Eine vergaberechtswidrige Direktbeauftragung kann schwer zu beweisen sein – vor allem, wenn sie außerhalb eines schriftlichen Auftrags erfolgt sein soll. Noch schwerer aber lässt sich eine solche Behauptung für den Auftraggeber widerlegen. Das OLG Düsseldorf löst diese Pattsituation daher zu Lasten des Antragstellers (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.08.2014 , Az.: Verg 15/14).
§ 101a, b GWB; § 108 Abs. 2 GWB
- Behauptet der Antragsteller, ein anderer Bieter führe ausschreibungspflichtige Aufträge für den Auftraggeber „auf Zuruf“ aus, trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
- Bloße Vermutungen können keine Entscheidungsgrundlage in einem Vergabenachprüfungsverfahren sein. Hat der Antragsteller keine zuverlässigen Anhaltspunkte für eine unzulässige De-facto-Vergabe, ist sein Nachprüfungsantrag unzulässig.
Sachverhalt
Nach mehrjährigen Vergaberechtsstreitigkeiten entschloss sich ein Auftraggeber, Krankentransportleistungen mit eigenen Mitteln zu erbringen. Für die Interimszeit erteilte er schriftlich und ohne Vergabeverfahren einen Auftrag über Leistungen mit einem geschätzten Auftragswert deutlich unterhalb der geltenden Schwellenwerte. Ein Konkurrent griff dies mit einem Nachprüfungsantrag als unzulässige de facto-Vergabe an. Er erklärte, dass tatsächlich zeitlich und im Umfang weit darüber hinausgehende Leistungen beauftragt worden seien. Der richtigerweise geschätzte Wert liege bei (weit oberschwelligen) 500.000 bis 700.000 Euro netto, deswegen sei eine europaweite Ausschreibung erforderlich gewesen.
Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Das OLG Düsseldorf legte seiner rechtlichen Bewertung allein die in dem schriftlichen Auftrag enthaltenen Leistungen im Zeitraum zwischen 1. Januar und 31. Mai 2014 zugrunde, da der Antragsteller den tatsächlichen Abruf darüber hinaus gehender Leistungen nicht beweisen konnte. Für weitere Leistungen auf Zuruf sah der Senat keine zuverlässigen Anhaltspunkte. Bloße Vermutungen könnten jedoch keine Entscheidungsgrundlage sein.
Rechtliche Würdigung
Unzureichende Indizien für Abrufe nach Ende des Interimsvertrags
Aus einer Sitzungsniederschrift des Verwaltungsvorstands sowie einem verwaltungsinternen Vermerk zur Organisation des Krankentransports ging hervor, dass der Auftraggeber nach Ende des Interimsvertrags die Krankentransportleistungen mit eigenen Mitteln durchführe. Die zeitlich älteren Unterlagen, die der Antragsteller vorlegte, reichten als Indizien nicht aus, um fortgesetzte Leistungsabrufe zu beweisen. Sie waren nicht so zu bewerten, dass der Auftraggeber diese widerlegen musste.
Vorangehende Aufträge
Auch zu gleichgelagerten Leistungen im Vorfeld des schriftlichen Interimsauftrags sei nichts vorgetragen worden. Im Übrigen hätten diese ja auch rechtmäßig sein können. Daher seien diese nicht zu berücksichtigen. Der Fall lag aus Sicht des Senats damit anders als in einer früheren Entscheidung. In dieser hatte er eine schwellenwertfreundliche Auftragsstückelung in einen Interimsvertrag einerseits und einen unterschwelligen Auftrag andererseits verhindert, weil er es als erwiesen ansah, dass schon bei Abschluss des Interimsvertrags die Modalitäten des späteren Auftrags vereinbart wurden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012, VII, Az.: Verg 107/11). In diesem Zusammenhang hatte der Senat entschieden, dass der Auftragswert vorangehender, vergaberechtswidriger Aufträge bei der Auftragswertberechnung bei de facto-Aufträgen hinzuzurechnen ist. Inhalt und Umfang des Interimsauftrags waren in diesem Fall aber als solches unstreitig.
Praxistipp
Zwar gibt es im Vergabenachprüfungsverfahren keine prozessuale Darlegungs- und Beweislast im eigentlichen Sinne, dem steht der Amtsermittlungsgrundsatz entgegen. Soweit der Antragsteller in der Begründung des Nachprüfungsantrags die verfügbaren Beweismittel bezeichnen muss, ist dies Ausdruck der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Beteiligten (§ 113 Abs. 2 GWB). In Fällen, in denen trotz aller Aufklärungsbemühungen nicht mit zureichender Gewissheit zu tragfähigen Feststellungen zu gelangen ist, gilt aber eine materielle Darlegungs- und Beweislast. Den (materiellen) Nachteil der Nichterweisbarkeit einer Tatsache hat demnach derjenige Beteiligte zu tragen, der sich auf einen ihm günstigen Normtatbestand berufen möchte
(vgl. auch VK Bund, Beschluss vom 18.10.2012, Az.: VK 2 – 77/12, VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.11.2013, Az.: 1 VK 38/13, Besprechung der Entscheidung von RA Dr. Ott hier im Vergabeblog, VK Bund, Beschluss vom 03.02.2014, Az.: VK 2-1/14).
Um eine tatsächliche Auftragserteilung und ihre Details zu beweisen, reicht deswegen der Verweis auf einen entsprechenden Bedarf nicht aus. Als hinreichender Nachweis für eine erwiesene frühzeitige Abstimmung über eine Direktvergabe wurde es aber angesehen, wenn nachweisbar Zahlen für den betreffenden Auftragszeitraum übermittelt wurden, ein Vertragsentwurf erstellt und die entsprechende Beauftragung intern vorgeschlagen wurde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012, VII, Az.: Verg 107/11).
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