Am 31.08.2016 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) den Diskussionsentwurf einer Unterschwellenvergabeordnung veröffentlicht, die den 1. Abschnitt der VOL/A ablösen soll. Lesen Sie im zweiten Teil dieses Beitrags, welche Neuerungen sie für Bekanntmachungen und den Versand der Vergabeunterlagen, Eignungs- und Zuschlagskriterien und die e-Vergabe bringt. „Das Wichtigste zur neuen Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) – Teil 1/2“ finden Sie hier.
6. Bekanntmachung und Vergabeunterlagen
Abweichend von § 12 Abs. 1 VOL/A sollen Aufträge gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 UVgO künftig auf Internetportalen oder Internetseiten des Auftraggebers bekannt gemacht werden müssen. Die schon bisher genannten Veröffentlichungsmedien, namentlich Tageszeitungen, amtliche Veröffentlichungsblätter und Fachzeitschriften dürfen zusätzlich genutzt werden.
Nach § 28 Abs. 1 S. 2 UVgO „sollen“ Auftragsbekanntmachungen auf Internetportalen oder Internetseiten des Auftraggebers dagegen nur noch zentral über die Suchfunktion des Internetportals www.bund.de ermittelt werden können. Nach § 12 Abs. 1 S. 2 VOL/A ist dies für Internetportale verpflichtend. Eine Definition des Internetportals vermisst man auch in der UVgO. Allerdings wird man hierzu auf Anhang IV der VOL/A zurückgreifen können. Unter Abschnitt III., in der dortigen Anmerkung zu § 12 Abs. 1 werden diese näher umschrieben.
Die Vergabeunterlagen müssen nach § 29 Abs. 1 UVgO künftig unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt elektronisch abrufbar sein. Auch insoweit zieht das nationale Vergaberecht mit dem europäischen gleich (§ 41 Abs. 1 VgV). Der Gedanke der Unentgeltlichkeit scheint dem BMWi dabei besonders wichtig zu sein, denn in § 29 Abs. 3 wird nochmals betont, dass die Vergabeunterlagen, sofern keine elektronischen Mittel zum Einsatz kommen, auch unentgeltlich zu versenden sind. § 29 Abs. 3 UVgO ermöglicht Auftraggebern, unter Berufung auf den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen den freien Zugang zu den Vergabeunterlagen zu beschränken. Denkbar wäre etwa, dass Bieter zunächst eine Verschwiegenheitserklärung abgeben, bevor sie die Vergabeunterlagen erhalten (Vgl. § 3 Abs. 3 UVgO).
7. Eignung
Wegen der Eignungsanforderungen an Bieter verweist § 31 Abs. 1 UVgO auf §§ 123, 124 GWB und die dort genannten fakultativen und zwingenden Ausschlussgründe. Auch die Grundsätze der Selbstreinigung nach § 125 GWB sollen entsprechend gelten.
Ebenso soll das Institut der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung in das nationale Vergaberecht übernommen werden. Unklar bleibt, ob öffentliche Auftraggeber eine solche immer akzeptieren müssen, oder nur, wenn sie deren Vorlage nach § 35 Abs. 3 S. 1 UVgO verlangen (vgl. insoweit § 48 Abs. 3 VgV).
Falls sich ein Bewerber oder Bieter zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit auf die Kapazitäten Dritter beruft (sog. „Eignungsleihe“), sollen Auftraggeber nach § 34 Abs. 3 UVgO anordnen dürfen, dass die Beteiligten entsprechend dem Umfang der Eignungsleihe gesamtschuldnerisch für die Auftragsausführung haften.
Nach § 31 Abs. 4 UVgO sollen Auftraggeber bei Öffentlichen Ausschreibungen entscheiden dürfen, ob sie die Angebotsprüfung vor der Eignungsprüfung durchführen. Anders als im EU-Vergaberecht (§ 42 Abs.3 VgV) ist dies allerdings keine Neuheit. Vielmehr wird in Abschnitt III. des Anhangs IV zur noch geltenden VOL/A zu § 16 Abs. 1 erläutert, dass aus der Anordnung der Absätze des § 16 VOL/A keine verbindliche Prüfungs- und Wertungsreihenfolge abzuleiten ist.
