1. Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren richtet sich nach § 78 GWB.
2. Nach § 78 Satz 1 GWB kann das Gericht einem Beteiligten die notwendigen Auslagen eines anderen Beteiligten auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht.
3. Im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren hat die Rechtsmittelrücknahme somit nicht zwangsläufig zur Folge, dass der Rechtsmittelführer den übrigen Beteiligten ihre notwendigen Auslagen erstatten muss.
4. Der Beigeladene kann bei der Kostenentscheidung nur berücksichtigt werden, wenn er sich aktiv am Beschwerdeverfahren beteiligt hatte.
5. Hat sich ein Beigeladener zwar zunächst aktiv am Verfahren beteiligt, in der mündlichen Verhandlung aber ausdrücklich erklärt, er wolle keinen Antrag stellen, weil er das Kostenrisiko scheue, kann es der Billigkeit entsprechen, dass er im Falle der späteren Beschwerderücknahme seine notwendigen Auslagen selbst trägt.
Sachverhalt
In einer mündlichen Verhandlung vor dem Vergabesenat war es zu einer Erörterung der Sach- und Rechtslage gekommen, an der sich ein Beigeladener aktiv beteiligt hatte. Auf Frage des Gerichts hatte der Beigeladene allerdings auch erklärt, er scheue das Kostenrisiko, weshalb er keinen Sachantrag stelle; auch seien seine im Beschwerdeverfahren eingereichten Schriftsätze nicht so zu verstehen, dass die Stellung bestimmter Anträge abgekündigt werde. Später nahm der Beschwerdeführer sein Rechtsmittel zurück. In der abschließenden Kostenentscheidung entschied das Beschwerdegericht, der Beigeladene müsse seine notwendigen Auslagen selbst tragen. Hiergegen wendet er sich mit einer sog. Gehörsrüge nach § 71a GWB.
Die Entscheidung
Der Rechtsbehelf hat keinen Erfolg. Das OLG Naumburg hatte zwar erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit, unterstellte diese aber und befasste sich dann mit der kostenrechtlichen Frage: Nach der Neufassung des Vierten Teils des GWB im Jahre 2009 sei die Kostengrundentscheidung im Beschwerdeverfahren nach § 78 GWB zu treffen. Danach sei über die Kostenverteilung grundsätzlich nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der vergaberechtlichen Rechtsprechung bestehe Einigkeit darüber, dass die Anwendung von § 78 Satz 1 GWB nicht zwingend dazu führe, dass der Beschwerdeführer deshalb für sämtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens einstehen müsse, weil er sein Rechtsmittel zurückgenommen hat. Ein Beigeladener werde nur in die Kostenentscheidung einbezogen, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung als Verfahrensbeteiligter genutzt habe, um sich aktiv zu beteiligen. Dies setzte in der Regel einen Sachantrag voraus. Jedenfalls sei es von dem dem Gericht eingeräumten Spielraum gedeckt, wenn ein Beigeladener, der sich zwar zunächst aktiv beteilige, dann aber keinen Antrag stelle, um kein Kostenrisiko einzugehen, seine Auslagen selbst trage.
Praxishinweis
1. Gehörsrügen sind in der Regel Geldverschwendung. Dass ein Gericht in einem Verfahren mit Anwaltszwang nicht in Voraus auf alle denkbaren Entscheidungsmöglichkeiten hingewiesen hat, reicht für eine Gehörsverletzung nicht aus.
2. Kostenrisiko und Kostenchance sind zwei Seiten einer Medaille. Der Entscheidung des OLG Naumburg ist aufgrund der Umstände des Einzelfalles zuzustimmen.
Hinweis der Redaktion:
Der Beitrag von Herrn Summa, Richter am Oberlandesgericht Koblenz, wurde auf vpr-online erstveröffentlicht.
RiOLG a. D. Hermann Summa war bis Mitte 2019 Richter am Oberlandesgericht Koblenz und einer der wenigen Richter, die seit 1999 ununterbrochen einem Vergabesenat angehörten, weshalb er mit der Entwicklung und Veränderung des Vergaberechts bestens vertraut ist. Bekannt wurde er als Mitherausgeber und -autor des juris PraxisKommentars Vergaberecht, eine Tätigkeit, die er nach wie vor ausübt. Auch im "Unruhestand" bleibt er dem Vergaberecht verbunden. Er ist weiterhin Referent auf Fachveranstaltungen und in der Fortbildung tätig.
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