Die Vergabekammer hat sich in einer lesenswerten Entscheidung mit etlichen schwierigen Themen des Vergaberechts befasst. Aus meiner Sicht sind drei Themenkomplexe hervorzuheben: Erstens die Frage, ob ein Auftraggeber an den Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gebunden ist, wenn er sich des Instruments der Rahmenvereinbarung bedient. Zweitens die Frage, ob und inwieweit ein Bieter in einem Vergabenachprüfungsverfahren überhaupt rügen kann, dass vertragsrechtliche Regelungen unzumutbar oder (zivilrechtlich) unwirksam seien. Und drittens, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Auftraggeber zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit z.B. neben einem Hauptlos ein Back-up-Los bilden darf. Die Vergabekammer hat auch noch weitere Highlights (oder besser: Evergreens) angesprochen, wie etwa die Zulässigkeit eines Bewertungssystems für Konzepte und die Frage der Zulässigkeit von Regelungen zur Vertragserweiterung, letztere hier aus Platzgründen dann nicht näher ausgeleuchtet.
GWB § 97, § 121; VgV § 21, § 30
Sachverhalt
Gegenstand der Vergabe war der Betrieb, die Wartung, Inspektion sowie Instandsetzung von verschiedenen Heiz-, Wärme- und Warmwasseranlagen über sechs Jahre mit zweimaliger Verlängerungsoption um jeweils weitere fünf Jahre, also nach Adam Riese bis höchstens 16 Jahre. Die Leistung wurde in 12 Lose aufgeteilt. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit hat der Auftraggeber weitere 12 Lose als Back-up vorgesehen. Im Back-up-Fall sollten dann die Festlegungen des Betreiber-Vertrags gleichermaßen gelten. Eine Bindung als Backup-Vertragspartner kam nur für solche Lose in Betracht, bei denen der Bieter keinen Zuschlag auf die Hauptleistung erhalten hat.
Ein Bieter war der Ansicht, dass die Abgabe eines chancenreichen Angebotes nicht möglich sei, da die Leistungen nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben worden seien. Die Abgabe vergleichbarer Angebote sei deshalb nicht zu erwarten, eine echte Wettbewerbssituation sei nicht gegeben. So fehle eine klare Definition der Leistungs- und Liefergrenzen in Bezug auf die Komponenten der Fernwärmeanlagen. Für eine kaufmännische Kalkulation sei Kenntnis über Art und Umfang der Mitwirkungsleistung des Auftraggebers zur Übergabe der Anlagen erforderlich. Es fehlten auch überwiegend Mengenangaben sowie die Offenlegung des Zustands der zu übernehmenden Technik. Ohne Mengenangaben sei auch für ein fachkundiges Unternehmen keine kaufmännische Kalkulation möglich. Auch sei die Angabe der jeweiligen Hersteller, des Inbetriebnahmedatums, ob die Anlage vom Hersteller, einem zertifizierten Partner oder jedem Fachbetrieb betrieben, instandgehalten und gewartet werden dürfe, relevant. Weiterhin seien vor dem Hintergrund der vertraglichen Sanktionen Angaben zum Meldeaufkommen von Störungen der letzten drei Jahre für die Kalkulation ebenso erforderlich, wie Vorgaben bzw. einzuhaltende Parameter oder Toleranzgrößen hinsichtlich der geschuldeten Überwachung der Anlagen.
Der Bieter ließ dann noch viele weitere Rügen folgen, die allesamt in diese Richtung liefen.
Mit Blick auf verschiedene vertragsrechtliche Vorgaben war die Antragstellerin der Ansicht, dass diese unzumutbare Risiken darstellten und es nicht möglich sei, unmögliche Forderungen im Wege einer vernünftigen kaufmännischen Kalkulation einzupreisen.
