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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 02/03/2023 Nr. 52493

Öffentlicher Einkauf im Wege von Zulassungssystemen – Vom Regen in die Traufe  – oder, die Rechnung ohne den Wirt?

Als eleganter Weg, angeblichen vergaberechtlichen Restriktionen zu entkommen, erschien dem Bund seinerzeit die Beschaffung von Schutzmasken im Wege eines Zulassungssystems. Keine exklusive Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes, sondern jeder Anbieter, der die vom Auftraggeber gesetzten Anforderungen an die Eignung sowie die Leistungsbedingungen erfüllt, ist zu diesem System zuzulassen. Dabei ist die Zulassung gleichbedeutend mit einem Vertragsschluss (sog. open-house-Vertrag). Da ein wettbewerbliches Auswahlverfahren des wirtschaftlichsten Angebots und damit eine Exklusivität entfällt, liegt kein öffentlicher Auftrag vor, der die Anwendung des vermeintlich störenden Vergaberechts zu seinem Abschluss erforderlich machen würde.

Diese EU-rechtlich zulässige Möglichkeit (s. Erwägungsgrund 4 RL 2014/24/EU; im Weiteren hierzu EuGH, NZBau 2016, 441 – Dr. Falk Pharma) war dem Bund äußerst willkommen, um aufgrund der aus seiner Sicht vermeintlich hohen Dringlichkeit schnell und unbürokratisch den als notwendig erachteten Bedarf an Schutzmasken zu decken. Nicht nur die zahlreichen mittlerweile vor dem LG Bonn anhängigen Zivilverfahren aufgrund klagender Lieferanten, sondern auch die Frage, inwieweit nicht doch rechtliche Vorgaben des öffentlichen Auftragswesens greifen, berechtigt zu der Frage, ob nicht die Rechnung ohne den Wirt gemacht wurde und man vom Regen in die Traufe kam.

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob das gewählte Zulassungssystem nicht doch einen „Auftrag“ darstellt, der die Beachtung bestimmter Regeln des öffentlichen Auftragswesens erfordert.

1. Open-house-Vertrag – ein „Vertrag“ nach § 55 BHO

Das Vergaberecht in Deutschland stellt sich als „Kollisions- oder Verdrängungsrecht“ dar. Das GWB-Vergaberecht verdrängt bei Aufträgen ab Erreichen der maßgeblichen Schwellenwerte nach § 106 GWB das sog. Haushaltsvergaberecht gem. u.a. § 55 BHO. Somit ist Kollisionsfreiheit mit dem Haushaltsvergaberecht gewährleistet, welches unabhängig von Schwellenwerten oder Wertgrenzen stets bei der Ausgabe von Finanzmitteln zu beachten ist.

Ist der Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts allerdings erst gar nicht eröffnet, wie bei Zulassungssystemen (!), gibt es nichts zu verdrängen mit der Folge, dass das Haushaltsvergaberecht seine grundsätzliche Geltung beansprucht, wenn ein an Haushaltsrecht gebundener „institutioneller“ öffentlicher Auftraggeber Verträge iSd § 55 BHO schließt.

Zu fragen ist also, ob ein Vertragsschluss auf der Grundlage eines Zulassungssystems einen Vertrag iSd § 55 BHO darstellt. Falls ja, ginge kein Weg am Haushaltsrecht, insbesondere den Regeln des § 55 BHO sowie der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vorbei, soweit auch der personelle Anwendungsbereich des § 55 BHO eröffnet ist.

Bundesministerien sind als Einrichtungen der Gebietskörperschaft Bund an das Haushaltsrecht des Bundes und damit auch an die Beachtung des § 55 BHO gebunden sind. Sie sind institutionelle Auftraggeber.

