Die Bauzinsen sind niedrig, Investoren suchen ständig nach Projekten, Wohnraum ist knapp und Bauland heiß begehrt. Es verwundert daher kaum, dass kommunale Grundstücksverkäufe die Rechtsprechung immer wieder beschäftigen. Grundstücksgeschäfte der öffentlichen Hand bewegen sich dabei in einem komplexen Spannungsfeld zwischen Verfassungsrecht, Vergabe- und Haushaltsrecht sowie Beihilferecht. Hier schlummern Fallstricke sowohl für die öffentliche Hand als auch für die Investorenseite. Eine aktuelle Entscheidung des VG Hannover gibt Anlass, sich die Grundsätze zur Einordnung kommunaler Grundstücksveräußerungen zu vergegenwärtigen.
§ 40 Abs. 1 VwGO, Art. 3 Abs. 1 GG
Leitsätze (nicht amtlich)
1. Ein Auswahlverfahren für eine Grundstücksveräußerung der öffentlichen Hand unterliegt in der Regel dem Privatrecht. Der Verwaltungsrechtsweg ist daher nicht eröffnet.
2. Die öffentliche Hand unterliegt bei Auswahlverfahren für Grundstücksveräußerungen öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.
Sachverhalt
Der Verwaltungsausschuss einer Gemeinde beschließt Verkaufsbedingungen für die Veräußerung gemeindeeigener Baugrundstücke. Danach sollen auf den Grundstücken Eigenheime gebaut werden, die von den Käufern für eine bestimmte Zeit selbst bewohnt werden müssen. Ein Ehepaar möchte zwei nebeneinanderliegende Grundstücke erwerben, um ein EFH über beide Bauplätze zu errichten. Als die Gemeinde mitteilt, dass pro Interessenten nur ein Grundstück verkauft werde, er klären die Interessenten, dass der Ehemann das eine und die Ehefrau das andere Grundstück erwerben wolle. Alternativ sei man auch an einem anderen Grundstück interessiert. Die Gemeinde lehnt erneut ab. Die Ehefrau sei bereits Eigentümerin von sechs Grundstücken. Ziel der Gemeinde sei es, Familien die Möglichkeit zur Errichtung eines Eigenheims zu geben. Das Ehepaar beantragt daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, um die Gemeinde zur Veräußerung verpflichten zu lassen.
Die Entscheidung
Das Verwaltungsgericht hält den Verwaltungsrechtsweg nicht für eröffnet und verweist den Rechtsstreit an das Landgericht. Der Grundstücksverkauf unterliege ebenso wie das von der Kommune durchgeführte Auswahlverfahren dem Privatrecht.
Dass die Kommune bei ihrem Handeln möglicherweise zumindest mittelbar öffentliche Aufgaben wahrnehme, sei für die Bestimmung des Rechtswegs unerheblich. Auch aus dem Umstand, dass die öffentliche Hand bei dem Auswahlverfahren öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliege, folge nichts anderes. Durch die öffentlich-rechtlichen Bindungen werde lediglich die Privatrechtsordnung ergänzt, modifiziert und überlagert, ohne dass darum das Verwaltungshandeln selbst dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre.
Rechtliche Würdigung
Das Verwaltungsgericht knüpft an die Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Mai 2007 (6 B 10/07) zur Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte an. Danach ist die Aufnahme von Vertragsverhandlungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge dem Privatrecht zuzuordnen. Für den Abschluss privatrechtlicher Kaufverträge gilt nichts anderes. Der Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und die Bindung der öffentlichen Hand an Art. 3 Abs. 1 GG bei der Durchführung des Auswahlverfahrens ändern hieran nichts.
Praxistipp
Da schon der Rechtsweg nicht eröffnet war, musste sich das Verwaltungsgericht mit der materiell-rechtlichen Seite des Veräußerungsmodells der Gemeinde nicht näher beschäftigen. Diese Aufgabe obliegt nun dem Landgericht. Für die Besprechung im Vergabeblog gibt die Entscheidung aber Anlass, sich die Grundsätze zur rechtlichen Bewertung kommunaler Grundstücksveräußerungen zu vergegenwärtigen.
