Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Mai 2017 ein Urteil zu den Vorlagefragen der polnischen Nationalen Beschwerdekammer (Krajowa Izba Odwoławcza) erlassen. Obwohl das Urteil in der Rechtssache C-387/14 auf der Grundlage der nicht mehr geltenden Richtlinien aus dem Jahr 2004 erlassen wurde, bezieht es sich auf die Fragen, die auch aufgrund der derzeit in Polen geltenden Vorschriften wesentlich bleiben.
Die Entscheidung richtet sich an Unternehmen, die sich im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen um Aufträge in Polen bemühen und sich dabei auf die Ressourcen anderer Unternehmen stützen möchten oder sich zusammen mit anderen Unternehmen bewerben, um die Eignungskriterien zu erfüllen.
Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen
Der EuGH statuiert, dass die Abgabe von Unterlagen, die im ursprünglichen Angebot nicht enthalten waren, nach Ablauf der Bewerbungsfrist unzulässig ist. Dies umfasst beispielsweise die Verpflichtung eines Drittunternehmers, dem Auftragnehmer die zur Auftragsdurchführung erforderlichen Mittel und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, soweit dies tatsächlich ein neues Angebot oder eine wesentliche Modifizierung darstellt. Hat der Unternehmer erklärt, die Eignungskriterien selbst zu erfüllen, darf er diese Erklärung nach Abgabe der Bewerbung nicht ändern. Er darf dann auch keine Unterlagen mehr vorlegen, aus denen folgt, dass er beabsichtigt, sich der Ressourcen anderer zu bedienen.
Nach Angebotsabgabe darf der Bewerber – was explizit in polnischen Vorschriften steht – lediglich benannte Drittunternehmen wechseln oder nachweisen, dass er selbst die Eignungskriterien erfüllt.
Inanspruchnahme der Kapazitäten der sog. Konsortien
Bislang konnten sich Auftragnehmer, die Mitglieder eines Konsortiums waren, auf die in den Konsortien vorhandene Erfahrung berufen. Dies galt unabhängig von ihrer tatsächlichen Beteiligung. Beinhaltete der Auftrag beispielsweise Straßenbau- und Brückenbauarbeiten, konnten beide Mitglieder des Konsortiums für künftige Aufträge sowohl hinsichtlich der Straßenbau- als auch hinsichtlich der Brückenbauarbeiten Erfahrungen vorweisen, unabhängig davon, ob sie diese Arbeiten selbst ausgeführt haben. Dieser Umstand resultierte aus dem im polnischen Recht geltenden Grundsatz der solidarischen Haftung für die Erfüllung eines öffentlichen Auftrags.
Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass der Einzelauftragnehmer sich nicht auf die Erfahrung des Konsortiums berufen kann, wenn er innerhalb eines anderen öffentlichen Auftrags an der Ausführung selbst nicht tatsächlich und konkret beteiligt war.
Diese Auffassung des Gerichts begründet die Notwendigkeit zur Überprüfung tatsächlicher Fähigkeiten des Unternehmers zum Zeitpunkt der Abgabe von Angeboten. Die Nationale Beschwerdekammer hat sich dazu noch nicht geäußert.
Praxistipp: Bewerber in Polen sollten damit rechnen, dass Auftraggebern anders als bisher darauf achten und überprüfen werden, ob im Rahmen früherer Aufträge tatsächliche Erfahrungen gesammelt wurden. Als nicht ausreichend könnten dabei Informationen lediglich zur prozentualen Beteiligung an der Auftragsdurchführung angesehen werden. Bei der Bildung der Konsortien und der Berufung auf Ressourcen anderer Unternehmen, sollten die vorgenannten Änderungen des polnischen Vergaberechts im Lichte der EuGH-Rechtsprechung besondere Beachtung finden.
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