Der sachliche Anwendungsbereich des § 55 BHO ist als „Verträge über Lieferungen und Leistungen“ gekennzeichnet. Eine weitere Eingrenzung des Begriffs findet sich nicht. Es handelt sich um gegenseitig verpflichtende Leistungsaustauschtauschverhältnisse iSd § 241 BGB. Im Weiteren wird der Begriff durch die Bezugnahme auf die UVgO ausgestaltet und konkretisiert (s. Nr. 2 VV § 55 BHO; vgl. Siegel, in: Münchener Kommentar, Vergaberecht II, Haushaltsvergaberecht, Rn. 39): Nämlich öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge (§1 Abs. 1 UVgO), die im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren und Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit sowie der Gleichbehandlung vergeben werden (§ 1 Abs. 1 u. 2 UVgO). Damit fordert auch die UVgO eine wettbewerbliche Vergabe, mit anderen Worten, die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots im Wettbewerb und somit eine Exklusivität. An der Vergabe im Wettbewerb und damit der Exklusivität fehlt es allerdings beim Vertragsschluss aufgrund eines Zulassungssystems. Damit dürfte beim Abschluss eines open-house-Vertrages zunächst kein Auftrag im Sinne der UVgO vorliegen.

Vertretbar wäre folglich, den Abschluss eines open-house-Vertrages nicht als Vertragsschluss i.S.d. § 55 BHO zu qualifizieren. Dies käme jedoch einer Nichtanwendungspflicht des Haushaltsrechts gleich und widerspräche dem Sinn und Zweck des Haushaltsrechtes, welches jede Verausgabung öffentlicher Mittel regelt, also auch den Abschluss eines open-house-Vertrages.

Allerdings lässt § 55 BHO eine weitere Tür offen: Eine öffentliche Ausschreibung oder eine beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb, also ein wettbewerbliches Vergabeverfahren ist nicht erforderlich, soweit nämlich die Natur des Geschäftes eine Ausnahme rechtfertigt.

Das Haushaltsvergaberecht verlangt die wettbewerbliche Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Das Verfahren ist so zu gestalten, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden kann. Ist ein Zuschlag allerdings nicht exklusiv auf das „wirtschaftlichste“ sondern auf alle Angebote vorgesehen, welche die gesetzten Anforderungen erfüllen, ist der Normzweck des § 55 BHO nicht berührt und kann folglich nicht verletzt werden. Ein Vergabeverfahren nach den Regeln des Unterschwellenvergaberechts ist nicht zwingend.

Es spricht damit einiges dafür, die nicht-wettbewerbliche Natur von Zulassungssystemen als eine Ausnahme i.S.d. § 55 Abs. 1, S. 1, 2. HS BHO anzuerkennen, sodass der Abschluss von open-house-Verträgen mangels wettbewerblicher exklusiver Auswahl weder ein Vergabeverfahren nach den Regeln des GWB-Teil 4 noch nach dem Haushaltsvergaberecht erfordert.

Allerdings verlangt der EuGH (a.a.O) bei open-house-Verträgen eine Transparenzpflicht. Zu beachten bleibt auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 BHO).

Soweit – fast – so gut. Das Recht des öffentlichen Auftragswesens geht nämlich über das Vergaberecht hinaus. Werden öffentliche Liefer- oder Dienstleistungsaufträge vergeben, stellt neben dem Vergaberecht die Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR Nr. 30/53) verbindliches Recht dar. Sie adressiert sowohl den öffentlichen Auftraggeber als auch die Unternehmen und gibt im Rahmen der Preisbildung zwingend einzuhaltende Regeln vor.

Die Beachtung der Verordnung ist bei Verträgen, die nicht nach den wettbewerblichen Verfahrensregeln des Vergaberechts vergeben werden müssen, umso bedeutsamer, weil die VO PR Nr. 30/53 mit ihren marktmäßigen Preisbildungsmechanismen unabhängig und neben dem Vergaberecht ihre Geltung beansprucht (vgl. Müller, in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, § 1, Rn 40). Mit seiner Anwendung wird darüber hinaus auch dem Gedanken des § 7 BHO Rechnung getragen.

2. Open-house-Vertrag – ein Vertrag iSd VO PR Nr. 30/53

Nachfolgend werden die Regelungen der Neufassung der VO PR Nr. 30/53 vom 01.04.2022 (Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (BAnz. 1953 Nr. 244), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 25. November 2021 (BGBl. I S. 4968 zugrunde gelegt. Dies ist hier insoweit nicht entscheidend, als die relevanten Merkmale der Marktgängigkeit der Leistung sowie der Verkehrsüblichkeit des Preises in der Neufassung lediglich anhand der schon früher geltenden Rechtsprechung und Literatur in die Verordnung übernommen wurden.

