Alles fließt – besser lassen sich die aktuellen Entwicklungen des Vergaberechts nicht beschreiben. Und was mit Blick auf die neuen EU-Richtlinien für das große Ganze gilt, trifft natürlich auch für den kleineren Bereich der Zuschlagskriterien zu. Damit unseren Lesern mit dieser Beitragsreihe auch weiterhin ein praxisorientierter Leitfaden zur Seite steht, hat unser Autor RA Dr Christian-David Wagner die Serie überarbeitet und um die aktuelle Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex ergänzt.
Rechtsanwalt Dr Christian-David Wagner:
Insbesondere das Gebot der Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien war Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen. Zwei Aspekte waren dabei von besonderer Bedeutung. Zum einen hat sich in der Rechtsprechung die Ansicht verfestigt, dass das Gebot der Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien zum allgemeinen und grundlegenden vergaberechtlichen Wissen gehört (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013 – 13 Verg 8/13; OLG München, Beschluss vom 25.07.2013 – Verg 7/13). Nach einer kürzlich ergangenen Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschluss vom 05.11.2014 – 15 Verg 6/14) sei die Problematik
„zwischenzeitlich so intensiv und wiederholt in Rechtsprechung, Literatur und Bieterkreisen behandelt und thematisiert worden (..), dass sich (jedenfalls) ein durchschnittliches Unternehmen, das nicht völlig unerfahren auf dem maßgeblichen Markt ist und sich für einen größeren öffentlichen Auftrag interessiert, vor diesem Thema nicht verschließen kann“.
Insbesondere habe dies im Anwendungsbereich der EG VOL/A zu gelten, weil hier das Gebot der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien besonders deutlich zu Tage trete (vgl. § 7 EG VOL/A EG einerseits und § 19 Abs. 8 EG VOL/A andererseits).
[Anmerkung der Redaktion: Die Besprechung der Entscheidungs des OLG Karlsruhe zu Vermischung von Eingnungs- und Zuschlagskriterien von
Zum anderen werden in der Rechtsprechung immer mehr Ausnahmen vom Gebot der Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien zugelassen, wie die jüngste Entscheidung des EuGH zeigt. Der EuGH erkennt darin bei intellektuellen Dienstleistungen das Zuschlagskriterium „Bewertung des Teams“ als zulässig an (EuGH, Urteil vom 26.03.2015 – C-601-13). Die Entscheidung des EuGH steht damit in einer Reihe mit den durch die 7. VgV-Novelle eingeführten § 4 Abs.2 VgV. Danach können bei sog. nachrangigen Dienstleistungen Eignungsaspekte als Wertungskriterien Berücksichtigung finden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Eignungsaspekte einen erheblichen Einfluss auf die Qualität der Auftragsausführung haben können.
Ferner wurde die Reihe „Zuschlagskriterien“ auch hinsichtlich anderer Themen aktualisiert und ergänzt. Bespielhaft seien hier die Entscheidungen des OLG Düsseldorf rund um das Zuschlagskriterium „Preis“ genannt, die sich mit der Frage auseinandersetzen, in welchen Fällen der Preis als einziges Zuschlagskriterium dienen kann, und wie die Gewichtung der einzelnen Kriterien in Fällen auszugestalten ist, in denen der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium ausscheidet.
So hat der Vergabesenat des OLG Düsseldorf entschieden, dass nach richtlinienkonformer Auslegung des § 97 Abs. 5 GWB der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium nur zulässig ist, wenn andere Kriterien nicht geeignet sind oder erforderlich erscheinen. Bei (teil-) funktionalen Ausschreibungen sei dies aber gerade nicht der Fall (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2013 – Verg 22/13 m.w.N.). Sollen neben dem Preis zusätzliche Zuschlagskriterien zur Anwendung kommen, ist ferner darauf zu achten, dass den „anderen“ Zuschlagskriterien nicht eine bloße „Alibifunktion“ zukommt. Nach Ansicht des OLG Düsseldorf stellt ein Verhältnis von 90%-10% eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes aus § 97 Abs.5 GWB dar (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2013 – Verg 33/12 und Beschluss vom 27.11.2013 – Verg 20/13; a.A. OLG Koblenz, Beschluss vom 02.10.2012 – 1 Verg 4/12; VK Bund, Beschluss vom 14.01.2014 – VK 2 – 118/13).
Diese und weitere Themen werden unter Zugrundelegung der neuesten Rechtsprechung im jeweiligen Kontext dargestellt:
Teil 1: Auswahl und Gewichtung
Teil 2: Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien
Teil 3: Tiefe des Wertungssystems
Teil 4: Bekanntmachung der Zuschlagskriterien
Teil 5: Nachträgliche Änderungen von Zuschlagskriterien
Dr. Christian-David Wagner ist Rechtsanwalt in Leipzig und Berlin. Er betreut national und international agierende TK-Unternehmen, IT-Dienstleister, aber auch Bauunternehmen sowie öffentliche Auftraggeber.
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