Für den Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen gelten die Vergabevorschriften nach Teil 4 des GWB (§§ 97-184 GWB) nicht. Diese Bereichsausnahme ist ausdrücklich in § 149 Nr. 9 GWB normiert. Für Wasserkonzessionen sind damit weder das GWB-Vergaberecht noch die KonzVgV als Verfahrensregeln zwingend anzuwenden. Wasserkonzessionen sind aber in keinem rechtsfreien Raum zu vergeben. Zwar gilt für sie kein sektor- bzw. fachspezifisches Vergaberecht, wie dies z.B. für Strom- und Gaskonzessionen nach dem EnWG der Fall ist. Allerdings können verfahrensbezogene und materielle Anforderungen u.a. aus dem europäischen Primärrecht und dem Kartellrecht erwachsen.
§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB; Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 49, 56 AEUV.
Leitsatz
Grundlage für die an die Auswahlentscheidung bei einer Wasserkonzession zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen, sind das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot, der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbotes und bei entsprechendem Binnenmarktbezug – die primärrechtlichen Grundsätze des AEUV, vor allem Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), sowie die sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, Transparenz sowie Verhältnismäßigkeit.
Sachverhalt
Eine in Grenznähe liegende Stadt veröffentlichte im Bundesanzeiger das bevorstehende Ende ihres Wasserkonzessionsvertrages und forderte zugleich Unternehmen auf, ihr Interesse am Abschluss eines 30 Jahre laufenden Konzessionsvertrages über die Versorgung mit Trinkwasser zu bekunden. Im Rahmen der Aufforderung zur Abgabe indikativer Angebote teilte die Stadt den interessierten Unternehmen u.a. die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung mit. Ein Unternehmen erhob daraufhin Rügen hinsichtlich verschiedener Zuschlagskriterien und den hierzu von der Stadt getroffenen Erläuterungen. Die Stadt wies die Rügen zurück und beschloss die Wasserkonzession an die Altkonzessionärin zu vergeben. Dagegen wandte sich das nichtberücksichtigte Unternehmen und beantragte erstinstanzlich den Erlass einer einstweiligen Verfügung und bemängelte darin das von der Stadt durchgeführte Verfahren als intransparent und diskriminierend.
Die Entscheidung
Das OLG Düsseldorf entschied in der Berufung, dass die Stadt das Verfahren zur Vergabe der Wasserkonzession insoweit wiederholen muss, als die Angebotswertung aufgrund fehlender Nachvollziehbarkeit einzelner Wertungskriterien rechtsfehlerhaft erfolgt ist.
Nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB liegt ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere dann vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert.
Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, kann ein (kartellrechtlicher) Anspruch auf Unterlassung des beabsichtigten Vertragsabschlusses aus §§ 33 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB geltend gemacht werden (Rdnr. 85).
Städte und Gemeinden handeln beim Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts. Sie sind auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber. Denn auf dem sachlich relevanten Markt zur Verlegung und zum Betrieb von Wasserrohrleitungen, stehen sich Städte und Gemeinden als ausschließliche Anbieter des Wegerechts und Wasserversorgungsunternehmen als Nachfrager gegenüber. In örtlicher Hinsicht ist der relevante Markt auf das Gebiet der jeweiligen Kommune beschränkt und umfasst sämtliche Wege, die sich für die Verlegung und Betrieb von Wasserrohrleitungen zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeinde- und Stadtgebiet eignen. Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Wasserkonzession nicht nur die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, sondern weitergehend auch die Wasserversorgung umfasst, so der Düsseldorfer Kartellsenat (Rdnrn. 92 ff.).
Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des kartellrechtlichen Behinderungsverbotes des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ergebe sich auch weder aus § 31 GWB noch § 31b GWB, die besondere Regeln für wettbewerbsbeschränkende Verträge der Wasserwirtschaft enthalten. Dies folge nicht zuletzt aus § 31b Abs. 6 GWB, wonach selbst zulässige wettbewerbsbeschränkende Verträge noch der Missbrauchsaufsicht unterlägen (Rdnr. 96).
Bei der Vergabe von Wasserkonzessionen muss die vom Konzessionsgeber getroffene Auswahlentscheidung verfahrensbezogene und materielle Anforderungen erfüllen. Genügt die Wasserkonzessionsvergabe diesen Anforderungen nicht, liegt eine unbillige Behinderung i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB derjenigen Bewerber vor, deren Chance auf die Wasserkonzession dadurch beeinträchtigt worden sind (Rdnr. 100).
Die grundlegende Basis für die an die Auswahlentscheidung beim beabsichtigten Abschluss eines Wasserkonzessionsvertrages zu stellenden verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen, sind das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot, der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Form des Willkürverbotes und wie hier bei entsprechendem grenzüberschreitenden Interesse wegen der Grenznähe und des wirtschaftlichen Gewichts der Wasserkonzession auch die primärrechtlichen Grundsätze des AEUV, vor allem Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit), sowie die sich daraus ergebenden allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, Transparenz und Verhältnismäßigkeit (Rdnr. 101).