Öffentliche Aufträge im Sinne dieser Verordnung sind die Aufträge des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Eine konkrete Definition des öffentlichen Auftrages liefert die Verordnung genauso wenig, wie § 55 BHO in Bezug auf den Vertragsbegriff.

Der Wortlaut der Vorschrift macht jedoch deutlich, dass es sich dabei um einen Leistungsaustausch zwischen zwei verschiedenen Rechtspersonen, einem öffentlichen Auftraggeber und einem Fremdleistungserbringer handeln muss (vgl. Brüning, in: Münchener Kommentar zum Vergaberecht II, § 1 VO PR Nr. 30/53, Rn. 7). Gemeint sind Austauschverträge im Sinne eines „do ut des“ (Müller, in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, § 1 Rn. 12). Es zeigt sich, dass der Begriff des öffentlichen Auftrages im Sinne der Verordnung weiter gefasst ist als der vergaberechtliche Begriff. Erfasst sind nicht nur im Wege eines wettbewerblichen Auswahlverfahrens vergebene öffentliche Aufträge, sondern alle zustande gekommenen Leistungsaustauschverträge. Der Wettbewerbsbezug der VO PR Nr. 30/53 ergibt sich anders als im Vergaberecht, nicht aus dem wettbewerblichen Zustandekommen des wirtschaftlichsten Vertrages, sondern aus der marktmäßigen Preisbildung selbst.

Vom personellen Anwendungsbereich erfasst sind sowohl die institutionellen Auftraggeber als auch die Unternehmen (s. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53).

Demnach werden open-house-Verträge vom Anwendungsbereich der VO PR Nr. 30/53 erfasst.

3. Preisversprechen oder Preisvorgaben des Auftraggebers im Rahmen eines Zulassungssystems

Die Verordnung stellt als Wirtschaftsordnungsrecht hoheitliches Recht dar, welches unmittelbar die zulässige Preisgestaltung bei öffentlichen Aufträgen beeinflusst (S. Müller, in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Erläuterungen, Rn. 1 ff.; s. Pauka in: Preisbildung bei öffentlichen Aufträgen, Präambel, S. 10 f.). Sie verlangt die vorrangige Vereinbarung von Marktpreisen und sie ist als Höchstpreisverordnung ausgestaltet (§ 1 Abs. 1 u. 3 VO PR Nr. 30/53). Ein Verstoß gegen den Höchstpreisgrundsatz stellt einen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar, der grundsätzlich die Nichtigkeit der Preisvereinbarung zur Folge hat (Müller, in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, § 1 Rn. 101 ff. m.w.N.). An die Stelle der nichtigen Preisvereinbarung tritt der preisrechtlich zulässige Preis (Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, § 134, Rn. 26 f). Im Übrigen können Verstöße gegen die Vorgaben gem. § 11 VO PR Nr. 30/53 als Ordnungswidrigkeit sanktioniert werden.

Als problematisch erweisen sich in diesem Zusammenhang die im Rahmen eines Zulassungssystems durch öffentliche Auftraggeber vorzugebenden Preisvorgaben/Preisversprechen (s.u.). Zum einen ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, zum anderen darf der genannte preisrechtliche Höchstpreisgrundsatz nicht verletzt werden, wonach für Leistungen aufgrund öffentlicher Aufträge höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden dürfen, als nach den Bestimmungen dieser Verordnung zulässig ist (§ 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53).

a) Gleichbehandlung

Der Auftraggeber ist verpflichtet, im Rahmen eines vergaberechtsfreien open-house-Zulassungsverfahrens eine eigenständige Festlegung des Vertragspreises vorzunehmen, denn es ist entscheidend, dass keinerlei vergleichende Wertung der Angebote hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und entsprechende Auswahl erfolgt (S. VK Bund, Beschluss v. 07.05.2018 – VK 1-31/18; vgl. EuGH, Urteil v. 01.03.2018, C-9/17, „Tirkkonen“; und Urteil v. 02.06.2016, C-410/14, „Dr. Falk Pharma). In Erfüllung seiner Verpflichtung zur wirtschaftlichen Beschaffung hat sich der öffentliche Auftraggeber in einem open-house-Zulassungsverfahren daher auf eine entsprechende Preisvorgabe zu beschränken, die aus Gründen der Gleichbehandlung gerade nicht an der unternehmerischen Kalkulation einzelner Marktteilnehmer, sondern an einer Prognose auszurichten ist, dass mit diesem Preis der Beschaffungsbedarf tatsächlich am Markt realisierbar ist (VK Bund, a.a.O.). Voraussetzung eines zulässigen open-house-Verfahrens ist es u.a., dass der Auftraggeber die vorgegebenen Bedingungen (wie auch den Preis) vorher nicht mit Unternehmen verhandelt, sondern frei bestimmt (Fritz, Anforderungen an das Open-House und Prüfungsumfang der Vergabekammer – VK Bund, Beschl. v. 07.05.2018 – VK 1-31/18).