Nach den Vorgaben des kommunalen Haushaltsrechts können Kommunen Vermögensgegenstände veräußern, soweit sie sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit nicht benötigen. Das kommunale Haushaltsrecht verpflichtet die Gemeinde zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung und zur Veräußerung von Vermögensgegenständen zum vollen Wert. Der Wert von Grundstücken wird in der Regel durch ein Verkehrswertgutachten ermittelt. Beschränkt sich die Rolle der Gemeinde, wie im vom VG Hannover entschiedenen Fall, ausschließlich auf die Rolle eines Grundstücksverkäufers, wird sie jedenfalls wenn die Initiative zur Grundstücksveräußerung von ihr selbst ausgeht aufgrund ihrer Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahl- bzw. Bieterverfahren zur Auswahl der Käufer durchführen müssen. Insbesondere müssen die Durchführung des Bieterverfahrens und die Bedingungen für die Auswahlentscheidung hinreichend publik gemacht werden. Während des Bieterverfahrens muss sich die Kommune an die von ihr selbst aufgestellten Bedingungen halten und die Gleichbehandlung der Kaufinteressenten gewährleisten.
Insbesondere dann, wenn sich die Grundstücksveräußerung an Unternehmen bzw. Investoren richtet, lauern vergabe- und beihilfenrechtliche Fallstricke. Zwar gilt grundsätzlich, dass das GWB-Vergaberecht auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines städtischen Grundstücks nicht anwendbar ist, weil keine Beschaffung der öffentlichen Hand vorliegt. Auch die Ausübung städtebaulicher Regelungszuständigkeiten wie der Erlass eines Bebauungsplans stellt keine Beschaffung dar.
Vergaberecht kommt aber dann ins Spiel, wenn in der Grundstücksveräußerung quasi eine eingekapselte Beschaffung von Leistungen durch die Kommune liegt. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn mit der Grundstücksveräußerung eine Bauleistung verbunden ist, die der Stadt unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und bei der die Stadt einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat (§ 103 Abs. 3 Satz 2 GWB). Von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse eines öffentlichen Auftraggebers an einer Bauleistung ist nach der Grundsatzentscheidung des EuGH in der Rechtssache Helmut Müller (Urt. v. 25.3.2010 C-451/08) dann auszugehen, wenn der öffentliche Auftraggeber
– Eigentümer der Bauleistung oder des zu errichtenden Bauwerks werden soll,
– über einen Rechtstitel verfügen soll, der ihm die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf die öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt,
– wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann,
– an der Erstellung des Bauwerks finanziell beteiligt ist (etwa in Form eines Baukostenzuschusses) oder
– Risiken im Fall eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks trägt.
Beihilfenrechtlich kann die Veräußerung kommunaler Liegenschaften unter ihrem Marktwert eine rechtswidrige Beihilfe zugunsten des kaufenden Unternehmens darstellen. Ausschließen lässt sich der Beihilfetatbestand grundsätzlich durch die Durchführung eines wettbewerblichen, transparenten, diskriminierungs- und bedingungsfrei ausgestalteten Bieterverfahrens. Bedingungsfrei in diesem Sinne ist eine Ausschreibung nach Auffassung der EU-Kommission allerdings nur dann, wenn grundsätzlich jeder potenzielle Bieter teilnehmen und den zum Verkauf stehenden Vermögenswerte für eigene Zwecke zu nutzen kann. Verknüpft die öffentliche Hand die Grundstücksveräußerungen mit bestimmten Bedingungen, kann das potenzielle Bieter abschrecken oder sich negativ auf die Höhe des Angebots auswirken. Ein Höchstgebot in einem solchen Ausschreibungsverfahren würde dann nicht notwendigerweise den Marktpreis widerspiegeln. Allerdings kann der Marktwert eines Grundstücks u.U. auch anders nachgewiesen werden. Ein vor Abschluss des Kaufvertrags eingeholtes Wertgutachten kann dafür ein geeignetes Mittel sein.
