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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 11/11/2019 Nr. 42442

Erneute Rahmenvereinbarung vs. (un)zulässiger Auftragsänderung! (VK Bund, Beschl. v. 29.07.2019 – VK2-48/19)  

EntscheidungGibt ein öffentlicher Auftraggeber bei Bekanntmachung einer Rahmenvereinbarung eine Schätzmenge bzw. eine Auftragswertschätzung an, so stellen diese nach Ansicht der 2. VK Bund eine Obergrenze dar, welche als Maßstab für die Erschöpfung einer Rahmenvereinbarung und eine wesentliche Auftragsänderung heranzuziehen sind.

§§ 21 Abs. 1 S. 2 und S. 3, 3 Abs. 4 VgV, §§ 103 Abs. 5 S. 1, 132 Abs. 1 GWB

Sachverhalt

Die 2. Vergabekammer des Bundes (VK Bund) hatte über einen Nachprüfungsantrag zu entscheiden, den eine Auftragnehmerin (die spätere Antragstellerin) einer laufenden Rahmenvereinbarung über Bürostühle gegen ein Vergabeverfahren eingeleitet hatte, der eine vierjährige Rahmenvereinbarung ebenfalls über Bürostühle zum Gegenstand hatte.

Die laufende Rahmenvereinbarung hatte eine Vertragslaufzeit von April 2017 bis zum 31. Januar 2021. In der Bekanntmachung für diese Rahmenvereinbarung Bürostühle 2017 und auch in deren Leistungsverzeichnis war eine bestimmte Stückzahl in Höhe von insgesamt 74.102 Stühlen für vier verschiedene Stuhltypen in unterschiedlicher Stückzahl vorgesehen. Diese von der Rahmenvereinbarung 2017 umfassten Bürostühle waren auch Gegenstand des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens 2019. In der Rahmenvereinbarung 2017 war geregelt, dass es sich bei den Mengenangaben lediglich um eine Schätzung handelte und die Auftraggeberin (die spätere Antragsgegnerin) nicht zur Abnahme von Mindestmengen bzw. der Gesamtmenge verpflichtet war. Die Auftraggeberin teilte der Auftragnehmerin mit, dass die Rahmenvereinbarung 2017 zum 15. September 2019 stillgelegt werde und aus dieser nur noch bis zu diesem Datum Stühle abgerufen werden sollen, da bis zu diesem Datum der Auftragswert bzw. die geschätzten Stühle-Stückzahlen im Wesentlichen abgerufen seien. Hochgerechnet auf die Laufzeit der Rahmenvereinbarung errechnete die Auftraggeberin eine Gesamtabrufmenge von ca. 221.760 Stühlen.

Nach Einleitung des Vergabeverfahrens über die Rahmenvereinbarung Bürostühle 2019 rügte die Antragstellerin die Vertragsstillegung, berief sich auf die Laufzeit bis zum 31. Januar 2021 und machte geltend, die Durchführung des neuen Vergabeverfahrens Bürostühle 2019 verstoße wegen der Mehrfachvergabe gegen den Wettbewerbsgrundsatz und das Missbrauchsverbot gemäß § 21 Abs. 1 S. 3 VgV. Auf die Rügezurückweisung reichte die Antragstellerin einen entsprechenden Nachprüfungsantrag ein. In diesem trug sie ergänzend vor, dass allenfalls die vertragliche Summe, nicht jedoch die einzelnen der Vereinbarung zugrundeliegenden Stückzahlen erreicht seien. Sie beantragte, der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren Bürostühle 2019 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin trägt vor, ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 S. 3 VgV läge nicht vor, da die beabsichtigte Vergabe der Bürostühle 2019 den Wettbewerb nicht missbräuchlich behindere. Sie sei gehalten, die laufende Rahmenvereinbarung Bürostühle 2017 zum 15. September 2019 auslaufen zu lassen, weil die dieser Vereinbarung zugrundeliegende Höchstmenge in Gestalt der seinerzeit geschätzten Mengen bzw. der geschätzte Auftragswert bis dahin erreicht seien und die Rahmenvereinbarung ihren Zweck erfüllt habe. Auch käme keine Auftragsänderung nach § 132 GWB in Betracht, da dieser Umstand eine wesentliche Änderung darstelle, die ein neues Vergabeverfahren erfordere.

