Bei der Versagung von Sondernutzungserlaubnissen für Altkleidercontainer ist die abfallrechtliche Wettbewerbssituation hinreichend zu berücksichtigen.
Im Bereich der werthaltigen Abfälle (Altpapier, Textilien) bedienen sich Kommunen häufig des Instituts der Dienstleistungskonzession um ein formelles Vergabeverfahren zu vermeiden. Die Erträge für den Konzessionsnehmer werden regelmäßig dadurch gesichert, dass anderen Bewerbern eine Erlaubnis zum Aufstellen ihrer Container untersagt wird. Dies hat das OVG Lüneburg jetzt als ermessensfehlerhaft angesehen.
Art 1 Abs 4 EGRL 18/2004, § 18 Abs 1 StrG ND, § 114 S 2 VwGO
Leitsatz
Die Versagung einer Sondernutzungserlaubnis nach niedersächsischem Landesrecht für das Aufstellen von Alttextilcontainern auf öffentlichen Straßenflächen kann ermessensfehlerhaft sein, wenn sie auf ein der Erlaubniserteilung entgegenstehendes Konzept der „Wertstoffinseln“ aus einer Hand gestützt wird und dieses Konzept Folgewirkungen auf die abfallrechtliche Wettbewerbssituation nicht hinreichend berücksichtigt und auch sonst nicht schlüssig erscheint.
Sachverhalt
Die Landeshauptstadt Hannover beauftragte einen regionalen Zweckverband mit der Durchführung der Abfallsammlungen von Altpapier und Altkleidern. Dazu sollte der Zweckverband an mehreren Stellen Container für die Sammlung aufstellen. Dafür beantragte er für 280 Standorte im Stadtgebiet eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis, welche ihm auch gewährt wurde.
Ein Konkurrent, der ebenfalls in der Sammlung von Alttexitilien tätig ist, hatte ebenfalls eine solche Sondernutzungserlaubnis für 500 Standorte beantragt, welche ihm aber verweigert wurde. Dabei stützte die Beklagte ihren Ablehnungsbescheid vor allem auf ein Konzept, dass die Wertstoffsammlungen „aus einer Hand“ durchgeführt werden sollten. Der Antragstellerin bliebe es unbelassen, ihre Container auf privaten Grundstücken aufzustellen.
Gegen die Versagung der Sondernutzungserlaubnis wandte sich die Klägerin in der ersten Instanz an das Verwaltungsgericht Hannover. Ihrem Antrag auf Erteilung der entsprechenden Erlaubnisse wurde dort jedoch nicht entsprochen, sondern die Klage abgewiesen, da nach Auffassung des entscheidenden Gerichtes keine Ermessensfehler vorlägen. Dagegen wandte sich die Klägerin mit einer Berufung an das OVG Lüneburg.
Die Entscheidung
Das OVG entschied im Sinne der Klägerin. Zwar sei (wie bereits die Vorinstanz bestätigte) kein Ermessensausfall gegeben. Es sei jedoch ermessensfehlerhaft, nicht zu prüfen, ob die marktbeherrschende Stellung, welche dem beigeladenen Zweckverband eingeräumt wird, mit der abfallrechtlichen Zielsetzung des Gesetzgebers vereinbar sei. Der Gesetzgeber geht von dem Konzept aus, dass gewerbliche Abfallsammlungen dem Wettbewerb unterworfen sind und daher allein einer Anzeigepflicht unterliegen. Dieses Konzept darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, indem nur noch ein designierter Leistungserbringer in den Genuss der straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnisse kommt. Dies ist auch bei dem hier vorliegenden Entsorgungskonzept „aus einer Hand“ zu berücksichtigen.
Eher am Rande, weist das OVG darauf hin, dass die Erteilung bzw. Versagung der Sondernutzungserlaubnis wohl als Vergabe einer Dienstleistungskonzession anzusehen sei, welche dann nach den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung erfolgen müsse.
Rechtliche Würdigung
Die Auffassung des OVG Lüneburg überzeugt. Eine pauschale Untersagung von Sondernutzungserlaubnissen in der Abfallentsorgung ist ermessensfehlerhaft, sofern sie nicht die abfallrechtliche Wettbewerbssituation hinreichend berücksichtigt. Dies kann auch nicht ohne weiteres mit einem Entsorgungskonzept begründet werden.
Die beliebte Praxis, bei werthaltigen Abfällen eine Dienstleistungskonzession zu vergeben (siehe hierzu Beitrag des Autors, Vergabeblog.de vom 21/08/2014, Nr. 19664), eine gemeinnützige Organisation mit der Sammlung zu beauftragen und die Konkurrenz über die Versagung der Sondernutzungserlaubnis weitestgehend auszuschließen, wird in diesem Zusammenhang wohl nicht mehr ohne weiteres haltbar sein.
Ob bereits die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis als Vergabe einer Dienstleistungskonzession angesehen werden kann (wie es wohl Auffassung des OVG ist), dürfte strittig sein. Vieles spricht dafür, dass allein die Auftragserteilung an den hier beigeladenen Zweckverband als eine Dienstleistungskonzession einzustufen ist. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, ist dann lediglich eine Voraussetzung, um die erteilte Konzession auch nutzen zu können. Anderenfalls würde der EU-Gesetzgeber mit seiner neuen Konzessionsrichtlinie eher unfreiwillig in das deutsche Straßenrecht hinein regieren.
Praxistipp
Für öffentliche Auftraggeber bzw. ihre Genehmigungsbehörden bedeutet die Entscheidung des OVG Lüneburg, dass es nicht mehr ohne weiteres möglich sein wird, private Anbieter von der Sammlung werthaltiger Abfälle auszuschließen. Auch abfallwirtschaftliche Konzepte wie die „Wertstoffinseln aus einer Hand“ sind vor diesem Hintergrund auf den Prüfstand zu stellen.
Konzessionsnehmer, die in diesem Bereich tätig sind, werden sich auf mehr Konkurrenz einstellen müssen. Zumindest wird nicht mehr zu erwarten sein, dass die Position des Konzessionsnehmers im selben Umfang durch den öffentlichen Auftraggeber geschützt wird, wie es in der Vergangenheit noch der Fall war.
André Siedenberg ist Berater bei der Kommunal Agentur NRW und Rechtsanwalt in Düsseldorf. In dieser Funktion unterstützt er öffentliche Auftraggeber und NGO’s bei verschiedenen vergaberechtlichen Fragestellungen. Nach seinem Referendariat in Würzburg war er zunächst im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen im Referat für Vergaberecht beschäftigt.
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