Die Entscheidung
Die Vergabekammer gab dem Bieter (Antragsteller) weitestgehend recht. Sie stellte zunächst fest, dass es sich bei dem Betreibervertrag um eine Rahmenvereinbarung im Sinne des § 103 Abs. 5 S. 1 GWB handele und führte dies näher anhand der Regelungen des Betreibervertrages aus. Aus ihren Ausführungen folgert sie, dass „[…] die Antragsgegnerin gegen § 21 Abs. 1 VgV verstoßen [hat]. Die Antragsgegnerin übersieht insoweit, dass sie nach vorgenannter Norm verpflichtet ist, das Auftragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben. Dieser Verpflichtung ist sie vorliegend nicht nachgekommen.“ Der Auftraggeber habe da nicht einmal ein über die bekanntgemachten Anlagen hinausgehendes ungefähres Volumen genannt. Ebenfalls überschreite die Rahmenvereinbarung die Regelfrist gemäß § 21 Abs. 6 VgV von maximal vier Jahren.
Der Auftraggeber sei verpflichtet, die Leistungsbeschreibung so auszugestalten, dass eine vernünftige Kalkulation und die Abgabe vergleichbarer Angebote ermöglicht würden. Eine Grenze bilde insoweit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und finde sich im Mach- und Zumutbaren. Im vorliegenden Fall sei eine vernünftige Kalkulation nicht möglich. Mit Erfolg moniere die Antragstellerin die fehlenden Angaben zu Anlagenherstellern, -errichtern, den Inbetriebnahmedaten sowie zu Herstellervorgaben hinsichtlich der Qualifikation des einzusetzenden Personals. Das gleiche gelte insoweit auch für die fehlenden Angaben zur Anzahl der Zähler, zur Speichergröße der Trinkwassererwärmer und deren Reinigung, zur Anzahl der Druckhalterungen und der Zuordnung der Anlagenverantwortlichkeiten.
Die von der Antragstellerin gerügten vertragsrechtlichen Regelungen zur Bindung der Nachunternehmer, zur Vertragsstrafe, zur Videoüberwachung sowie zur Anwendung des Verbraucherpreisindexes in der Preisgleitklausel begründeten keinen vergaberechtlich relevanten Verstoß. Vertragsrechtliche Regelungen könnten von den Nachprüfungsinstanzen grundsätzlich nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit hin überprüft werden. Sollten Klauseln zivilrechtlich zu beanstanden sein, sei es Sache der Zivilgerichte, diese zu prüfen und ggf. zu korrigieren.
Die Backup-Lose verstießen gegen die Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit, der Transparenz und des Gebots des fairen Wettbewerbs sowie gegen das Missbrauchsverbot nach § 21 Abs. 1 S. 3 VgV. Das Verbot der Doppelvergabe sei in § 21 VgV nicht mehr ausdrücklich geregelt, ergebe sich jedoch insoweit aus dem Wettbewerbsgebot und letztlich auch aus dem Missbrauchsverbot nach § 21 Abs. 1 S. 3 VgV.
Des Weiteren stelle das bloße Inaussichtstellen eines Auftrags, wie es nach obigen Ausführungen im Falle der Backup-Lose der Fall sei, einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar, der das Aufgreifen seitens der Vergabekammer von Amts wegen rechtfertige.
Zwar müsste vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit ein Bieter kein Angebot auf eine aus seiner Sicht derart risikobehaftete Leistung abgeben. Ein solches Argument könne jedoch nicht herangezogen werden, um eine derart vergaberechtswidrige Vorgehensweise eines Auftraggebers zu rechtfertigen, die nicht nur den einzelnen Bieter unangemessen benachteilige, sondern in erheblicher Weise den Wettbewerb über einen Zeitraum von nahezu 16 Jahren selbst einschränke.
Rechtliche Würdigung
Das Ergebnis teile ich mit der Vergabekammer. Denn es lag aus meiner Sicht recht offenkundig eine Rahmenvereinbarung vor, die Vergabekammer hat dies im Einzelnen schön nachvollziehbar erläutert. Allein wegen der bis zu 16-jährigen Laufzeit (zur Erinnerung: grundsätzlich sind nur 4 Jahre erlaubt) der Hauptlose und Back-up-Lose war die Vergabe daher aufzuheben. Was den Auftraggeber hier geritten hat, ist für mich kaum nachvollziehbar, da solcherart Leistungen typischerweise von den öffentlichen Immobilienverwaltungen als Rahmenvereinbarungen ausgeschrieben werden und eine solch lange Laufzeit auch bereits aus haushaltsrechtlichen Gründen für diesen Leistungsgegenstand kaum begründbar sein kann.