Die Entscheidung

Die VK Bund wies den Nachprüfungsantrag als unzulässig und bei unterstellter Zulässigkeit als unbegründet zurück. Der Antrag sei unbegründet, weil die Antragsgegnerin mit der Rahmenvereinbarung 2019 nicht gegen das Verbot der missbräuchlichen Anwendung einer Rahmenvereinbarung verstoßen habe. Im Gegenteil habe sie einer missbräuchlichen Ausdehnung der Rahmenvereinbarung 2017 und damit einer unzulässigen De-facto-Vergabe vorgebeugt.

Gemäß § 21 Abs. 1 S. 3 VgV ist es einem öffentlichen Auftraggeber verboten, eine Rahmenvereinbarung missbräuchlich oder in einer Art anzuwenden, die den Wettbewerb behindert, einschränkt oder verfälscht. Die VK Bund stellt fest, dass – ginge man davon aus, dass eine Doppelvergabe ein- und derselben Rahmenvereinbarung gegen das Missbrauchsverbot verstieße – hier kein Verstoß in Betracht käme, weil bereits keine Doppelvergabe vorläge. Die Rahmenvereinbarung 2019 löse die Rahmenvereinbarung 2017 lediglich ab. Eine Neuvergabe sei notwendig geworden, da weitere Abrufe aus der Rahmenvereinbarung 2017 eine nach § 132 Abs. 1 GWB unzulässige wesentliche Änderung der Vereinbarung und damit eine unzulässige De-facto-Vergabe darstellen würde.

Ausgangspunkt für die Annahme der VK Bund, dass keine Doppelvergabe vorliegt, ist eine Prüfung des Sachverhaltes anhand der Vorschriften zur Zulässigkeit von Auftragsänderungen gemäß § 132 Abs. 1 GWB. Diese seien gemäß § 103 Abs. 5 S. 2 GWB auf Rahmenvereinbarungen grundsätzlich anzuwenden. Zum Sachverhalt stellt die Vergabekammer fest, dass vorliegend die der Rahmenvereinbarung zugrundeliegende Beschaffungsmenge bis zum 15. September 2019 sowohl in Stückzahl als auch im Hinblick auf den geschätzten Auftragswert abgerufen werden soll. Damit sei die Beschaffungsmenge der Rahmenvereinbarung noch vor Ablauf der Vertragslaufzeit erschöpft. Ein Anspruch auf Einzelabrufe bzw. Aufrechterhaltung der Abrufmöglichkeiten in mengenmäßig grundsätzlich unbegrenzter Höhe bestehe nicht. Dies folge zum einen konkret aus § 21 Abs. 1 S. 2 VgV, worin geregelt wird, dass das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben ist, ohne dass es abschließend festgelegt werden muss. Zum anderen folge dies aus allgemeinen vergaberechtlichen Prinzipien, wonach jeder Bedarf eines öffentlichen Auftraggebers grundsätzlich dem offenen und transparenten Wettbewerb, also einem Vergabeverfahren, zuzuführen sei. Entsprechend habe ein Auftraggeber auch den Auftragswert gemäß § 3 Abs. 4 VgV zu schätzen. Demnach würden die Angaben eine der Rahmenvereinbarung immanente Mengenbegrenzung im Sinne einer Höchstmenge bilden, bei deren Erreichen der Beschaffungszweck erfüllt sei. Die so benannten Mengen könnten nicht unbegrenzt überschritten werden. Eine Überschreitung durch weitere Einzelabrufe sei nur in den Grenzen des nach § 132 GWB Zulässigen ohne neues Vergabeverfahren möglich, wobei keine Verpflichtung zur Ausschöpfung der Möglichkeiten des § 132 GWB bestünde.

