Das Interesse an einem zentralen Wettbewerbsregister zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Kartellverstößen ist groß. Es ermöglicht Vergabestellen, schwerwiegende Rechtsverstöße eines Unternehmens bei einem bundesweit zuständigen Register elektronisch abzufragen und eingetragene Verstöße im Vergabeverfahren zu berücksichtigen.
Das Wettbewerbsregistergesetz (WRegG), das die entsprechenden Voraussetzungen für eine solche bundesweit geführte elektronische Datenbank – das Wettbewerbsregister – regelt, ist bereits Juli 2017 in Kraft getreten (vgl. ). Die Umsetzung und der Aufbau der beim Bundeskartellamt angesiedelten Registerbehörde hat sich aufgrund organisatorischer und technischer Anforderungen seitdem hingezogen. Mit dem seit November 2020 vorliegenden Referentenentwurf der Wettbewerbsregisterverordnung (WRegVO) wurden die Bestimmungen des Wettbewerbsregistergesetzes konkretisiert. Damit soll der Start des Wettbewerbsregisters im ersten Quartal 2021 in die Wege geleitet werden.
Was erwartet die Vergabestellen und die Unternehmen?
Mitteilungsplicht der zuständigen Behörden
Zunächst eine zeitlich gestaffelte Einführung der Melde- und der Abfrageplicht.
Einen Monat nach Bekanntmachung der „Funktionsfähigkeit“ der Registerbehörde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Bundesanzeiger müssen die Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden eintragungspflichtige Informationen mitteilen. Abfragen erfolgen zunächst nur auf freiwilliger Basis.
Melde- und eintragungspflichtig sind rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidungen und Bußgeldentscheidungen, die zwingende Ausschlussgründe nach § 123 GWB und fakultative Verstöße nach § 124 GWB wie Betrug gegen öffentliche Haushalte, wettbewerbsbeschränkende Absprachen, Verstöße gegen Kartellrecht oder gegen das Schwarzarbeiter-, das Mindestlohn-, das Arbeitnehmerüberlassungs- oder das Arbeitnehmerentsendegesetz beinhalten.
Bei einer Sanktion gegen eine natürliche Person in einem Unternehmen muss das jeweilige Delikt dem Unternehmen zuzurechnen sein. Das ist immer dann der Fall, wenn die Person in leitender Funktion für das jeweilige Unternehmen gehandelt hat.
Die Registerbehörde prüft die übermittelten Daten auf offensichtliche Fehlerhaftigkeit und muss den betroffenen Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme geben.
Da nur deutsche Behörden zur Meldung verpflichtet sind, werden im Ausland ergangene Strafurteile nicht im Register erfasst.
Abfragepflicht der Vergabestellen
Sechs Monate nach der Inbetriebnahme des Registers, also frühestens ab Herbst 2021, beginnt die Abfragepflicht.
Vor Zuschlagserteilung müssen dann alle Vergabestellen ab einem Auftragswert von 30.000 Euro netto (Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber ab Erreichen des jeweiligen Schwellenwerts von aktuell 428.00 Euro netto bzw. 5.350.000 Euro netto) beim Register elektronisch abfragen, ob das Unternehmen, das den Auftrag erhalten soll, im Wettbewerbsregister eingetragen ist. Unterhalb dieser Wertgrenzen können Auftraggeber freiwillig das Register abfragen. Damit entfallen die bislang üblichen Abfragen aus etwaigen Landeskorruptionsregistern und dem Gewerbezentralregister.
Der Auftraggeber entscheidet aber auch im Falle eines Eintrags nach wie vor in eigener Verantwortung über den Ausschluss eines Unternehmens im jeweiligen Vergabeverfahren. Somit hat ein Eintrag nicht automatisch den Ausschluss zur Folge. Sofern allerdings bei einem Unternehmen zwingende Ausschlussgründe nach § 123 GWB eingetragen sind, besteht kein Spielraum der Vergabestelle, diesem Bieter den Zuschlag erteilen zu können.
Löschung durch Zeitablauf oder durch vorzeitige Selbstreinigung
Die Löschung eines Eintrags erfolgt durch Zeitablauf oder vorzeitig bei nachgewiesener Selbstreinigung des betroffenen Unternehmens.
Die Löschung ist bindend: ein Unternehmen darf nicht wegen eines gelöschten Eintrags ausgeschlossen werden.
Bei reinem Zeitablauf erfolgt die Löschung bei einer Straftat, die unter § 123 GWB, das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt oder unter Steuerentziehung fällt, nach fünf Jahren ab dem Tag der Rechts- oder Bestandskraft. Ansonsten werden Eintragungen grundsätzlich drei Jahre nach der Unanfechtbarkeit der Entscheidung gelöscht.