In verfahrensbezogener Hinsicht muss das Auswahlverfahren so gestaltet werden, dass die an der Wasserkonzession interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde bei der Auswahlentscheidung ankommt. Nur dann ist gewährleistet, dass die Auswahlentscheidung im unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien und diskriminierungsfrei zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgt, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht. Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot und das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verlangen dementsprechend, dass den am Erhalt der Wasserkonzession interessierten Unternehmen zumindest die Auswahl-/Entscheidungskriterien des Konzessionsgebers rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.3.2018 VI 2 U (Kart) 6/16, Rdnrn. 69 f.). Der Urteilstenor macht außerdem klar, dass der Kartellsenat sowohl eine Vorabinformation der nichtberücksichtigten Bieter als auch eine zweiwöchige Wartefrist bis zum Vertragsabschluss fordert (vgl. auch schon OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.12.2017 27 U 25/17).
Was die materiellen Anforderungen an die Auswahlentscheidung anbelangt, müssen die Kriterien sachbezogen und dürfen nicht willkürlich sein. Da eine § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG i.V.m. § 1 EnWG entsprechende Regelung für die Vergabe von Wasserkonzessionen fehlt und die energiewirtschaftlichen Regelungen auf die Vergabe von Wasserkonzessionsverträge auch nicht analog anzuwenden sind, ist der Konzessionsgeber bei der Aufstellung und Gewichtung der Auswahlkriterien freier. Ihm steht aufgrund seines Leistungsbestimmungsrechtes ein weiter Spielraum zu (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.3.2018 VI 2 U (Kart) 6/16, Rdnr. 74).
Rechtliche Würdigung
Der Ausschluss der Wasserkonzession vom Anwendungsbereich der KonzVgV und dem GWB-Vergaberecht hat nicht per se zu einem höheren Maß an Rechtssicherheit für Städte und Gemeinden geführt, nur weil sie zu keinem danach förmlich geregelten Verfahren bei der Auswahl des Konzessionsnehmers gezwungen wären. Vielmehr unterliegen Wasserkonzessionsgeber neben dem europäischen Primärrecht des AEUV bei entsprechendem Binnenmarktbezug – nach Ansicht des OLG Düsseldorf insbesondere auch kartellrechtlichen Verfahrenszwängen. Ob der Gesetzgeber eine auf § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB gründende kartellrechtliche Missbrauchskontrolle zwecks Herstellung eines Wettbewerbs beim Abschluss von Wasserkonzessionsverträgen beabsichtigt hat, kann durchaus zweifelhaft sein. Denn mit dem in § 31b Abs. 6 GWB enthaltenen Vorschriftenverweis auf § 19 GWB könnten nur die Wasserversorgungsunternehmen gemeint sein, sodass die kommunalen Gebietskörperschaften selbst nicht Normadressat sein könnten. Dafür, dass mit dem missbräuchlichen Verhalten ausschließlich die Wasserversorgungsunternehmen und ihre durch die Freistellung erlangte Marktstellung gemeint sein könnten, mögen systematische Gründe sprechen. Immerhin richten sich die in § 31 Abs. 4 GWB genannten Missbrauchs-Beispielsfälle ausdrücklich an die Wasserversorgungsunternehmen, nicht an die kommunalen Gebietskörperschaften.
Praxistipp
Öffentliche Konzessionsgeber im Wasserbereich dürften grundsätzlich gut beraten sein, die vom OLG Düsseldorf aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 3 Abs. 1 GG und ggf. Art. 49, 56 AEUV hergeleiteten verfahrensbezogenen und materiellen Anforderungen bei ihrer Auswahlentscheidung zu beachten, also letztlich ein strukturiertes, transparentes und diskriminierungsfreies Bieterverfahren für die zu vergebende Wasserkonzession durchzuführen. Hiervon wird derzeit wohl nur ausnahmsweise (z.B. wegen Vorliegen der Inhouse-Grundsätze) abgesehen werden dürfen. Denn die Möglichkeit, eine Wasserkonzessionsvergabe in der Form einer Inhouse-Vergabe durchzuführen, dürfte auch nach dem OLG Düsseldorf fortbestehen (vgl. Urt. v. 21.3.2018 VI 2 U (Kart) 6/16, Rdnr. 71).
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht Holger Schröder verantwortet als Partner bei Rödl & Partner in Nürnberg den Bereich der vergaberechtlichen Beratung. Er betreut seit vielen Jahren zahlreiche Verfahren öffentlicher Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber zur Beschaffung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen von der Bekanntmachung bis zur Zuschlagserteilung. Er ist Autor zahlreicher Fachveröffentlichungen und und referiert regelmäßig zu vergaberechtlichen Themen. Herr Schröder ist Lehrbeauftragter für Vergaberecht an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen und ständiges Mitglied im gemeinsamen Prüfungsausschuss "Fachanwalt für Vergaberecht" der Rechtsanwaltskammern Nürnberg und Bamberg.
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