Wie bereits berichtet (siehe Vergabeblog.de vom 26/02/2018, Nr. 35764), wurden die neuen Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand zur Beschaffung von IT-Dienstleistungen (EVB-IT Dienstleistung) Anfang Februar 2018 durch das Bundesministerium des Innern (BMI) veröffentlicht. Dieser Beitrag soll einen ersten Überblick über die wesentlichen Neuerungen der EVB-IT Dienstleistung geben, welche bei dem Vortrag des Autors auf dem kommenden 3. Vergabetag am 26. April 2018 dann vertieft werden.
Zunächst ist hervorzuheben, dass sich der Anwendungsbereich gegenüber den alten EVB-IT Dienstleistung deutlich erweitert hat und den Bedürfnissen aus der Beschaffungspraxis folgt. Nunmehr sind über die Vereinbarung einer einmalig zu erbringenden Dienstleistung hinaus auch Vereinbarungen über Dauerschuldverhältnisse (vgl. Ziff. 15 der AGB und Nr. 3 im Vertragsmuster) und von Abrufkontingenten (Nr. 3.4 im Vertragsmuster) möglich, soweit dies im Einzelfall vergaberechtlich zulässig ist.
Auch in den EVB-IT Dienstleistung hat eine Klausel zum Einsatz von Produkten für automatisierte Verfahren und die sog. technische No-Spy-Klausel (Ziff. 1.5, 1.6 der AGB) Einzug gefunden. Die erstere ist uns bereits aus Ziff. 1.7 der EVB-IT Service wohl bekannt, die zweitere findet sich in allen novellierten EVB-IT Basisverträgen. Insbesondere die technische No-Spy-Klausel soll den gewachsenen Bedürfnissen an die IT-Sicherheit und die Vertraulichkeit Rechnung tragen. Die darin aufgezählten Anforderungen sind als zu gewährleistende vertraglich vereinbarte Eigenschaften ausgestaltet und erstrecken sich nicht auf sämtliche unter dem EVB-IT Dienstvertrag erbrachte Leistungen, sondern nur auf solche, die der Auftragnehmer an Hard- und/oder an Software erbringt. Solche Leistungen dürfen weder die Integrität, Vertraulichkeit und Verfügbarkeit der ITK-Infrastruktur gefährden, noch den Vertraulichkeits- oder Sicherheitsinteressen des Auftraggebers zuwiderlaufen. Zur weiteren Erläuterung ist auf die vom BMI veröffentlichte Handreichung zur technischen No-Spy-Klausel zu verweisen.
Tipp: Die neuen EVB-IT Dienstleistung werden auf dem 3. IT-Vergabetag vom Autor vorgestellt!
Rechtsanwalt Thomas Fischer, Fachanwalt für IT-Recht und Mitglied in der EVB-IT Verhandlungsgruppe, wird am 26. April 2018 um 09:15 Uhr zum Thema Vertragsgestaltung bei der IT-Beschaffung – neue EVB-IT Dienstleistung referieren.
Eine weitere Neuerung sind die Regelungen zum Ausschluss von Arbeitnehmerüberlassung und Scheinselbständigkeit (Ziff. 2 der AGB). Beide Parteien trifft demnach die Verantwortung, durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keine unzulässigen Weisungen oder eine ungewollte Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers erfolgen.
Immer strittig ist der Umfang der Rechtseinräumung. Die Verhandlungspartner einigten sich, dass weiterhin grundsätzlich nur nicht-ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt werden (Ziff. 3 der AGB, Nr. 9 im Vertrag). Neu hinzugekommen – auch gegenüber den verschiedenen System EVB-IT – sind die Aspekte der nunmehr eingeräumten Rechte zur Weiterübertragung und Unterlizenzierung. Nach dem von den Verhandlungspartnern verfolgten Zweck soll damit lediglich dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die zunehmenden sog. zentralen Beschaffungsstellen (wie z.B. die Dataport) verstärkt für mehrere öffentliche Auftraggeber Dienstleistungen beschaffen und dabei den Kreis der späteren Nutzer nicht immer vorab schon abschließend bestimmen können. Auch üben solche zentralen Beschaffungsstellen immer häufiger eine gewerbliche Tätigkeit aus, wenn auch mit festgelegten Zweck. Damit es dabei nicht zu einer Verdrängung von privatwirtschaftlichen Anbietern kommt, konnte letztlich der Kompromiss gefunden werden, dass eine Unterlizenzierung entweder für nicht gewerbliche Zwecke oder bei gewerblichen Zwecken nur an die in §§ 99 bis 101 GWB definierten öffentlichen Auftraggeber möglich ist.
Ferner wurde auch das Haftungskonzept insgesamt an die EVB-IT Systemverträge und die bereits novellierten EVB-IT Basisverträge angepasst. Die neuen Haftungsregelungen der EVB-IT Dienstleistung sind demnach bereits gut bekannt.
Thomas Fischer ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Waldeck Rechtsanwälte in Frankfurt am Main. Seit vielen Jahren begleitet Thomas Fischer Vergabeverfahren im IT-Umfeld sowie komplexe Outsourcing-Projekte. Er berät den Branchenverband BITKOM bei den Verhandlungen zur Ausgestaltung der EVB-IT Verträge. 2017 wurde er vom Handelsblatt zu einem der besten Rechtsanwälte im Bereich IT Recht gekürt. Im WHO’S WHO LEGAL, dem offiziellen Research Partner der International Bar Association, wurde er als „einer der führenden Experten unter den Vergaberechtsanwälten“ für Deutschland aufgenommen.
Mittlerweile ist der Anwendungsbefehl für die EVB-IT durch die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO)“, Anlage zum BMF-Rundschreiben
vom 25. April 2018 II A 3 – H 1012-6/17/10001 :003 ergangen.