Schließlich stellt die VK Bund fest, dass ein derart unkontrolliertes Anwenden einer Rahmenvereinbarung, wie es die Antragstellerin letztlich fordert, missbräuchlich im Sinne des § 21 Abs. 1 S. 3 VgV wäre, weil hierdurch der Wettbewerb über Gebühr behindert und unerwünschten Marktabschottungen Vorschub geleistet werden würde. Ein Auftraggeber, der erkennt, dass sein Bedarf, den er mit seiner Rahmenvereinbarung decken wollte, vorzeitig befriedigt wird, wird nach Ansicht der VK Bund ein neues Beschaffungsverfahren durchführen müssen, wenn er weiteren Beschaffungsbedarf hat. Würde der Auftraggeber in einem solchen Fall seinen Bedarf über die bestehende Rahmenvereinbarung decken wollen, wären Abrufe bis zum Ende der Laufzeit möglich, wodurch – zumindest in dem von der VK Bund entschiedenen Fall ein erhebliches Risiko bestünde, weit über die der Beschaffung zugrunde gelegten Höchstmenge hinausgehen zu können. Daher habe sich die Antragsgegnerin nach Ansicht der VK Bund korrekt verhalten, indem sie das Erreichen der der Rahmenvereinbarung 2017 zugrundeliegenden Stückzahlen bzw. Auftragswerte zum Anlass nahm, ein neues Vergabeverfahren nach § 132 Abs. 1 S. 1 VgV zu veranlassen und durchzuführen.

Rechtliche Würdigung

Zunächst ist in Bezug auf den von der 2. VK Bund entschiedenen Sachverhalt und die Rechtsausführungen klarzustellen, dass sich diese von denjenigen unterscheiden, welche der EuGH am 19.12.2018 (Az: C-216/17) und die 1. VK Bund am 19.07.2019 (Az.: VK 1 39/19, siehe Hildebrandt, Vergabeblog.de vom 07/10/2019, Nr. 42174) – und damit nur zehn Tage vor dem hier besprochenen Beschluss der 2. VK Bund – angestellt haben. Der EuGH hatte u.a. darüber entschieden, dass die alte Richtlinie 2004/18/EG so auszulegen sei, dass bei einer Rahmenvereinbarung zwingend Obergrenzen anzugeben seien. Die 1. VK Bund hatte am 19.07.2019 entschieden, dass diese Rechtsprechung des EuGH auf die neue Richtlinie 2014/24/EU nicht übertragbar ist. Demgegenüber ging es bei der Entscheidung der 2. VK Bund nicht um das Ob von Obergrenzen, sondern um die Frage, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, wenn Mengenangaben bekanntgemacht wurden und diese noch während der Vertragslaufzeit überschritten werden.

Insoweit stellt die 2. VK Bund fest, dass eine von einem Auftraggeber bekanntgegebene, geschätzte Mengenangabe bzw. der Auftragsschätzwert als Maßstab dafür, ob sich eine Rahmenvereinbarung erschöpft hat, in Form einer Obergrenze heranzuziehen sei. Diese Auffassung erscheint problematisch. Beide Kriterien können nicht mit einer starren Obergrenze gleichgesetzt werden. Allenfalls könnten sie einen Anhaltspunkt darstellen, der gewisse Spielräume zulässt.

Die Auffassung der 2. VK des Bundes ist zwar zutreffend, soweit sie sich darauf bezieht, dass sich eine Rahmenvereinbarung erschöpfen kann und die Vorschriften über Auftragsänderungen auch auf Rahmenvereinbarungen anwendbar sind. Eine unbegrenzte Abrufmöglichkeit aus Rahmenvereinbarungen ist unzulässig. Ebenfalls zutreffend stellt die VK Bund fest, dass eine Neuausschreibung dann keinen Verstoß gegen das Verbot der missbräuchlichen Anwendung einer Rahmenvereinbarung wegen Doppelvergabe begründet, wenn der Gegenstand, der mit dieser neuen Rahmenvereinbarung beschafft werden soll, Gegenstand einer laufenden Rahmenvereinbarung ist, die sich jedoch erschöpft hat. Das wohl verfolgte Anliegen der VK Bund, weitgehend Klarheit zu schaffen, wann sich eine Rahmenvereinbarung erschöpft hat, ist durchaus zu begrüßen. Hierdurch soll zugleich weitgehend Klarheit darüber geschaffen werden, wann eine wesentliche Auftragsänderung gemäß § 132 GWB vorliegt. Der Weg, mit dem diese Klarheit geschaffen werden soll, geht jedoch letztlich zu Lasten der öffentlichen Auftraggeber und der Bieter.