Wenn die Veräußerung eine Binnenmarktrelevanz aufweist, kann eine Gemeinde einer Verpflichtung zur Durchführung eines transparenten Bieterverfahrens mit sachgerechten Vergabekriterien und verfahrensmäßigen Mindeststandards unterliegen. Von einer Binnenmarktrelevanz ist dann auszugehen, wenn an dem Erwerb ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse seitens Unternehmen aus anderen EU-Staaten besteht. Dabei spielen grundsätzlich Faktoren wie der Wert oder der Ausführungsort (Grenznähe) eine Rolle. Ist danach ein Bieterverfahren erforderlich, so muss die Kommune ihre Veräußerungsabsicht ausreichend publik machen (z.B. in der überregionalen Presse, Immobilienanzeigern, u.U. auch als freiwillige Bekanntmachung im Amtsblatt der EU). Die Auswahl des Investors bzw. des Angebots hat anhand transparenter Anforderungen an die Eignung des Unternehmens und die Auswahl des Angebots (Preis, zweckmäßigerweise aber auch anhand von Konzepten, z.B. zu Aspekten der Nachhaltigkeit oder der Architektur) zu erfolgen.
Eine Nichtbeachtung der vergabe- und beihilferechtlichen Regelungen kann für die Kommune und die Investorenseite schwerwiegende Folgen haben. Wird der Grundstückskaufvertrag von einer Vergabekammer für von Anfang an unwirksam erklärt oder ist er aufgrund Verstoßes gegen das Beihilfeverbot nichtig, besteht ggf. eine Verpflichtung der Kommune zur Rückabwicklung des Vertrags. Dies kann vor allem bei einer zwischenzeitlichen Bebauung oder Weiterveräußerung des Grundstücks rechtlich und faktisch schwierige Situationen auslösen. Kommunen und Investoren sind daher gut beraten, im Vorfeld der Transaktion die besonderen rechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die für Grundstücksgeschäfte der öffentlichen Hand gelten.
Der Autor Dr. Tobias Schneider ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Vergaberecht im Berliner Büro der Kanzlei Dentons. Er berät Unternehmen und öffentliche Auftraggeber bei allen vergaberechtlichen Fragestellungen und vertritt deren Interessen in Vergabeverfahren und vor den Nachprüfungsinstanzen.
Hallo,
sind kommunale Betriebe wie die Stadtwerke bei der Veräußerung von Grundstücken ebenfalls zur Durchführung eines wettbewerblichen, transparenten, diskriminierungs- und bedingungsfrei ausgestalteten Bieterverfahrens verpflichtet und können Bieter nach dem Verfahren verlangen, dass man ihnen die Höhe des Bestgebotes nennt?
Und kann ein Bieter verlangen, die Gründe zu erfahren, warum letztlich der Verkauf zurückgestellt wurde?
Guten Tag,
Unsere Gemeinde hat auf ihrer Hompage drei der Gemeinde gehörenden Flurstücke zum Verkauf ausgeschrieben, davon 2 Waldflurstücke (9.620 qm und 2.780 qm).
Bei zwei der angebotenen Flurstücke steht unter dem Punkt „Verkehrswert“ : „wird ermittelt“.
Auf Anfrage wurde mir mitgeteilt, dass man zuerst die Angebote von Interessenten abwarten will und erst danach ein Verkehrswert-Gutachten (auf Kosten des Höchst-Bieters) erstellen lassen möchte. Damit will man die Kosten für ein Verkehrswert-Gutachten sparen, sollte sich kein Interessent finden. Der Ablauf scheint mir nicht logisch.
Warum soll man sich mit einem Höchstgebot bewerben um danach ein Verkehrswert-Gutachten abzuwarten, dass ggf. höher als das Höchstgebot ist? In diesem Fall müsste der Höchstbietende neben den Gutachterkosten auch noch einen höheren Preis zahlen. Oder er nimmt vom Kauf Abstand und die Ausschreibung müsste neu erfolgen. Soweit das Gutachten weniger als das Höchstangebot sein sollte ist der Ablauf für mich ebenso wenig nachvollziehbar.
Ist eine Gemeinde bei beabsichtigten Verkäufen von Flurstücken verpflichtet einen Verkehrswert, Buchwert oder Mindestverkaufswert in der Ausschreibung anzugeben?
Mir ist bekannt, dass ein Gemeinderat an zwei der Flurstücke interessiert ist und von zwei der Flurstücke auch den Buchwert aus der Verwaltung mitgeteilt bekommen hat. Dieser Gemeinderat hat mit gegenüber also eindeutige Wissens-Vorteile.
Meine Frage:
Muss die Gemeinde in der Ausschreibung kommunaler Flurstücke einen Verkehrswert, Buchwert oder Mindestverkaufswert von Anfang an mit angeben oder kann sie die Ausschreibung ohne Preis vornehmen?
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
O. Schulz