Kritik vor allem an der Gefahr ausufernder vergabefremder Anforderungen durch das geplante Vergaberecht übt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).
Grundsätzlich begrüßt das Hand-werk jedoch die Ziele der Bundesregierung. Diese hat am 8. Juli 2015 den Gesetzentwurf zur Änderung der vergaberechtlichen Bestimmungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) beschlossen. Aufgrund neuer EU-Richtlinien ist eine Anpassung des deutschen Vergaberechts für Vergaben im Oberschwellenbereich bis April 2016 erforderlich geworden. Ergänzend zur Anpassung des GWB steht eine Änderung der Vergabeverordnung aus, die weitere Rechtsänderungen in Umsetzung der E-Richtlinien enthalten wird. Die Vergaberechtsreform – einschließlich der noch ausstehenden neuen Vergabeverordnung – bringt aus Sicht des Handwerks positive Ansätze, die sogar über die jeweiligen europäischen Vorgaben hinausgehen. Zur Effizienzverbesserung tragen die erleichterte Erbringung von Eigenerklärungen und Möglichkeiten zur Heilung kleinerer formaler Fehler im Vergabeprozess bei. Positiv für den Mittelstand ist die Beibehaltung des strikten Grundsatzes der losweisen Vergabe. Schwannecke: „Daher begrüßen wir das grundsätzliche Bekenntnis der Bundesregierung zum Prinzip der Mittelstandsgerechtigkeit im Vergaberecht sowie zum Ziel der Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit und Transparenz.“
Im jetzt beschlossenen Gesetzentwurf führen zahlreiche kritische Rechtsänderungen jedoch gleichzeitig zu einer weiteren Verkomplizierung des Vergaberechts und damit zu wachsenden Barrieren für mittelständische Unternehmen. Vor allem vergabefremde Anforderungen im sozialen und ökologischen Bereich drohen das Vergaberecht mit allgemeinpolitischen Zielen zu überlasten. Schwannecke warnt: „Werden zukünftig bei Vergabeverfahren immer mehr Nachweise und Zertifizierungen verlangt, die kaum noch im Zusammenhang mit dem eigentlichen Auftragszweck stehen, hat das fatale Folgen.“ Bereits heute verzichten gerade kleine und mittelgroße Handwerksbetriebe zunehmend auf die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen. Einziger Grund ist, dass diese Betriebe das komplizierte bürokratische Verfahren nicht stemmen können.
Im Gesetzgebungsverfahren wird sich der ZDH dafür einsetzen, dass das Prinzip des strikten Bezugs jeder Anforderung auf den eigentlichen Auftragsgegenstand noch deutlicher benannt wird. Gefordert wird auch die Klarstellung, dass für die Vergabestellen in Bund, Ländern und Kommunen keinesfalls ein Zwang zur Anwendung weiterer Anforderungen im Vergabeprozess besteht. Schwannecke: „Das Vergaberecht muss sich auf seinen Hauptzweck konzentrieren – die effiziente und wirtschaftliche Beschaffung!“
Positiv ist der durch EU-Recht vorgegebene schrittweise Übergang auf die elektronische Abwicklung des gesamten Vergabeprozesses. Dies kann auch innerhalb der Unternehmen zur Effizienzsteigerung der Geschäftsprozesse und dem Ausbau der Kapazitäten beitragen. Nach Ansicht des ZDH muss dieser Übergang aber behutsam gestaltet wer-den. Schwannecke: „Die Übergangsfristen zur vollelektronischen Vergabe bis Ende 2018 sollten voll ausgeschöpft werden. Es ist ja noch nicht einmal sichergestellt, dass überall ein schneller Internetanschluss zur Verfügung steht.“
Quelle: ZDH
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