b) Marktpreisvorrang und preisrechtlicher Höchstpreisgrundsatz

Leider geht die Vergabekammer in ihrer Entscheidung nicht auf die ebenfalls zu beachtende VO PR Nr. 30/53 ein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verordnung neben der zwingenden Beachtung des Höchstpreisgrundsatzes vorrangig die Vereinbarung von Marktpreisen fordert, soweit für das anbietende Unternehmen für die Leistung ein Marktpreis feststellbar ist (§ 1 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53). Dieser stellt gleichzeitig den Höchstpreis im Sinne der Verordnung dar.

Im Falle des Nichtvorliegens eines Marktpreises des Unternehmens kommt ausnahmsweise ein Selbstkostenpreis nach §§ 5 ff. VO PR Nr. 30/53 zustande. Bei der Ermittlung des zulässigen Höchstpreises ist in diesem Fall auf die angemessenen Selbstkosten der Leistungserstellung bei wirtschaftlicher Betriebsführung des Unternehmens abzustellen (§ 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 i.V.m. Nr. 4 Leitsätze für die Preisermittlung aufgrund von Selbstkosten/LSP – Anhang zur VO PR Nr. 30/53). Ergänzt um einen zu vereinbarenden Gewinnzuschlag (Nr. 51 f. LSP) auf die zulässigen Selbstkosten ergibt sich der preisrechtlich zulässige Höchstpreis.

aa) Marktpreis

Für ein Unternehmen ist ein Marktpreis i.S.d. Verordnung feststellbar, wenn die nachgefragte Leistung marktgängig ist und der Preis sich als verkehrsüblich erweist (§ 4 Abs. 1 VO PR Nr. 53).

aaa) Marktgängigkeit der Leistung

Marktgängig ist eine Leistung, für die entweder im Zeitpunkt der Auftragsvergabe ein Markt aus Angebot und Nachfrage für diese Leistung mit funktionierendem Wettbewerb besteht (allgemeiner Markt), oder wenn zu ihrer Beschaffung durch ein Vergabeverfahren ein besonderer Markt geschaffen wurde, auf dem mindestens zwei Anbieter zuschlagsfähige Angebote abgegeben haben (§ 4 Abs. 2 und 3 VO PR Nr. 30/53).

Die Schaffung eines besonderen Marktes mittels Zulassungssystem ist auszuschließen, da ein Zulassungssystem gerade nicht durch ein Vergabeverfahren geschaffen wird. Folglich kommt nur eine Marktgängigkeit der Leistung auf dem allgemeinen Markt in Betracht. Marktgängig im oben genannten Sinn sind Leistungen auf dem allgemeinen Markt, wenn sie allgemein im wirtschaftlichen Verkehr hergestellt und gehandelt werden (Erster Runderlass betr. Durchführung der VO PR Nr. 30/53 (1953), Nr. 5a (abgedruckt in: Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller, Anhang 4).

Nachgefragt durch den Bund waren Schutzmasken für medizinisches und pflegerisches Personal, darunter OP-Masken, FFP2-Masken sowie FFP3-Masken. Diese werden allgemein im wirtschaftlichen Verkehr hergestellt und gehandelt und sind marktgängig auf einem allgemeinen Markt.

bbb) Verkehrsüblichkeit des Preises

Im Verkehr üblich ist der Preis, den der betreffende Anbieter für die Leistung im Wettbewerb regelmäßig durchsetzen kann. Für jeden Bieter ist individuell festzustellen, ob er die Leistung bereits am allgemeinen Markt regelmäßig umsetzen konnte und welchen (betriebssubjektiven) Preis er dabei in Konkurrenz zu anderen Anbietern durchzusetzen vermochte (s. § 4 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53).