Nach § 21 Abs. 1 S. 2 VgV ist das in Aussicht genommene Auftragsvolumen nur so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben, braucht aber nicht abschließend vorab festgelegt zu werden. Eine Obergrenze des Auftragsvolumens ist von einem Auftraggeber daher nur anzugeben, wenn das Volumen genau ermittelt werden kann. Andernfalls, wie von der 1. VK Bund in dem zuvor genannten Beschluss ausdrücklich bestätigt, nicht. In dem ersten Fall wird und darf der Auftraggeber diesen Wert nicht als Schätzung bezeichnen. In dem zweiten Fall, in dem es dem Auftraggeber nicht möglich ist, das Auftragsvolumen genau zu ermitteln, hat sich hingegen eingebürgert, dieses als Schätzung anzugeben. Damit wird für alle potenziellen Bieter deutlich, dass die angegebene Menge nach unten, aber auch in gewissem Umfang nach oben ausschlagen kann. Folglich untersteht auch dieser gewisse (aber nicht unbegrenzte) Ausschlag nach oben dem Vergabeverfahren und damit dem offenen und transparenten Wettbewerb. Darüber hinaus ist eine solche Angabe nicht nur dem Wortlaut nach ausdrücklich zulässig, sondern auch praxisgerecht. Würde die Schätzmenge eine Obergrenze darstellen, bestünde für Auftraggeber potenziell das Risiko, bei Überschreitung der sorgfältig ermittelten Schätzmenge selbst dann ein neues Vergabeverfahren einleiten zu müssen, wenn die gewisse Erweiterung des Umfangs noch nicht wesentlich im Sinne des § 132 GWB wäre. Denn es ist keinesfalls zwingend, dass der Auftragnehmer der Rahmenvereinbarung einer Auftragsänderung auch zustimmt. Um dieses Risiko zu vermeiden, könnten Auftraggeber nachvollziehbarer Weise in der Praxis dazu neigen, auch bei Unmöglichkeit einer der Höhe nach abschließend zu ermittelnden Menge quasi ins Blaue hinein einen Puffer hinzuzurechnen, der als Puffer intransparent wäre und daher zu einer unrealistischen Kalkulation auf Bieterseite führen könnte. Schließlich bedürfte es dem von der 2. VK Bund vorgeschlagenen Weg in Bezug auf die wesentliche Auftragsänderung ohnehin nur in Bezug auf die Fälle gemäß § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 3 GWB, da nur diese an feste Prozentsätze mit Bezug zum ursprünglichen Auftragswert anknüpfen. Gerade in dem von der VK Bund entschiedenen Fall besteht aber auch bei Gleichsetzen der Schätzwerte mit einer Obergrenze keine Klarheit, da auch der Begriff der erheblichen Ausweitung des Umfangs gemäß § 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GWB unbestimmt ist.

Soweit die VK Bund darüber hinaus auf den geschätzten Auftragswert nach § 3 Abs. 4 GWB abstellt, verstößt sie gegen den Wortlaut des § 132 GWB. Sowohl § 132 GWB als auch Art. 72 der RL 2014/24/EU sprechen von dem Wert des ursprünglichen Auftrags, letztere sogar explizit von dem Wert der ursprünglichen Rahmenvereinbarung und nicht von dem Auftragsschätzwert. Zudem übersieht sie, dass auch bei einer Rahmenvereinbarung regelmäßig ein ursprünglicher Auftragswert anhand des bezuschlagten Angebotes (in Verbindung mit der bekanntgemachten (geschätzten) Mengenangabe) ermittelt werden kann und sich dieser von dem Auftragsschätzwert unterscheiden kann. Richtigerweise ist daher wohl auf diesen ursprünglichen Auftragswert und nicht auf den Schätzwert abzustellen.

