Wenn öffentlichen Auftraggebern nicht genügend Personal zur Verfügung steht, liegt es nahe, externe Dienstleister zu beauftragen. In einem Fall, den die Vergabekammer des Bundes zu entscheiden hatte, benötigte der Auftraggeber offenbar vor allem bei der operativen Abwicklung von Vergabeverfahren Unterstützung. Streitig war, ob das auch schon Rechtsberatungsleistungen beinhaltete?
GWB § 97 Abs. 4; RDG § 2; VgV § 30
Die „technische“ Unterstützung des öffentlichen Auftraggebers bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens durch die weitgehend selbstständige Bearbeitung und Abwicklung des Verfahrens mit Ausnahme der Wertungsentscheidung stellt keine Rechtsberatung dar. Das gilt auch dann, wenn die Unterstützungsleistung eingehende vergaberechtliche Kenntnisse voraussetzt.
Eine Bundesanstalt schrieb mittels Rahmenvereinbarung selbständig zu erbringende Unterstützungsleistungen für verschiedene nationale und europaweite Ausschreibungen aus. Gegenstand der zu begleitenden Vergabeverfahren sollten Standardleistungen sein, welche die Unterhaltung, Pflege bzw. den Schutz von Immobilien betreffen. Der Auftraggeber rechnete hier mit keinem besonderen rechtlichen Prüfungs- bzw. Beratungsbedarf. Grund dieser Ausschreibung waren Personalengpässe des Auftraggebers in Abteilungen, die für die Abwicklung von Vergaben in operativer und kaufmännischer Sicht zuständig waren.
Laut Leistungsbeschreibung sollte der Dienstleister zwar „über langjährige Erfahrung in der Ausschreibung von öffentlichen Aufträgen im Ober- und Unterschwellenbereich verfügen sowie über eingehende Kenntnisse der einschlägigen vergaberechtlichen Regelungen.“ Er sollte auch die gesamten Vergabeverfahren – mit Ausnahme der Wertungsentscheidungen – weitgehend selbständig bearbeiten.
Auf eine entsprechende Bieterfrage stellte die Bundesanstalt aber klar, dass vorliegend keine Rechtsberatungsleistungen ausgeschrieben seien und der Schwerpunkt in der technischen Abwicklung der Vergabeverfahren liege. Die Entscheidungen über vergaberechtliche Fragestellungen sollten hingegen – wie die Wertungsentscheidungen – dem Auftraggeber vorbehalten bleiben.
Eine Rechtsanwaltsgesellschaft sah sich an der Angebotsabgabe gehindert und wollte mit einem Nachprüfungsantrag ein eigenes Fachlos für Rechtsberatungsleistungen erwirken.
Ohne Erfolg!
Der Vergabekammer des Bundes zufolge beinhalteten die streitgegenständlichen Leistungen keine Rechtsberatungsleistungen im Sinne des § 2 RDG, so dass auch eine weitere Losaufteilung entbehrlich war.
Als Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG sei jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten anzusehen, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordere. Dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nach komme es auf eine konkrete Subsumtion eines Sachverhaltes unter die maßgeblichen rechtlichen Vorschriften an, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen hinausgehe.
Vorliegend handelte es sich aus Sicht der Vergabekammer lediglich um eine derart schematische Rechtsanwendung.
So umfassten die in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Arbeiten nur
– die Überprüfung von vorbereiteten Vergabeunterlagen auf Vollständigkeit bzw. auf Umsetzung der vorgegebenen Muster, sowie
– die Erstellung eines Vergabevermerks auf Basis eines Musters.
– Soweit der Auftragnehmer Angebote auf der ersten und zweiten Wertungsstufe auswerten solle, sollte diese Prüfung allenfalls eine Schlüssigkeitsprüfung beinhalten.
– Etwaigen rechtlichen Prüfungsbedarf sollte der Auftragnehmer an den Auftraggeber melden, da im Einzelfall gebotene rechtliche Prüfungen bei diesem erfolgen sollten. Der Auftragnehmer sollte die Prüfungsergebnisse nur noch umsetzen.
– Auch die Aufgaben im Rahmen der Auskömmlichkeitsprüfung gemäß § 60 VgV sollten sich allein auf die Feststellung, dass eine im Vorfeld definierte Aufgreifschwelle überschritten sei sowie auf eine kaufmännisch gelagerte Kalkulationsprüfung.
