Mit einer „getürkten Vergabe im Millionenwert“ hätten leitende Beamte im Verteidigungsministerium den Verkauf der drei Instandsetzungswerke des Heeres durchdrücken wollen. So stellte es der Jurist Norbert Dippel als Zeuge im Unterausschuss des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss am Donnerstag, 26. September 2019, dar (Fortsetzung der Zeugenvernehmung, siehe auch ). Es geht um die HIL GmbH, der bundeseigenen Gesellschaft für Heeres-Instandsetzungs-Logistik. Nach seinem Eindruck war die Privatisierung ein Anliegen der früheren Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder.
Vorgaben der Politik zu akzeptieren, sei für ihn kein Problem, bekräftigte Dippel in der Sitzung unter dem Vorsitz von Wolfgang Hellmich (SPD). Doch widersetzte er sich nach seinem Bekunden der Art der Umsetzung durch leitende Ministeriale. Am Ende habe er, damals HIL-Prokurist, sich „gemobbt gefühlt“ und um Auflösung seines Arbeitsvertrags gebeten. Das Ganze sei an seine Gesundheit gegangen. Heute arbeitet er als freiberuflicher Rechtsanwalt.
Verfahren mit Besonderheiten und Merkwürdigkeiten
Das Verfahren sei „von Anfang an von Besonderheiten und Merkwürdigkeiten geprägt“ gewesen, blickte Dippel auf den Februar 2016 zurück. Die HIL habe vom Ministerium den Auftrag bekommen, eine Ausschreibung einzuleiten für externe Beratung zur Zukunft der Werke – mit der Bandbreite vom Weiterbetrieb durch die Gesellschaft bis hin zum Verkauf an die Industrie. Als Vergabejurist der HIL, schon seit zwölf Jahren in diesem Job, war Dippel gefragt. Vier Bieter hätten sich gemeldet. Dann habe das Ministerium darauf gedrängt, zusätzlich noch eine bestimmte Anwaltskanzlei zu berücksichtigen. Wie sich herausgestellt habe, sollte sie nach seiner Einschätzung den schon von vornherein angepeilten Verkauf der Werke abwickeln.
Noch während der Ausschreibung habe ein Anwalt der Kanzlei bei der HIL angerufen, wann denn mit der formellen Beauftragung zu rechnen sei, berichtete Dippel im Ausschuss. Wobei er ohnehin den Eindruck gehabt habe, die Kanzlei würde ihre Informationen über das Verfahren direkt aus dem Ministerium bekommen. Wenn – dann hätte das einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung aller Bieter bedeutet: „Ich fand das ausgesprochen misslich.“
Zugespitzte Lage am Gründonnerstag 2016
Am Gründonnerstag 2016, das weiß er noch ganz genau, habe sich die Lage zugespitzt. Zweimal habe er von leitenden Beamten aus dem Ministerium den Anruf bekommen, der zuständige Unterabteilungsleiter wünsche die Beauftragung der fraglichen Kanzlei. Er habe sich gesperrt und „die Faxen dicke gehabt“, sagte der Zeuge. Schließlich fühle er sich „zu Recht und Gesetz verpflichtet“. Wie früher nie üblich, habe das Ministerium die Übersendung der Angebote gefordert. Wegen der enthaltenen internen Daten habe er die Namen vor der Übersendung schwärzen lassen – was zu einer heftigen Intervention geführt habe. Er sei dann zum Geschäftsführer gegangen. Der habe auf den weiten Blick vom Büro aus auf das Rheintal verwiesen. Dort hätten mal viele Windmühlen gestanden, habe er gesagt – frohe Ostern gewünscht und damit die Frage verbunden, ob Dippel losreiten wolle wie Don Quichotte.
Er habe, berichtete der Zeuge, bei den Anrufern aus dem Ministerium nachgefragt, ob er denn die Vergabe so manipulieren solle, dass die Kanzlei den Zuschlag bekäme. Die Antwort nach seinen Worten: „Dem Wunsch des Unterabteilungsleiters ist im Rahmen des geltenden Rechts zu entsprechen.“ Oder bisweilen auch anders ausgedrückt: Er solle eine „neutrale Aktenlage“ schaffen. Über Ostern seien die Angebote ausgewertet worden. Bei der Bewertung am Dienstag habe sich gezeigt, dass die besagte Kanzlei der mit Abstand teuerste Bieter gewesen sei – und das Angebot „allenfalls schlechtes Mittelmaß“. Doch am nächsten Tag stoppte das Ministerium das gesamte Ausschreibungsverfahren, so Dippel. Da seien Begriffe wie „Bananenstaat“ gefallen. Anfang Mai habe dann die Kanzlei direkt vom Ministerium den Beraterauftrag bekommen.
Festhalten am Verkaufsdatum
Anfänglich sei das Volumen der Transaktion so berechnet worden, dass für die Rechtsberatung der Kanzlei 5,05 Millionen Euro und für die Unternehmensberatung 3,05 Millionen Euro veranschlagt worden seien. Inzwischen seien die Summen auf 20,6 und 21,5 Millionen Euro gestiegen, zitierte der Zeuge Zahlen, die auf einer FDP-Anfrage basieren. Dippel wand sich bei der Frage, ob die leitenden Beamten im Ministerium grob fahrlässig oder gar bewusst rechtsbrüchig gehandelt hätten. Auf „fahrlässig“ mochte er sich schließlich nicht einlassen.
Was er vor allem an zwei Punkten festmachte: Den versierten Spitzenleuten im Ministerium müsse klar gewesen sein, dass vor der Vergabe eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hätte stattfinden müssen. Und vor allem schilderte er immer wieder, dass der komplizierte Verkauf keineswegs bis Ende 2016 hätte abgewickelt werden können. Jeder habe gewusst, dass dies nicht geht, aber an dem Datum sei festgehalten worden, „weil es angeblicher Leitungswille ist“. Oder es sei der Hinweis gekommen: „Aus übergeordneten Gründen ist einstweilen am Zeitplan festzuhalten.“ Der Verkauf ist bis heute nicht über die Bühne gegangen. Dippel hat nach eigenen Worten zu hören bekommen: „Wenn das der Wille der Staatssekretärin ist, dann wird das auch gemacht.“ Oder er fragt sich, warum der Leiter der Vergabestelle im Ministerium dann zeitweise Geschäftsführer bei der HIL wurde. Er mochte ausdrücklich auch nur von Einzelfällen reden, keineswegs die gesamte Bundeswehr in schlechtes Licht setzen.
Quelle: Bundestag
So müssten die leitende Organe entsprechend alle Vorteile des Beamte aberkannt bekommen und eine finanzielle Strafzahlung (ein Leben lang) leisten. Damit erkennen dann irgendwann auch Beamte, dass Steuergeld seinen Wert hat und Unachtsamkeit (damit sind keine Fehler gemeint) oder gar Bestechung verfolgt wird. Das gleiche sollte auch für Politiker wirksam sein.