Die Vergabekammer belässt es aber nicht bei der Feststellung eines Verstoßes gegen die Laufzeit (das allein hätte ja genügt), sondern widmet sich auch anderer Themen, denkt diese dann aber leider nicht immer zu Ende und liegt teilweise auch noch falsch. Aber der Reihe nach: Die Vergabekammer subsumiert die von dem Antragsgegner vorgebrachten vermeintlichen Unzulänglichkeiten der Leistungsbeschreibung an dem Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung und an 21 Abs. 1 Satz 2 VgV und kommt zu dem Ergebnis, dass gegen beides verstoßen wurde. Was die Vergabekammer dabei vollständig außer Acht lässt, ist, dass nach gewichtiger Meinung (so etwa des OLG Düsseldorf) der Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung bei Rahmenvereinbarungen naturgemäß nur eingeschränkt gilt. Darin liegt eine Unzulänglichkeit der Begründung, denn damit setzt sich die Vergabekammer überhaupt nicht auseinander. Oder darin liegt vielleicht auch die Sensation dieser Entscheidung: Denn wenn man den Prüfmaßstab der Vergabekammer anlegt, dann dürften viele der großen Rahmenvereinbarungen in Deutschland vergaberechtswidrig sein.
Eine weitere Frage, mit der sich die Vergabekammer befasst hat, ist, ob und inwieweit ein Bieter in einem Vergabenachprüfungsverfahren überhaupt rügen kann, dass vertragsrechtliche Regelungen unzumutbar oder (zivilrechtlich) unwirksam seien. Diese Frage treibt derzeit einige Vergabekammern und das juristische Schrifttum um. Der Anknüpfungspunkt ist, dass Unternehmen nach § 97 Abs. 6 GWB (nur) Anspruch darauf haben, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden. Vertragsrechtliche Regelungen, so wird angeführt, stellen solche Bestimmungen über das Verfahren schlicht nicht dar. Meines Erachtens ist dies mit Blick auf die Definition der Vertragsunterlagen in § 29 VgV (Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen) sowie dem allgemeinen Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatz zu kurz gefasst. Denn selbstverständlich können vertragsrechtliche Regelungen für einen Angebotsvergleich im Wettbewerb relevant sein und häufig ist es auch gar nicht so leicht zu sagen, ob eine Anforderung nun in den Vertrag oder in die Leistungsbeschreibung geschrieben werden soll. Auch an dieser Stelle hat sich die Vergabekammer mit diesen Grundsatzfragen nicht näher befasst. Eine nähere Auseinandersetzung wäre wünschenswert gewesen, wenn sich die Vergabekammer schon hierzu einlässt (was sie nicht musste).
Am kritikwürdigsten sind jedoch die Ausführungen der Vergabekammer zu der Back-Up-Vergabe des Auftraggebers. Denn liest man sich diese unbefangen durch, so wird der geneigte Leser zu dem erstaunlichen Ergebnis kommen, dass die Vergabekammer Berlin Back-Up-Vergaben als vergaberechtswidrig ansieht.
Die Vergabekammer schreibt unter anderem:
„Mit der Bezuschlagung auf die Backup-Lose wird lediglich eine rein theoretische Leistungserbringung in Aussicht gestellt, ohne dass es der Antragsgegnerin unmittelbar möglich ist, auf deren Erforderlichkeit bzw. auf ihren Eintritt überhaupt einzuwirken. Hinsichtlich des Auftragsvolumens kann die Antragsgegnerin letztlich keinerlei Angaben machen, da sie nicht wissen kann, ob überhaupt und ggf. wann der Vertrag über das jeweilige Backup-Los tatsächlich zur Ausführung gelangen wird.“
Das kann nicht richtig sein, und ist es auch nicht. Das liest sich so, als habe die Vergabekammer noch nie etwas von dem Konzept der Versorgungssicherheit gehört. Die Vergabekammer gelangt zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Doppelvergabe handelt und solche vergaberechtlich unzulässig seien. Zum Beleg zitiert sie Völlink/Kraus in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht 3. Auflage 2018, § 21 VgV, Rn. 11 und Biemann in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl. 2019, § 21 VgV.
