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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 26/11/2015 Nr. 24090

Grundsatzentscheidung zur Aufklärungspflicht von Angeboten (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.10.2015 – VII-Verg 35/15)

EntscheidungAm 21.10.2015 konnte eine wichtige Grundsatzentscheidung zur Frage von Aufklärungspflichten in der Angebotswertung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erstritten werden.

 

Sachverhalt

Bei der Ausschreibung zum Neubau der A 30 in NRW mussten die Bieter wie üblich mit dem Angebot eine Liste einreichen, aus der sich ergab, welche Positionen durch Nachunternehmer ausgeführt werden sollen. Von dem mindestfordernden Bieter forderte die Vergabestelle sodann die Namen der vorgesehen Nachunternehmer sowie deren Verpflichtungserklärungen an. Bei einer Ordnungszahl (OZ) aus dem Nachunternehmerverzeichnis (betreffend Planungsleistungen für ein Traggerüst) vermerkte der Bieter auf der von ihm sodann eingereichten Nachunternehmerliste „Eigenleistung, keine NU-Leistung“ und gab somit keinen Nachunternehmer an.

Die Vergabestelle schloss den Bieter daraufhin vom Wettbewerb mit seinem Angebot aus, weil er widersprüchliche Angaben gemacht habe und nicht im laufenden Vergabeverfahren ursprünglich zur Ausführung durch Nachunternehmer vorgesehene Leistungen nun in Eigenleistungen umwandeln könne. Zu Unrecht! Gegen den Ausschluss ging der betroffene Bieter erfolgreich vor. Der Auftraggeber hätte diese Frage aufklären müssen.

Die Entscheidung

Nach OLG Düsseldorf kommt es zunächst darauf an, ob die fraglichen Unterlagen vom Bieter bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Nur dann stellt eine Anforderung des Auftraggebers eine „Nachforderung“ im Sinne von § 16 EG Abs. 3 VOB/A dar, d.h. nachgeforderte Unterlagen sind binnen sechs Kalendertagen nach Aufforderung vorzulegen; ansonsten wird das Angebot ausgeschlossen. Alle anderen Unterlagen, die ein Auftraggeber nach Submission im weiteren Verlauf der Angebotsprüfung und -wertung anfordert ohne dass sie schon mit dem Angebot einzureichen waren, werden nicht im Sinne von § 16 VOB/A nachgefordert. Vorliegend war nur eine Liste der Nachunternehmerleistungen schon mit dem Angebot einzureichen, nicht aber deren Namen und Verpflichtungserklärungen. Werden diese Angaben erst zu einem späteren Zeitpunkt vom Auftraggeber angefordert, ist das somit keine Nachforderung im Sinne von § 16 EG VOB/A. Namen der Nachunternehmer und Verpflichtungserklärungen haben auch in dem Angebot gar nicht gefehlt, weil sie noch nicht vorzulegen waren.

Entstehen nun durch später eingereichte Unterlagen Widersprüche zum Angebot, kann nicht sofort ein Ausschluss dieses Angebots erfolgen. Vielmehr „ist der öffentliche Auftraggeber, weil er wegen eines Widerspruchs einen Angebotsausschluss nicht sofort vornehmen darf, praktisch zu einer Aufklärung verpflichtet“. Er hat klar und eindeutig erkennbar eine schriftliche Aufklärung nach § 15 VOB/A – EG durchzuführen.

Im vorliegenden Falle vergaß der Sachbearbeiter des Bieters, der die spätere Nachunternehmernamenserklärung entworfen hatte, versehentlich einen Abgleich mit dem mit dem Angebot eingereichten Nachunternehmerverzeichnis, so dass die falsche Angabe abgeschickt wurde. Nach dieser Erklärung im Verfahren hielt das Gericht den Fehler für ausreichend aufgeklärt mit der Folge, dass ein Ausschluss des Angebots nicht in Betracht kam.

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Praxistipp

Für die Weitere Praxis wird abzuwarten sein, welche Anforderungen an die Erklärung solcher Versehen gestellt werden. Eigentlich kann es gar nicht darauf ankommen, wie genau ein Bieter erklärt, dass es zu einer Panne in seinem Verantwortungsbereich gekommen ist. Wichtig ist nur, dass eine versehentlich eingereichte Unterlage, die in Widerspruch zum Angebot steht, im Rahmen einer verpflichtend durchzuführenden Aufklärung zutreffend korrigiert wird.

Hinweis der Redaktion
Die besprochene Entscheidung wurde von der Kanzlei LEINEMANN & PARTNER für den Antragsteller und Beschwerdeführer vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erstritten.

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Prof. Dr. Ralf Leinemann

Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Leinemann, Fachanwalt für Vergaberecht sowie für Bau- und Architektenrecht, ist Seniorpartner der auf Vergabe- und Baurecht spezialisierten Sozietät LEINEMANN & PARTNER RECHTSANWÄLTE mbB. Ralf Leinemann ist in der Beratung wie Prozessführung sehr aktiv und begleitet viele bekannte Projekte, wie ÖPP-Autobahnen, Bahnstrecken, Autobahnbürcken, Häfen und U-Bahnen. Er ist Honorarprofessor für Bau- und Vergaberecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin und (Mit-)Herausgeber u.a. der Fachzeitschriften VergabeNews, und NZBau. Seine Bücher „Die Vergabe öffentlicher Aufträge“, „BGB-Bauvertragsrecht Kommentar“ und „VOB/B-Kommentar mit FIDIC Conditions“ zählen zu den Standardwerken im Vergabe- und Baurecht.

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