Bei Rahmenvereinbarungen erscheint es zweckmäßig, je nach Einzelfall zu unterscheiden:

–    Konnte der Auftraggeber das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau ermitteln, dass eine mengenmäßige Obergrenze feststeht, so ist diese feststehende Menge

o    zum einen für die Erschöpfung der Rahmenvereinbarung und für die Beurteilung einer erheblichen Ausweitung des Umfangs gemäß § 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GWB heranzuziehen, und

o    zum anderen für die Ermittlung des ursprünglichen Auftragswertes heranzuziehen, welcher sodann für wesentliche Auftragsänderungen gemäß § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 3 GWB heranzuziehen ist.

–    Konnte der Auftraggeber das in Aussicht genommene Auftragsvolumen nicht der Höhe nach abschließend ermitteln, weil dies nicht genau möglich war, kann die geschätzte Menge nicht als starre Obergrenze, sondern allenfalls als Anhaltspunkt mit gewissem Spielraum

o    zum einen für die Erschöpfung der Rahmenvereinbarung und für die Beurteilung einer erheblichen Ausweitung des Umfangs gemäß § 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GWB herangezogen werden, und

o    zum anderen für die Ermittlung des ursprünglichen Auftragswertes herangezogen werden, welcher sodann – sofern möglich – für wesentliche Auftragsänderungen gemäß § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 3 GWB heranzuziehen ist. Erscheint eine Beurteilung anhand der Prozentwerte aufgrund des Spielraumes bei dem Auftragswert nicht möglich, kann das Vorliegen einer Auftragsänderung noch immer anhand der allgemeinen Tatbestände des § 132 Abs. 1 GWB erfolgen.

Da auch die 2. VK Bund wenn auch nur im Hinblick auf Einzelmengen unterschiedlicher Leistungspositionen (hier: Stuhltypen) anerkennt, dass sich bei Rahmenvereinbarungen gewisse Unschärfen nie vermeiden lassen, stünde diese Lösung letztlich nicht im Widerspruch zu ihren grundsätzlichen Erwägungen.

Praxistipp

Bei laufenden Rahmenvereinbarungen sollten Auftraggeber über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg darauf achten, die abgerufenen Mengen nachzuhalten. Konnte die Menge im Vergabeverfahren abschließend bekanntgegeben werden und zeichnet sich eine Überschreitung der Menge noch während der Laufzeit ab, ist rechtzeitig zu überlegen, ob bzw. inwieweit eine Auftragsänderung gewollt und zulässig ist. Je nach Ergebnis ist rechtzeitig ein neues Vergabeverfahren einzuleiten, welches bei Erschöpfung der Menge nicht gegen das Verbot der missbräuchlichen Verwendung einer Rahmenvereinbarung verstößt. Konnte die Menge nicht abschließend ermittelt werden, besteht aufgrund der Entscheidung der VK Bund derzeit das geringere Risiko darin, sich bei der Beurteilung der Erschöpfung der Rahmenvereinbarung und einer Auftragsänderung nach der Schätzmenge bzw. dem ursprünglichen Wert der Rahmenvereinbarung als Obergrenze zu richten. Wird eine Rahmenvereinbarung (erneut) ausgeschrieben, könnte entsprechend der Empfehlung von Bock in den Vergabeunterlagen ein hypothetisch möglicher Auftragswert angegeben werden (Bock in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 37 VgV, Rn. 31.2, 31.1), um den gewissen Ausschlag nach oben mit einzubeziehen.

Constanze Hildebrandt

Die Autorin Constanze Hildebrandt ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Vergaberecht in Berlin und verfügt über langjährige Praxiserfahrung durch ihre vorangehende Tätigkeit als Unternehmensjuristin und zuletzt Leiterin eines Rechtsbereichs nebst Vergabestelle. Sie ist spezialisiert auf vergabe- und zuwendungsrechtliche Fragestellungen. Frau Hildebrandt berät schwerpunktmäßig öffentliche Auftraggeber und Zuwendungsempfänger bei der Vorbereitung und Durchführung von komplexen Vergabeverfahren einschließlich der Vertragsgestaltung.

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