Richtig ist zunächst, dass die herrschende Auffassung in der Literatur davon ausgeht, dass das grundsätzliche Verbot der Mehrfach- oder Doppelvergabe bzw. die Sperrwirkung durch die Neuregelung in § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV nicht fallen gelassen werden sollte, sondern weiterhin normativ aus der Neuregelung selbst bzw. aus dem allgemeinen Wettbewerbsgrundsatz folgt. In der Begründung des Referentenentwurfs zu § 21 Abs. 1 VgV heißt es auch: Satz 3 verbietet Mehrfachvergaben. Hinzuweisen ist indes, dass sich eine Regelung wie in § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV nicht in Artikel 33 der Richtlinie 2014/24 findet und es sich also um eine rein deutsche Regelung handelt. Damit ist zu konstatieren, dass ein genereller Grundsatz des Verbots der Mehrfachvergabe im EU-Vergaberecht schon keine Stütze findet (so etwa auch Schrotz in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht 3. Auflage 2019, VgV § 21, Rn. 95 ff). Solche dogmatischen Fingerübungen können aber letztlich dahinstehen, denn selbst wenn man von dem Grundsatz des Verbots der Doppelvergabe ausgeht, so ist doch ganz logisch und auch anerkannt, dass es im Fall der Versorgungssicherheit eine Ausnahme geben muss. Und dies wird sogar so in der von der Vergabekammer zitierten Rn. 11 von Völlink/Kraus in: Ziekow/Völlink, 3. Aufl. 2018, VgV § 21 vertreten (ebenso ausführlich: Wichmann, VergabeR 2017, 1, 6).
Denkbar ist gar die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zu einer Back-up-Vergabe aufgrund einer staatlichen Gewährpflicht, nämlich als Absicherung für den Ausfall der (dringend notwendigen) Hauptleistung (man denke an öffentliche KRITIS-Betreiber). Ob dies nun tatsächlich bei einer Anlagenwartung (wie hier) sinnvoll und zulässig ist, mag auf einer anderen Ebene diskutiert werden, wurde es aber von der Vergabekammer nicht. Fest steht, dass doch das typische an einer solchen Back-up-Leistung ist, dass der Auftraggeber hofft, dass es nie zum Ausfall kommt und logischer Weise auch nicht weiß, ob und wann und in welchem Ausmaß es dazu kommen könnte.
Es mutet dann in doppelter Hinsicht sehr befremdlich an, wenn die Vergabekammer kritisiert, der Auftraggeber habe,
„[…] keine Angaben zum Auftragsvolumen gemacht und ob überhaupt und ggf. wann der Vertrag über das jeweilige Backup-Los tatsächlich zur Ausführung gelangen wird und dass der Auftragnehmer verpflichtet wäre, für die gesamte Vertragslaufzeit entsprechende Ressourcen vorzuhalten, so dass er im tatsächlichen Auftragsfall nach spätestens acht Wochen einsatzbereit sein müsse.“
In doppelter Hinsicht, da bereits bei Nicht-Back-Up-Rahmenvereinbarungen ständig solche Ungewissheiten für die Auftragnehmer bestehen, bei tausenden gelebten Verträgen in Deutschland (Willkommen in der Realität mag man da der Vergabekammer zurufen). Bei einer Back-Up-Lösung handelt es sich aber doch in aller Regel schon gar nicht um denselben Leistungsgegenstand, so dass es hier schon gar keine Wettbewerbsbeeinträchtigung nach dem deutschen Verständnis des § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV gibt. Solche Back-up-Verträge (auch dual sourcing) sind auch international bekannt und anerkannt zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Am Rande sei übrigens darauf hingewiesen, dass das Thema der Wettbewerbsbeeinträchtigung vom EU-Richtliniengeber bei Rahmenvereinbarungen nie unter dem Gesichtspunkt der Mehrfachvergabe betrachtet wird, sondern kartellrechtlich. Auch § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV, der Satz 1 des Erwägungsgrunds 61 zur Richtlinie 2014/24 aufgreift, sollte richtigerweise daher kartellrechtlich betrachtet werden. Der EU-Richtliniengeber fürchtet nämlich, dass durch Rahmenvereinbarungen Monopolisierungen eintreten.
