Die Berateraffäre der Bundeswehr mündet für Beamte im Koblenzer Beschaffungsamt womöglich in Disziplinarverfahren. Dazu könne es kommen, hat die Präsidentin dieses Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), Gabriele Korb, vor dem Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses mitgeteilt. Noch lägen nicht alle Fakten vor, um zu klären, ob es um persönliches Fehlverhalten gehe, sagte sie bei ihrer Vernehmung als Zeugin unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD).
Der Bundesrechnungshof hatte zahlreiche Rechts- und Regelverstöße bei der Vergabe von Beratungs- und Unterstützungsleistungen an externe Firmen festgestellt. Betroffene Beamte im Koblenzer Amt hatten bereits vor dem Ausschuss bekundet, sie seien vom Ministerium erheblich unter Zeitdruck gesetzt worden. Oder sie waren davon ausgegangen, auf eine Überprüfung der angeforderten Vergaben verzichten zu können, weil nach ihrer Ansicht das Ministerium bereits die Prüfung durchgeführt habe. Sie hätten aber nicht einfach den Vorgaben des Ministeriums nachkommen dürfen, stellte Korb klar: „Die Verantwortung für Vergaben trägt derjenige, der unterschreibt.“
Zu einer früheren Aussage eines Vergabe-Beamten, es sei schwierig, sich dem Druck des Ministeriums zu entziehen, meinte Vizepräsidentin Kornelia Lehnigk-Emden: „Es ist schwierig, aber es geht.“ Sie setzte hinzu: „Wir in der Leitung haben den Druck ausgehalten.“ Der inzwischen pensionierte militärische Vizepräsident, General a. D. Klaus Veit, nahm sich sogar die Freiheit, einen höher gestellten Abteilungsleiter im Ministerium zu warnen: Eine einzelne Firma dürfe nicht in einem frühen Stadium mit geplanten IT-Maßnahmen befasst werden, weil sie bei einer Ausschreibung eventuell Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbietern erhalte, die dagegen klagen könnten.
Die Mahnung wurde in den Wind geschlagen. So war offenbar das IT-Unternehmen Accenture schon früh in Besprechungen zum Projekt PLM (Product-Lifecycle-Management) eingebunden. Die Auswertung von Unmengen von Daten soll die Einsatzbereitschaft erhöhen und erhebliche Kosten einsparen – erst beim Militärflugzeug A 400 M, später ausgeweitet auf das gepanzerte Fahrzeug Boxer und das Kriegsschiff Korvette. Vom Ministerium war dem Beschaffungsamt nach Empfinden der dort beteiligten Beamten regelrecht vorgegeben worden, dass die Vergabe an Accenture gehen solle. Das Unternehmen habe auch bereits vor der Vergabe mit den Arbeiten begonnen.
Und es war wohl auch zunächst weiter tätig, obwohl der Bundesrechnungshof die Vergabe gerügt hatte. Die Rechnungen der Firma für die Monate Juni bis August des vergangenen Jahres in Höhe von drei Millionen Euro waren zwecks Bezahlung vom Ministerium an das Beschaffungsamt weitergereicht worden. Es sei faktisch ein Vertrag zur Fortsetzung der PLM-Arbeiten geschlossen worden. Doch das erschloss sich Korb und Lehnigk-Emden nicht, wie sie es den Abgeordneten darstellten. Sie schickten die Rechnungen an das Ministerium zurück. Die sind bis heute nicht bezahlt.
Veit rückte bei seiner Vernehmung vor allem das BWI in den Mittelpunkt. Das bundeseigene Unternehmen ist der IT-Dienstleister der Bundeswehr. Nach seiner Aussage platzierte die frühere Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder einen Mann ihrer Wahl als Geschäftsführer: Der wäre der ideale Part in der Geschäftsführung des BWI, habe sie gesagt. Veit: „Damit war er gesetzt.“ Der Geschäftsführer habe bisweilen gesagt, er habe Vorgänge „mit der Katrin“ schon geregelt.
Doch nach Veits Darstellung verschlechterte sich das Betriebsklima rapide. Das fand auch Niederschlag in einem Bericht, den er an die zuständige IT-Abteilung des Ministeriums weitergegeben habe. Zudem habe der Geschäftsführer ohne Einschaltung des BAAINBw eine millionenschwere Vergabe an die Firma Orphoz vorgenommen, einer hundertprozentigen Tochter des Beratungsunternehmens McKinsey. Veit ließ den Vorgang von den Juristen des Amtes penibel untersuchen und kam nach eigener Darstellung zu dem Schluss, es bestehe der „Anfangsverdacht der Untreue“. Dass er einen entsprechenden Bericht an das Ministerium schicken werde, habe er Suder angekündigt. Wegen Befangenheit habe die sich aber nicht selbst um den Vorgang gekümmert. Der Geschäftsführer wurde nach einer Aufsichtsratssitzung freigestellt.
Zur Sprache kam auch erneut die enge Bekanntschaft zwischen der Rüstungsstaatssekretärin und Accenture-Mann Timo Noetzel. Der habe „mehr Zugang zu Suder gehabt als andere“, so Veit: „Es hat schon Vorteile, wenn man Zugang hat zum Machtapparat.“ Der lange im Rüstungsbereich tätige frühere General gab sich als Suder-Fan zu erkennen: Er habe sie „über alles geschätzt“. Sie sei ihrer Zeit voraus gewesen. Indes: „Der Apparat konnte ihr schwer folgen.“
Quelle: Bundestag
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