Ersatzlos weggefallen ist die bisher in § 8 Abs. 3 VOL/A geforderte abschließende Nachweisliste, ohne dass hierfür ein einleuchtender Grund ersichtlich wäre. Das Institut hat sich bewährt und war Bietern eine willkommene Hilfe im Dickicht der Vergabeunterlagen. Zudem hatte das OLG Düsseldorf die Auswirkungen eines Fehlens der Nachweisliste zuletzt deutlich abgeschwächt (17.07.2013, VII-Verg 10/13). Der Wegfall kann sicher nicht mit den erweiterten Nachforderungsmöglichkeiten begründet werden, die Auftraggeber nach § 41 Abs. 1 UVgO haben sollen. Zwar sollen sie hiernach, anders als nach § 16 Abs. 2 VOL/A, nicht nur fehlende, sondern auch unvollständige und fehlerhafte Unterlagen (bisher „Erklärungen und Nachweise“) nachfordern dürfen. Nach § 41 Abs. 2 S. 2 UVgO sollen sie aber auch die Möglichkeit haben, die Nachforderung fehlender Unterlagen von vornherein auszuschließen. Die entgegenstehende Rechtsprechung der VK Bund ist damit hinfällig (05.03.2015, VK 2-13/15). Diese Regelung darf zu Recht als verunglückt bezeichnet werden: Angesichts der Entwicklungen der letzten zehn Jahre (VOL/A 2006: jedes Fehlen von Unterlagen führt zum zwingenden Ausschluss → VOL/A 2009: abschließende Nachweisliste wird Pflicht und Auftraggeber haben erstmals Nachforderungsmöglichkeit → 2014: EU-Richtlinien geben Unterscheidung zwischen fehlenden und ehlerhaften Unterlagen auf) ist völlig unverständlich, weshalb es in die Hände des Auftraggebers gelegt werden soll, über diese bieterschützenden Vorschriften zu verfügen. Dabei weiß jeder Auftraggeber, der schon einmal ein gutes, erstplatziertes Angebot aus formalen Gründen ausschließen musste, wie ärgerlich dies sein kann. Auftraggebern kann deshalb nur geraten werden, nicht vorschnell von § 41 Abs. 2 S. 2 UVgO Gebrauch zu machen, da sie an die einmalige Festlegung gebunden sind. Immerhin soll der Vorrang der Eigenerklärung nach § 35 Abs. 2 UVgO erhalten bleiben.
8. Zuschlagskriterien
Nach § 43 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 UVgO sollen Auftraggeber künftig auch die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals bewerten dürfen, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Diese schon 2013 mit der 7. VgV-Novelle für nachrangige Dienstleistungen eingeführte Aufgabe der strikten Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien entspricht § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VgV und geht auf Art. 67 Abs. 2 S. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU zurück.
Eine begrüßenswerte Neuerung enthält § 43 Abs. 6 UVgO. Danach muss künftig, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch in nationalen Vergabeverfahren die Gewichtung der Zuschlagskriterien angegeben werden. Eigentlich handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit und Auftraggeber versperren selbst den Weg zu bestmöglich auf ihren Bedarf zugeschnittenen Angeboten, wenn sie hiervon absehen. Schwer nachvollziehbar ist deshalb auch die aktuelle Entscheidung des BGH (10.05.2016, X ZR 66/15), wonach Auftraggeber bei Unterschwellenvergaben die Wertungskriterien nicht bekanntgeben müssen, wenn für die Bieter „auf der Hand“ liegt, welche der im Gesetz genannten Wertungskriterien „nach den gesamten Umständen insbesondere nach Art des zu beschaffenden Gegenstands in Betracht kommen“ (sic!). Für Vergabeverfahren, die der künftigen UVgO unterliegen, dürfte die Entscheidung glücklicherweise weitgehend überholt sein.
