern aus den Jahren 2013 und 2014 ausdrücklich und eindeutig abgelehnt (VK Thüringen, Beschl. v. 12.04.2013 – 250-4002-2400/2013-E-008-SOK; vgl. auch Baumann, VPR 2013, 24; VK Südbayern, Beschl. v. 07.03.2014 – Z3-3-3194-1-02-01/14; auch schon VK Brandenburg, Beschl. v. 05.07.2006 – 1 VK 23/06). Die vom Auftraggeber im Leistungsverzeichnis geforderten Fabrikats-, Hersteller- und Typangaben würden die vertragsgegenständliche Leistung festlegen und somit zum Vertragsgegenstand werden. Die geforderten Angaben seien damit integraler Bestandteil der Willenserklärung Angebot (so auch schon OLG Koblenz, Beschl. v. 30.03.2012 – 1 Verg 1/12) bzw. Kernbestandteil des Angebotes und keinesfalls nachforderungsfähig. Das Fehlen solcher Angaben sei nicht heilbar und führe zwingend zum Angebotsausschluss.
Abweichend hat dies die Vergabekammer Nordbayern in einer jüngst ergangenen Entscheidung beurteilt (VK Nordbayern, Beschl. v. 25.06.2014 – 21.VK-3194-15/14). Der Bieter hatte hier im Angebot die Vermieterfirma eines für die Auftragsdurchführung erforderlichen Mobilkrans angegeben, obwohl der Auftraggeber eine Angabe des angebotenen Mobilkrantyps erwartet hatte. Die Vergabekammer entschied, der Auftraggeber müsse die Angabe des Mobilkrantyps zwingend nachfordern. Es könne dahinstehen, ob die Angabe unmissverständlich gefordert worden war. Aufgrund der vom Auftraggeber erkannten offensichtlichen Unrichtigkeit der Bieterangabe sei diese wie eine fehlende zu bewerten und damit gemäß § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A nachzufordern. Es handele sich bei den Angaben zum Mobilkran um Erklärungen oder Nachweise im Sinne von § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. Der Begriff der Erklärungen und Nachweise sei weit auszulegen. Er beziehe sich sowohl auf bieterbezogene Eigen- oder Fremderklärungen als auch auf leistungsbezogene Angaben und Unterlagen. Sinn des Vergabeverfahrens sei es, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen und ein solches nicht an formalistischen Gesichtspunkten scheitern zu lassen. Nach Ansicht der Vergabekammer Nordbayern war die Nachforderung der Angaben daher zwingend geboten. Ein Ausschluss des Angebotes wäre erst dann zulässig gewesen, wenn der Bieter dem Nachforderungsverlangen des Auftraggebers nicht oder nicht rechtzeitig nachgekommen wäre.
Praxishinweis
Zur Frage, ob fehlende Fabrikats-, Hersteller- und Typangaben nachgefordert werden können bzw. müssen, besteht angesichts der dargestellten divergierenden Auffassungen und mangels bundeseinheitlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung derzeit erhebliche Rechtsunsicherheit.
In Anbetracht der oben genannten Entscheidungen der Vergabekammer Thüringen und der Vergabekammer Südbayern ist Bietern anzuraten, auch bei komplexen Leistungsverzeichnissen äußert sorgfältig darauf zu achten, dass die vom Auftraggeber geforderten Fabrikats-, Hersteller- oder Typangaben vollständig und eindeutig eingetragen werden. Sich auf eine „zweite Chance“ zur Angabe der Bezeichnungen infolge einer Nachforderung des Auftraggebers zu verlassen, bleibt derzeit riskant.
Öffentliche Auftraggeber sind aufgrund der gegensätzlichen Entscheidungen der Vergabekammern in der misslichen Situation, dass sie sich im Falle des Fehlens einer entsprechenden Bieterangabe angreifbar machen, gleichgültig wie sie sich entscheiden. Schließen sie das Angebot des Bieters aus, ohne nachzufordern, wird sich dieser unter Umständen mit den Argumenten der Rechtsprechung der Vergabekammer Nordbayern hiergegen zur Wehr setzen. Fordern sie die fehlende Angabe nach, wird sich möglicherweise ein konkurrierender Bieter auf die Rechtsprechung der Vergabekammer Thüringen und der Vergabekammer Südbayern berufen und den Ausschluss des Angebotes des Konkurrenten verlangen. Vorbeugen können öffentliche Auftraggeber einer solchen Situation durch eindeutige und klare Gestaltung der Vergabeunterlagen und sorgfältige Prüfung des Einzelfalls mit entsprechend individuell begründeter Dokumentation des Vorgehens bei der Angebotswertung.
Henrik Baumann und Julia Gielen
Rechtsanwalt Henrik Baumann ist Partner der Kanzlei HFK Rechtsanwälte LLP und Fachanwalt für Informationstechnologierecht. Julia Gielen ist Rechtsanwältin der Kanzlei. Beide sind spezialisiert auf das Vergaberecht und Öffentliche Preisrecht und bilden einen Teil des mehrköpfigen standortübergreifenden Teams der Kanzlei für Vergaberecht am Standort Berlin. Sie beraten und vertreten Auftraggeber und Unternehmen bei der öffentlichen Auftragsvergabe im Bau-, Liefer- und Dienstleistungssektor, insbesondere im Bereich Bau & Infrastruktur, Gebäudemanagement, Informationstechnologie sowie Verteidigung & Sicherheit. In eingespielten, hochspezialisierten Projektteams sind sie dabei regelmäßig auch interdisziplinär verfahrens- und vertragsgestaltend tätig.
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