Unternehmen können vor Fristablauf eine Löschung des Eintrags beantragen, um einem Ausschluss vorzubeugen. Dafür muss ein berechtigtes Interesse an einer vorzeitigen Löschung glaubhaft gemacht und nachgewiesen werden, dass entsprechende Selbstreinigungsmaßnahmen nach § 125 GWB durchgeführt worden sind. Die Möglichkeit, das auch erst im jeweiligen Vergabeverfahren nachzuweisen, besteht nach wie vor.
Die Registerbehörde ermittelt beim Antrag auf vorzeitige Löschung von Amts wegen und kann geeignete Gutachten oder andere Unterlagen zur Bewertung der vorgenommenen Selbstreinigungsmaßnahmen fordern. Die Auswahl und Beauftragung eines neutral und unabhängigen Gutachters ist Sache des Unternehmens.
Die Einzelheiten zur Ausgestaltung der Selbstreinigung sollen in aktuell noch nicht vorhandenen Leitlinien festgelegt werden.
Möglichkeiten der Unternehmen
Unternehmen können einmal jährlich eine gebührenpflichtige Selbstauskunft beantragen.
Sie müssen über eine bevorstehende Eintragung informiert werden und erhalten eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme. Sofern ein Unternehmen nachweist, dass die übermittelten Daten fehlerhaft sind, darf eine Eintragung nicht bzw. nur in korrigierter Version erfolgen.
Soweit eine Eintragung erfolgt ist oder bevorsteht, haben die Unternehmen über einen bevollmächtigten Anwalt unbeschränkte Akteneinsicht. Ist der Eintrag aus Sicht der Unternehmen fehlerhaft, nicht gerechtfertigt oder erfolgt keine Löschung trotz Fristablauf oder nachgewiesener Selbstreinigung, steht der Rechtsweg beim Vergabesenat des Oberlandesgericht Düsseldorf offen.
Die Möglichkeit eines „proaktiven“ Sperrvermerks oder eines Widerspruchs, wenn ein Unternehmen eine Eintragung befürchtet, ist eben so wenig wie der Drittschutz für andere Unternehmen vorgesehen.
Ausschließlich elektronische Abwicklung
Um schnelle Abläufe im Vergabeverfahren zu ermöglichen, soll der Ablauf über die elektronische Datenbank des Wettbewerbsregisters nicht nur beim Melde- und Abfrageprozess, sondern auch im Rahmen der Prüfung der Selbstreinigung vollständig elektronisch erfolgen. Die organisatorischen und technischen Anforderungen sind im Einzelnen in der Wettbewerbsregisterverordnung geregelt.
Die Übermittlung sowie die Abfrage von Daten erfolgen entweder über die durch die Registerbehörde bestimmte Schnittstelle oder das von der Registerbehörde bereitgestellte registrierungspflichtige Portal (wettbewerbsregister.de).
Im Rahmen der sonstigen Kommunikation, insbesondere mit Unternehmen, ist darüber hinaus das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo), das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) und der Postfach- und Versanddienst eines De-Mail-Kontos vorgesehen, wobei die auf der Internetseite der Registerbehörde bereitgestellten Standardformulare zu verwenden sind.
Fazit
Auch wenn sich das Wettbewerbsregister auf der Zielgeraden befindet, wird der Start für alle Beteiligten voraussichtlich nicht leicht.
Bei der elektronischen Kommunikation ist vorgesehen, dass die Auftraggeber über das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) verfügen. Dies ist jedoch aktuell nicht bei allen Vergabestellen gewährleistet. Der Verweis auf der Webseite des Bundeskartellamts, dass – soweit noch nicht vorhanden – die Auftraggeber zeitnah ein elektronisches Behördenpostfach einrichten sollen, hilft in der Realität nicht weiter.
Auch auf die Ausgestaltung der Leitlinien in Bezug auf die Anforderungen im Selbstreinigungsprozess darf man gespannt sein.
Letztendlich muss sich das Wettbewerbsregister erst einspielen, um beurteilen zu können, wie praxistauglich es als zentrales Register für eine schnelle und zuverlässige Information der Auftraggeber aber auch als zentrale Anlaufstelle für eine neutrale und verlässliche Prüfung eines Eintrags oder einer Löschung im Hinblick auf die Interessen der Unternehmen ist.
Monika Prell
Monika Prell ist Fachanwältin für Vergaberecht und Partnerin bei der Kanzlei SammlerUsinger in Berlin. Sie verfügt über umfangreiche Erfahrung im Vergaberecht und berät sowohl öffentliche Auftraggeber bei der Vorbereitung, Konzeption und Gestaltung sowie der anschließenden Durchführung von Vergabeverfahren als auch Bieterunternehmen umfassend bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus vertritt Monika Prell ihre Mandanten vor den Vergabenachprüfungsinstanzen. Neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit ist sie als Kommentarautorin tätig, veröffentlicht regelmäßig Fachaufsätze und führt laufend Seminare und Workshops im Vergaberecht durch.
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