Ist ein Austausch von fehlerhaften Unterlagen durch Nachforderung nach § 56 VgV möglich, wenn der Nachweis der Eignung schlicht unzureichend ist?
GWB § 160 Abs. 2 Satz 2; SektVO § 51 Abs. 2 Satz 1
Leitsatz
1. § 51 Abs. 2 Satz 1 SektVO ermöglicht nicht den Austausch oder die „Anreicherung“ eines Eignungsnachweises, der formgerecht, lesbar und vollständig ist, dessen Inhalt aber nicht ausreicht, um das zu beweisen, was bewiesen werden soll.
2. Macht der Antragsteller geltend, es sei ermessenfehlerhaft gewesen, von der nach § 51 Abs. 2 Satz 1 SektVO grundsätzlich möglichen Nachforderung abzusehen, muss er zur Darlegung eines Schadens i.S.d. § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB in der Regel auch schlüssig vortragen, dass er zu einer Nachlieferung der fehlenden Unterlage in der Lage gewesen wäre.
Sachverhalt
Dem Nachprüfungsverfahren der VK Rheinland-Pfalz, Aktenzeichen VK 1-5/18, betreffend die Vergabe des Auftrags „Regionales Verbundsystem Westeifel, Verlegung einer Wasser- und Biogastransportleitung sowie Breitbandleerrohrsystem zwischen dem Hochbehälter Preist und dem Hochbehälter Ingendorf, 2. Bauabschnitt“ war folgender Sachverhalt vorausgegangen:
1. Ausschluss wegen fehlendem Fachkundenachweis
Das Angebot des Bieters wurde vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Der Auftraggeber begründete den Ausschluss zum einen damit, dass ein in der Bekanntmachung vom 3. März 2018 näher bezeichneter Fachkundenachweis für die Verlegung von Gas- und Wasserversorgungsleitungen (z.B. DVGW-Zertifikat) nicht dem Angebot beigelegen habe.
Der hiergegen gerichtete Nachprüfungsantrag war nach Ansicht der Vergabekammer jedoch unzulässig, weil der Bieter seine Antragsbefugnis (§ 160 Abs. 2 GWB) nicht dargelegt hatte. Es hätte dargestellt werden müssen, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 160 Abs. 2 Satz 2 GWB). Durch das Unterlassen einer Nachforderung hätte dem Bieter dann ein Schaden entstehen können, wenn dieser auch zu einer Nachlieferung in der Lage gewesen wäre. Dazu hat er aber nichts vorgetragen. Dem Vorwurf im Absageschreiben, dem Auftraggeber sei aus anderen Vergabeverfahren bekannt, dass der Bieter den geforderten Nachweis überhaupt nicht führen könne hat der Bieter nicht widersprochen.
2. Ausschluss wegen fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
Zum anderen sollten laut Bekanntmachung die Bieter nachweisen, dass sie über eine Betriebshaftpflichtversicherung für die vom Auftrag umfassten Tätigkeiten mit einer Deckungssumme von mindestens 5 Mio. Euro verfügen oder die Bestätigung eines Versicherer vorlegen, dass er den Bieter im Falle der Auftragsvergabe entsprechend versichern werde. Der von dem Bieter mit dem Angebot vorgelegte Nachweis bescheinigte jedoch nur eine Versicherungssumme von höchstens 3 Mio. Euro je Versicherungsfall und eine maximale Versicherungssumme pro Versicherungsjahr von 6 Mio. Euro.
Die Kammer ist der Ansicht, dass die Forderung nach der „Deckungssumme“ und damit die Forderung des Auftraggebers nur so verstanden werden konnte, dass bei der Auftragsausführung entstehende Schäden auch bei nur einem einzigen Versicherungsfall mit mindestens 5 Mio. Euro abgesichert sein müssen, war die vorgelegte Unterlage nicht geeignet, den geforderten Beweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Schadensfall zu erbringen.
Vom Bieter wurde inhaltlich Gegenteiliges auf dieses Absageschreiben auch nicht behauptet. Darauf basierend wurde der Bieter als ungeeignet ausgeschlossen.
Der Bieter wendete sich hiergegen mit dem Nachprüfungsantrag und dem Vorwurf, es sei ermessenfehlerhaft gewesen, von der nach § 51 Abs. 2 SektVO grundsätzlich möglichen Nachforderung abzusehen.
Nach der Rücknahme des Nachprüfungsantrages des Bieters erging von der Vergabekammer die Kostenentscheidung mit Beschluss vom 19. Juli 2018, dass dem Bieter die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Auftraggebers und der Beigeladenen auferlegt werden. Weiterhin hat die Kammer die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten sowohl für die Auftraggeber als auch für die Beigeladene für notwendig erklärt. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Bieters.
Die Entscheidung
Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat am 11. September 2018 jedoch nicht zu Gunsten des Bieters entschieden.
Die Vergabekammer hat den Bieter zu Recht nach billigem Ermessen mit den Verfahrenskosten (§ 182 Abs. 3 Satz 5 GWB) und den notwendigen Auslagen des Auftraggebers (§ 182 Abs. 4 Satz 3 GWB) belastet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre der Nachprüfungsantrag ohne Erfolg geblieben.
1. Fehlender Vortrag zur Antragsbefugnis des Bieters
Der Bieter hat in seinem Nachprüfungsantrag vorgetragen, es sei ermessenfehlerhaft gewesen, von der nach § 51 Abs. 2 SektVO grundsätzlich möglichen Nachforderung abzusehen. Nach Ansicht des OLG Koblenz hat die Vergabekammer die Antragsbefugnis zu Recht verneint. Der Bieter hat nicht ausreichend bzw. gar nicht vorgetragen, dass er zur Nachlieferung des geforderten Nachweises in der Lage war und damit die Gefahr eines Schadenseintritts oder einen bereits entstandenen Schaden nicht belegen können.
