Der Verkehrsausschuss hat sich am Montag bei einer öffentlichen Expertenanhörung mit dem Bahnprojekt „Stuttgart 21“ befasst. Dabei sprach sich insbesondere Hannes Rockenbauch vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 für einen von der Linksfraktion vorgelegten Antrag (19/480) aus, in dem ein Abbruch des Baus eines neuen unterirdischen Durchgangsbahnhofes zugunsten des Umbaus des existierenden Kopfbahnhofes gefordert wird (Umstieg 21).
„Stuttgart 21“ sei in hohem Maße unwirtschaftlich, führt die Linksfraktion zur Begründung ihrer Initiative an. Dies sei inzwischen durch mehrere Gutachten – unter anderem durch den Bundesrechnungshof – nachgewiesen worden. Das Projekt bringe die DB AG in eine gefährliche finanzielle Schieflage, belaste die Bundesfinanzen und gefährde dadurch wirklich wichtige Schienenprojekte. Außerdem würde nach Aussage der Parlamentarier „Stuttgart 21“ mit seiner Fertigstellung einen neuen Engpass im Bahnnetz schaffen. Zudem seien viele essentielle Sicherheitsfragen des Bahnprojekts nach wie vor nicht geklärt. „Ein Weiterbau ist daher nicht zu vertreten“, urteilt die Fraktion.
Rockenbauch plädierte für den Ausstieg aus dem Projekt. „Wir haben schließlich einen funktionierenden Kopfbahnhof“, sagte er. Außerdem sehe der Umstiegsplan vor, bisher fertiggestellte oder geplante Teile des Gesamtprojektes einzubinden, etwa die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm. Ein Aus- und Umstieg sei günstiger als ein Weiterbau, betonte Rockenbauch und übte Kritik an der von Seiten der Deutschen Bahn AG (DB AG) angeführten Kosten für den Ausstieg in Höhe von sieben Milliarden Euro. Diese Zahl habe nur den Zweck, das Nachdenken über dringend benötigte Alternativen zu beenden.
Thomas Bopp vom Verband Region Stuttgart sprach sich hingegen für die Fortführung des Projektes aus. Es gehe hier nicht nur um ein reines Fernbahnprojekt. Für die Nachverkehrsangebote der wachsenden Region Stuttgart, in der mehr als die Hälfte der Menschen aus Baden-Württemberg wohnen würden, sei ein Kopfbahnhof nicht geeignet, befand er. Auch Manfred Leger, Geschäftsführer der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, sprach sich für die Fortführung des Projektes aus. Das Projekt sei weit fortgeschritten, sagte er. Von den 59 Kilometer Tunnelröhren für Stuttgart 21 seien inzwischen 40 Kilometer erfolgreich vorgetrieben – mehr als zwei Drittel. Bei der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm seien es 47 von 61 Kilometer – mehr als drei Viertel. Die vertraglich gebundenen Leistungen für das Gesamtprojekt hätten Ende 2017 bei sechs Milliarden Euro gelegen.
„Keine Alternative“ zum Weiterbau sieht auch Professor Ullrich Martin, Direktor des Instituts für Eisenbahn- und Verkehrswesen an der Universität Stuttgart. Die ihm bekannten Alternativen stellten kein schlüssiges Konzept dar und seien vielmehr eine Ansammlung von Varianten, die nicht untereinander kompatibel seien. Mit Blick auf die wachsende Region und dem sich daraus ergebenden Druck auf den Nahverkehr stelle ein Kopfbahnhof keine Lösung dar.
Kritik an der Planung und Umsetzung von Stuttgart 21 übte Matthias Lieb vom Verkehrsclub Deutschland Baden-Württemberg. So seien etwa die Engpassanalysen „methodisch unzureichend“. Es gebe versteckte Engpässe, „die nicht aufgezeigt werden sollen, weil sich sonst zeigen würde, dass der neue Bahnhof zu klein ist“ sagte er. Dennoch sei ein Baustopp nicht realistisch, so Lieb. Ein unverändertes „Weiter so“ dürfe es aber auch nicht geben.
Das ehemalige Vorstandsmitglied bei der DB AG, Thilo Sarrazin, kritisierte die „von Anfang an unrealistischen Kostenschätzungen“. Bahnvertreter und an dem Projekt interessierte Politiker hätten die Kosten schöngefärbt, um das Projekt nicht zu gefährden. Es sei frühzeitig klar gewesen, dass aus dem Bundeshaushalt bezahlt werde. In Bezug auf Investitionen in die Infrastruktur, so Sarrazin, sei die finanzielle Eigenverantwortung der DB AG eine „Schimäre“.
Quelle: Heute im Bundestag (hib)
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