Diese Leistungen setzten zwar vergaberechtliche Kenntnisse voraus, erforderten aber im konkreten Vergabeverfahren für die jeweilige konkrete Aufgabe keine vertiefte vergaberechtliche Prüfung.
Abzugrenzen waren diese Leistungen demnach von Leistungen, die auch die Rechtsanwaltskammer im Vorfeld des Nachprüfungsverfahrens auf eine entsprechende Anfrage des Antragstellers als rechtsanwaltliche Tätigkeit eingeordnet hatte:
– Das Vorbereiten und Verhandeln von Verträgen,
– die Durchsicht von Aufgabenstellungen und Leistungsbeschreibungen in rechtlicher Hinsicht,
– die Erstellung von rechtskonformen Formularen,
– die Wertung von Teilnahmeanträgen und Angeboten auf Rechtsfehler.
Auf den ersten Blick ist die Entscheidung vielleicht etwas ungewöhnlich, denn § 2 RDG ist keine vergaberechtliche Vorschrift. Die Kammer hat sich allerdings zu Recht mit der Reichweite dieser Norm befasst. Zwar setzt die Antragsbefugnis für einen Nachprüfungsantrag gemäß § 160 Abs. 2 GWB eine Rechtsverletzung durch einen Verstoß gegen eine Vergaberechtsvorschrift voraus. Es ist aber anerkannt, dass im Rahmen einer vergaberechtlichen Anknüpfungsnorm (inzident) auch außervergaberechtliche Bestimmungen zu prüfen sein können (vgl. z.B. in der jüngeren Rechtsprechung OLG Jena, Beschluss vom 12.06.2019 – 2 Verg 1/18, m.w.N.)
Im vorliegenden Fall war das Gebot der Losaufteilung gemäß § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB eine solche vergaberechtliche Anknüpfungsnorm. Wären die betroffenen Leistungen nämlich (teils) als Rechtsdienstleistungen einzuordnen, dann wäre von einem auf diese Leistungen spezialisierten Anbietermarkt auszugehen gewesen, und folglich möglicherweise ein eigenes Fachlos zu bilden.
Die Vergabekammer des Bundes lehnte dies indes in der Sache nachvollziehbar ab, wenn sie simple, rein schematische Tätigkeiten von einer rechtlichen Prüfung unterschied (vgl. ebenso z.B. BeckOK RDG/Römermann, RDG, § 2, Rn. 39). Der Fall zeigt aber, dass der Übergang zwischen beidem in der Praxis fließend und eine Abgrenzung schwierig sein kann. Insbesondere bei komplexen Projekten oder bei einem beispielsweise bedingt durch das Auftragsvolumen besonderen Risiko wird eine allein schematische Abwicklungsunterstützung meist nicht reichen. Ganz im Gegenteil wird hier sogar vielfach der Schwerpunkt der benötigten Unterstützung auf der rechtlichen Beratung liegen.
Eine andere – hier nicht zu entscheidende – Frage wäre im vorliegenden Fall gewesen, ob bei diesem einfach gelagerten Unterstützungsauftrag die konkreten Eignungsanforderungen tatsächlich noch mit § 122 Abs. 4 GWB vereinbar waren. Nach dieser Vorschrift müssen Eignungsanforderungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Praxistipp
Vergaberechtlich zulässig ist es also schon, lediglich die operative Unterstützung eines Auftraggebers bei Vergabeverfahren auszuschreiben und die vergaberechtliche Beratung dabei auszuklammern. Wenn das gewünscht ist, sollten Auftraggeber dies von vornherein klar regeln (insbesondere im Hinblick auf die Schnittstellen) und u.a. auch auf angemessene Eignungskriterien achten. Insbesondere bei großvolumigen oder komplexen Projekten dürfte eine solche Eingrenzung der Unterstützungsleistung aber selten sinnvoll sein.
Die Autorin Dr. Valeska Pfarr, MLE, ist Rechtsanwältin bei Menold Bezler Rechtsanwälte, Stuttgart. Sie ist auf das Vergaberecht spezialisiert, ein Schwerpunkt liegt hierbei auf der Beratung der öffentlichen Hand.
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