2. Der Anwendungsbereich zur Nachforderung von Unterlagen ist nicht eröffnet
Die Entscheidung der Vergabekammer und des Auftraggebers, dass eine Nachforderung eines Nachweises über eine ausreichende Deckungssumme nicht in Betracht kam, weil der Anwendungsbereich des § 51 Abs. 2 Satz 1 SektVO nicht eröffnet war ist nach Ansicht des OLG Koblenz richtig. Danach kann der Auftraggeber Bieter auffordern,
– fehlende unternehmensbezogene Unterlagen nachzureichen,
– unvollständige unternehmensbezogene Unterlagen zu vervollständigen,
– fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen zu korrigieren.
Vorliegend fehlte nach Ansicht der Kammer und des OLG Koblenz jedoch keine Unterlage, weil ein Nachweis über das Bestehen einer Betriebshaftpflichtversicherung vorgelegt wurde. Der Nachweis enthielt laut der Kammer auch alle Angaben bzw. Seiten, die vorgegeben waren. Mithin war der Nachweis also auch nicht unvollständig.
„Damit stellt sich die Frage, ob das Begriffspaar „fehlerhaft – korrigieren“ auch Unterlagen erfasst, die exakt den Inhalt haben, den sie nach dem Willen des Ausstellers haben sollen, deren Inhalt aber – wie hier – nicht ausreicht, das zu beweisen, was bewiesen werden soll. Letztlich geht es darum, ob § 51 Abs. 2 SektVO (oder § 56 Abs. 2 VgV) die Möglichkeit eröffnet, einen Eignungsnachweis, der formgerecht, lesbar und vollständig ist, aber inhaltlich als Beweismittel nicht ausreicht, ausgetauscht oder inhaltlich angereichert werden kann.“
Dies ist nach Ansicht des OLG Koblenz zu verneinen. Ein als Eignungsnachweis dienendes Schriftstück, „das genau den Inhalt hat, den es nach dem Willen des Verfassers haben soll und das auch sonst keine Mängel aufweist“, kann nicht als fehlerhaft bezeichnet werden.
Das OLG verweist hierzu auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 28.03.2018 – VII- Verg 42/17 nach der ein Austausch oder eine inhaltliche Änderung „jedenfalls dann, wenn sie über die bloße Korrektur offensichtlicher Tippfehler, Rechenfehler o.ä. hinausginge, eine unzulässige nachträgliche Veränderung des Inhalts eines Teilnahmeantrags oder Angebots“ wäre.
Rechtliche Würdigung
Die Entscheidung bestätigt, dass man unzureichende Eignungsnachweise im Sinne des Vergabeverfahrens und nicht fehlerhaft im Sinne des eigentlichen Erklärungswillens des Bieters nicht einfach austauschen kann.
Unter den Begriff „Fehlerhaft“ des § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV kann also nicht fehlerhaft bzw. unzureichend im Sinne der Anforderungen der Vergabeverfahrens subsumiert werden, sondern es beschränkt sich auf die „bloße Korrektur offensichtlicher Tippfehler, Rechenfehler o.ä.“ – also die fehlerhafttigkeit im Sinne des Erklärungswillens des Bieters, wie schon das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 28.03.2018 – VII- Verg 42/17 bestätigt hat.
Der zur Diskussion gestellte Einwand, dass eine Nachforderung in Betracht kommn könnte, wenn der Bieter überhaupt keinen Nachweis vorlegt, weshalb es ungerecht sei, nur deshalb eine Nachreichung zu verweigern, weil etwas Unzureichendes vorgelegt wurde. Dem hält das OLG zu recht entgegen, dass „die Schaffung begrenzter Ausnahmetatbestände nahezu zwangsläufig zu tatsächlichen oder vermeintlichen Ungerechtigkeiten führt, die man beklagen, nicht aber durch die Ausweitung eng auszulegender Regelungen beseitigen kann.“
Praxistipp
Die Einreichung von Eignungsnachweisen auf gut Glück mit dem Hintergedanken, man könne man ja nachreichen, wenn der Nachweis nicht ausreicht, ist wie nun bestätigt, gefährlich. Ein einfaches Austauschen von ungeeigneten Nachweisen ist nicht möglich.
Fehlerhaft im Sinne des § 56 VgV und § 51 SektVO bedeutet tatsächlich nur Vertippen, Verschreiben, Verrechnen o.ä. und nicht fehlerhaft im Sinne von unzureichend.
Judith Kutschera ist Rechtsanwältin bei S³ Schilli Schmidt Sozien Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Freiburg i.Br.. Sie ist auf das Vergaberecht und Baurecht spezialisiert und berät sowohl die öffentliche Hand als auch Bieter in allen Phasen des Vergabeverfahrens. Frau Kutschera hält regelmäßig Vorträge und Schulungen zum Vergaberecht. Vor Ihrer Tätigkeit bei S³ war Frau Kutschera mehrere Jahre als Syndikusrechtsanwältin in der Rechtsabteilung der ITEOS AöR, ebenso öffentlicher Auftraggeber und hat daher umfassende Erfahrung in der Begleitung von Vergabeverfahren.
Die Entscheidung des OLG Koblenz ist zu begrüßen. Die nachträgliche inhaltliche Nachbesserung von Eignungsnachweisen kommt einer Angebotsänderung gleich. Die Differenzierung zwischen nicht korrigierbaren inhaltlichen Fehlern und bloß formellen bzw. korrigierbaren Fehlern bleibt gleichwohl im Einzelfall oft unklar.