9. Form der Angebote und e-Vergabe
In welcher Form Bieter ihre Angebote einreichen müssen, regelt § 38 UVgO. Schrittweise soll dabei auf die e-Vergabe umgestellt werden. Ab 01.01.2019 sollen Auftraggeber die elektronische Angebotsabgabe zulassen, auch wenn sie vorgeben, dass die Angebote auf anderem Weg (postalisch, Fax) eingereicht werden sollen. Ab 01.01.2021 sollen Angebote dann ausschließlich elektronisch eingereicht werden dürfen.
§ 38 Abs. 4 regelt Fälle, in denen Auftraggeber – auch nach dem 01.01.2021 – von einer elektronischen Angebotsabgabe absehen dürfen. Dies betrifft Auftragsvergaben mit einem Wert bis 25.000 Euro und im Wege von Beschränkten Ausschreibungen oder Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb. Weshalb gerade in diesen Fällen die elektronische Kommunikation verzichtbar sein soll, will nicht recht einleuchten. Schließlich dürfte die e-Vergabe, wenn die Übergangszeit abgeschlossen und die Umstellung erfolgt ist, eher einfacher sein und auch eine schnellere Abwicklung erlauben.
10. Besondere Regelungen
Für soziale und andere besondere Dienstleistungen enthält § 49 UVgO einige Besonderheiten. Danach dürfen Auftraggeber frei zwischen der Öffentlichen Ausschreibung sowie der Beschränkten Ausschreibung und der Verhandlungsvergabe mit Teilnahmewettbewerb wählen. Bei der Vergabe von Dienstleistungen nach SGB II und III dürfen sie zudem Eingliederungs- und Abbruchquoten und erreichte Bildungsabschlüsse bewerten.
Für verteidigungs- und sicherheitsspezifische Aufträge enthält § 50 UVgO einige Besonderheiten. Danach dürfen öffentliche Auftraggeber zwischen allen Verfahrensarten wählen. Bei der Verhandlungsvergabe dürfen sie sogar in allen Fällen des § 8 Abs. 4 auf einen Teilnahmewettbewerb verzichten. Für Verschlusssachenaufträge wird § 7 VSVgV für entsprechend anwendbar erklärt.
§ 51 räumt Auslandsdienststellen – im Wesentlichen die Vertretungen des Auswärtigen Amts, aber auch staatliche Bildungsinstitute mit im Ausland ansässigen Dienststellen – einige Erleichterungen in Bezug auf Publikations- und Formvorschriften ein. Schließlich stehen ihnen sämtliche Verfahrensarten nach ihrer freien Wahl zur Verfügung.
Fazit
Die UVgO regelt Einiges neu und Manches klarer. Den großen Wurf bringt sie nach der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien nicht mehr mit sich. Hauptsächliches Ziel ist daher die Angleichung des nationalen (Bundes-)Vergaberechts an die EU-Vorschriften. Zudem werden Auftraggebern, vor allen Dingen bei der Verfahrenswahl, mehr Freiheiten eingeräumt. Aus diesen Gründen ist nicht mit allzu großem Wiederstand gegen die UVgO zu rechnen und es darf vermutet werden, dass diese, wenn überhaupt, nur mit geringen Änderungen planmäßig gegen Ende des 1. Quartals 2017 in Kraft tritt. Spannend wird sein, ob und wie viele Bundesländer die UVgO durch entsprechende Verweise auch in ihr Landesrecht übernehmen. Ungeachtet berechtigter Kritikpunkte wäre es dem heillos zersplitterten nationalen Vergaberecht nur zu wünschen!
Anmerkung der Redaktion
Im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) wurde zur Veröffentlichung des Diskussionsentwurf der Fachausschuss „Entwurf UVgO“ eingerichtet. Hier soll der Entwurf im Ganzen als auch einzelne Regelungen daraus erörtert und diskutiert werden. Wir freuen uns auf für Ihre rege Beteiligung!
Dr. Daniel Soudry, LL.M.
Herr Dr. Daniel Soudry ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät SOUDRY & SOUDRY Rechtsanwälte (Berlin). Herr Soudry berät bundesweit öffentliche Auftraggeber und Unternehmen bei Ausschreibungen, in vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im Öffentlichen Wirtschaftsrecht. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in wissenschaftlichen Fachmedien zu vergaberechtlichen Themen und tritt als Referent in Fachseminaren auf.
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