Diesen Titel trägt ein kürzlich erschienener Aufsatz von Dr. jur. Horst Greiffenhagen, Herausgeber des Loseblattwerkes Michaelis/Rhösa, Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen. Der Aufsatz ist beim Bundesverband der Preisprüfer und Wirtschaftssachverständigen e.V. erschienen und bezieht sich im Untertitel auf die „Anmerkungen zum Urteil des Bundesverwaltunsgerichts vom 13. April 2016 – 8 C 2.15 – zur Marktpreisbildung bei öffentlichen Aufträgen“, Vergabeblog.de vom 17/07/2016, Nr. 26634.
Hintergrund
Wir erinnern uns: die zentrale Entscheidung des Gerichts war, dass ein Marktpreis auch bei einem Nachfragemonopol der öffentlichen Hand festzustellen sein kann, sofern die geforderte Leistung marktgängig ist und der Anbieter den Preis dafür im Wettbewerb mit anderen Anbietern gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber durchgesetzt hat. Wir berichteten im Vergabeblog darüber – nachzulesen hier
In Bezug auf diese Entscheidung merkt Dr. Greiffenhagen zurecht an, dass das Gericht damit die bereits in Nr. 5a) des Ersten Runderlasses betreffend die Durchführung der Verordnung PR Nr. 30/53 getroffene Regelung bestätigt, dass eine Leistung, die sogar nur der Deckung des Bedarfs eines öffentlichen Auftraggebers dient, eine marktgängige Leistung sein kann.
„Befreiung“ des verkehrsüblichen Preises
Wo das Gericht einerseits zutreffend davon ausgehe, dass der Wettbewerb die Voraussetzung für die Bildung eines verkehrsüblichen Preises für eine marktgängige Leistung sein muss, führt es andererseits jedoch auch aus, dass bei einem unvollkommenen Markt als verkehrsüblicher Preis i.S. des § 4 Abs. 1 der VO nur der betriebssubjektive Marktpreis des betreffenden Bieters in Betracht kommt. Diese Feststellung wird in dem vorliegenden Aufsatz jedoch hinterfragt, denn es werde mit keinem Wort auf die vom Bundesminister für Wirtschaft und vom Bundesminister der Finanzen erlassenen Richtlinien von 1955 zur Anwendung der Preisverordnung eingegangen. Dort wird in Nr. 18b) der Marktpreis als der im Verkehr übliche Preis bezeichnet und der verkehrsübliche Preis wiederum als „eine Mehrzahl verschiedener, am Markt wiederholt gezahlter Preise“ umschrieben. Der Verordnungsgeber habe auch nicht die Worte „die im Betrieb des Auftragnehmers üblichen Preise“, sondern „die im Verkehr üblichen Preise“ gewählt.
Eine Verengung des verkehrsüblichen Preises auf den betriebssubjektiven Marktpreis sei dann erst mit der 1. Auflage des Kommentars von Ebisch/Gottschalk über „Preise und Preisprüfungen“ erfolgt.
Vor dem Hintergrund der o.g. Richtlinien von 1955 müssten die Begriffe „Mehrzahl verschiedener Preise“ und „wiederholt“ näher konkretisiert werden. Dazu schreibt Dr. Greiffenhagen:
– Eine Mehrzahl verschiedener Preise kann nicht nur von einem einzigen Auftragnehmer, sondern kann vielmehr von mehreren Auftragnehmern herbeigeführt werden. Ein Markt setzt begriffsnotwendig das Tätigwerden mehrerer Teilnehmer voraus. Wenn mehrere Teilnehmer dieselbe marktgängige Leistung umsetzen, bilden sich in praxi mehrere Preise heraus. Dann muss der verkehrsübliche Preis auch die durch diese Umsätze gebildeten Preise in ihrer Gesamtheit umfassen; dann kann nicht jeweils der Preis eines einzelnen Auftragnehmers als Bezugspunkt herausgegriffen werden. Der verkehrsübliche Preis ist daher ein Preisband, das aus verschiedenen Preisen gebildet wird. Dieses Preisband ist, dem Höchstpreischarakter der Verordnung entsprechend, nach oben begrenzt.
– Eine Wiederholung knüpft sprachlich an ein Tätigwerden an. Sie kann sich daher nur auf Umsatzakte, nicht aber auf Personen beziehen. Sie fragt nicht danach, wer die Umsatzakte herbeigeführt hat, sondern danach, bei wie vielen Akten sie stattfindet.
Preisband statt betriebssubjektiver Preis
Die erwähnten Begriffsunterschiedlichkeiten sprächen für die weite Auslegung der Begriffe und gegen die Auslegung des verkehrsüblichen Preises als betriebssubjektiven Marktpreis. Preise, die sich dann innerhalb eines Preisbandes bewegen, könnten auch nicht als gegen die Preisstabilität gerichtet angesehen werden, nachdem sie zuvor nach den Grundsätzen der VOL/A gebildet worden sind.
Die Anerkennung eines Preisbandes – also von Preisen auch anderer Auftragnehmer auf dem Markt – würde auch die vom Gericht erkannte Problematik beim Fehlen von Vergleichsaufträgen bei neuen Anbietern (z.B. Start-up-Unternehmen) leichter lösen. Man bräuchte nicht überlegen, ob für die Beurteilung des Marktpreises bei einer nachträglichen Preisprüfung auch nachfolgende Umsätze als Vergleichsaufträge herangezogen werden könnten. Das Gericht hatte dies entsprechend ausgeführt – Dr. Greiffenhagen sieht das jedoch problematisch, da Veränderungen nach Vertragsabschluss den ursprünglichen Preistyp unberührt lassen müssten. Zumindest müsse in solchen Fällen gefordert werden, dass der dem ersten Auftrag folgende nächste Auftrag noch während der Laufzeit des ersten Vertrages vereinbart wird.
Den gesamten Aufsatz zum Nachlesen finden Sie hier.
Einschätzung
Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Argumentation von Dr. Greiffenhagen in die Novellierung des Preisrechtes Eingang finden könnte. Aktuell sieht jedenfalls die Preisprüfungspraxis noch keine „Befreiung“ vom betriebssubjektiven Denken vor.
Michael Singer
Michael Singer beschäftigt sich seit 1988 ausführlich mit der Thematik „Öffentliches Preisrecht und Preisprüfungen“. Er veranstaltet praxisorientierte Seminare zum öffentlichen Preisrecht und berät Unternehmen vor Preisprüfungen und auf dem Weg zu prüfsicheren öffentlichen Aufträgen (https://www.singer-preispruefung.de). Außerdem ist er Mitveranstalter des Deutschen Preisrechtstags, tritt als Referent bei Tagungen und Fachseminaren auf und veröffentlicht regelmäßig einschlägige Fachbeiträge.
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