Dass vorliegend die Back-up-Lösung gleichwohl vergaberechtswidrig ist, hat daher nichts damit zu tun, dass es sich um eine vermeintliche Doppelvergabe handelt, sondern schlicht damit, dass diese Lösung 16 Jahre lang vertraglich dauern kann und damit gegen § 21 Abs. 6 VgV verstößt und auch gegen § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV. Denn bei einer derart langen Laufzeit liegt eine Wettbewerbsbeschränkung nahe, und auch die Unzumutbarkeit. Insofern zeigt sich hier eine gewisse Ähnlichkeit mit den Streusalzfällen. Was vorliegend ebenfalls problematisch sein dürfte, worauf die Vergabekammer auch hinweist, ist, dass die Backup-Lose zusätzlich dem Abfangen von Leistungsspitzen dienen sollten und für dieselbe Leistung, trotz noch bestehenden Vertrages mit dem ursprünglichen Auftragnehmer, eine parallele Leistungsverpflichtung erfolgt. So ganz klar ist das aber auch nicht. Denn kartellrechtlich gesprochen sind solche Öffnungsklauseln durchaus gern gesehen. Der Gefahr von Rahmenvereinbarungen bewusst, heißt es in Satz 2 des Erwägungsgrunds 61 zur Richtlinie 2014/24:
„Die öffentlichen Auftraggeber sollten aufgrund dieser Richtlinie nicht verpflichtet sein, Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen, die Gegenstand einer Rahmenvereinbarung sind, unter dieser Rahmenvereinbarung zu beschaffen.“
Praxistipp
Auch bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen sollten öffentliche Auftraggeber so gut es geht den Grundsatz der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung beherzigen und sich nicht darauf zurückziehen, dass die eigentliche Leistungsbestimmung ja dann beim Einzelabruf erfolge.
Die Vergabekammer Berlin ist in diesem Punkt meines Erachtens aber noch ein kleines gallisches Dorf, da sie den strengen Grundsatz 1:1 auch auf Rahmenvereinbarungen überträgt, was bislang keiner so recht tut. Vielleicht ist dies aber auch nur ein Anstoß und früher oder später wird die doch recht großzügige (laxe?) Handhabung mit Rahmenvereinbarungen in Deutschland (wahrscheinlich auch häufig zu Lasten der Steuerzahler) auch noch auf höherer Ebene moniert und kassiert.
Der Vergabe von Back-Up-Leistungen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit steht der vergaberechtliche Wettbewerbsgrundsatz, der in § 21 Abs. 1 Satz 3 VgV eine Konkretisierung gefunden hat, grundsätzlich nicht entgegen; hier unterliegt die Vergabekammer einem schwerwiegenden rechtlichen Irrtum. Denn selbstverständlich müssen solche Back-Up-Verträge zulässig sein, in bestimmten Fällen können sie sogar verpflichtend sein! (Zu denken ist an sog. KRITIS-Betreiber) Öffentliche Auftraggeber müssen im Fall der Vergabe von Back-Up-Leistungen jedoch vor allem den Transparenzgrundsatz berücksichtigen. Auch haushaltsrechtlich muss begründet werden, weshalb ein Back-Up-Vertrag vergeben werden soll, da dieser in aller Regel mit zusätzlichen Kosten für den Auftraggeber und einer zusätzlichen Belastung der Haushaltsmittel verbunden sein wird. Je geringer die Risikoeintrittswahrscheinlichkeit und die Risikoeintrittsfolgen, desto weniger lässt sich eine zusätzliche Belastung des Haushalts durch einen solchen Back-Up-Vertrag rechtfertigen. Dagegen ließe er sich rechtfertigen, wenn zwar die Risikoeintrittswahrscheinlichkeit gering ist, dafür jedoch die Risikoeintrittsfolgen erheblich sein können.
Dr. Roderic Ortner
Roderic Ortner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Vergaberecht sowie Fachanwalt für IT-Recht. Er ist Partner in der Sozietät BHO Legal in Köln und München. Roderic Ortner ist spezialisiert auf das Vergabe-, IT und Beihilferecht und berät hierin die Auftraggeber- und Bieterseite. Er ist Autor zahlreicher Fachbeiträge zum Vergabe- und IT-Recht und hat bereits eine Vielzahl von Schulungen durchgeführt.
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