Ist die zu beschaffende Leistung marktgängig und für das Unternehmen ein verkehrsüblicher, betriebssubjektiver Preis feststellbar, stellt dieser Preis den Marktpreis des Unternehmens für die Leistung dar.

bb) Selbstkostenpreis

Selbstkostenpreise sind preisrechtlich ausnahmsweise zulässig, wenn für das Unternehmen kein Marktpreis im Sinne des § 4 VO PR Nr. 30/53 feststellbar ist, oder eine Mangellage vorliegt, oder der Wettbewerb auf Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Preisbildung nach § 4 VO PR Nr. 30/53 nicht unerheblich beeinflusst wird (§ 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53).

Dass der Wettbewerb nicht funktionierte, ist nicht ersichtlich. Auch wenn die Beschaffung kurzfristig und zeitnah erfolgen sollte, kann nicht von einer Mangellage oder Beschränkung des Wettbewerbs auf Anbieterseite ausgegangen werden. Sowohl die angebotenen Mengen als auch die Vielzahl der Anbieter sprechen dagegen. Der existierende allgemeine Markt für Schutzmasken funktionierte.

Die Vereinbarung von Selbstkostenpreisen kommt demnach nur in Betracht, wenn für das Unternehmen kein Marktpreis nach § 4 VO PR Nr. 30/53 feststellbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn durch das Unternehmen keine regelmäßigen Umsätze, durch die sich ein betriebssubjektiver Preis ergibt, erzielt werden oder das Unternehmen mit der Leistung als „newcomer“ auf dem Markt auftritt und folglich noch keine Umsätze feststellbar sein können. Diese Feststellung hat Gegenstand einer Prüfung durch die zuständige Preisbehörde zu sein (s. § 9 VO PR Nr. 30/53).

c) Aufträge über gleiche Leistungen an mehrere Auftragnehmer

Werden Aufträge über gleiche Leistungen mehreren Auftragnehmern zu Selbstkostenpreisen erteilt, so sollen bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen in der Regel gleiche Preise vereinbart werden. Als gleich gelten Leistungen, die sich in Ausführung, Liefermenge, Lieferzeitraum und Lieferungs- und Zahlungsbedingungen im Wesentlichen entsprechen (§ 5 Abs. 4 S. 1 VO PR Nr. 30/53).

Die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn ausnahmsweise für die Leistung Selbstkostenpreise vereinbart werden dürfen. Dies kann der Fall sein, wenn z.B. für die Leistung ein allgemeiner Markt nicht existiert. Liegt ein allgemeiner Markt für die Leistung vor (s.o.), wird die Anwendung der Vorschrift nicht in Betracht kommen. Zudem muss es sich um die „gleiche Leistung“ handeln, für mit mehreren Auftragnehmern zulässigerweise ein Selbstkostenpreis vereinbart wird. Leistungen gelten nach der Legaldefinition der Vorschrift (s. § 5 Abs. 4 S. 2 VO PR Nr. 30/53) als gleich, wenn sie sich in Ausführung, in Liefermenge, Lieferzeitraum und Lieferungs- und Zahlungsbedingungen im Wesentlichen entsprechen.

Die Liefermenge etwa war im open-house-Zulassungssystem zur Maskenbeschaffung nicht vorgegeben.

d) Konsequenzen für die Preisbildung im Rahmen eines Zulassungssystems

Bezüglich der preisrechtlichen Vorgaben muss die Preisvorgabe des Auftraggebers dem preisrechtlich zulässigen Preis entsprechen oder darf zumindest nicht höher sein als der preisrechtlich zulässige Preis des Unternehmens.

aa) Die Preisvorgabe entspricht dem preisrechtlich zulässigen Preis

Entspricht die Preisvorgabe dem preisrechtlich zulässigen Preis des anbietenden Unternehmens, also entweder dessen durch die Preisbehörde festgestelltem Marktpreis oder dessen zulässigem Selbstkostenpreis oder liegt der preisrechtlich zulässige Preis des Unternehmens über der Preisvorgabe, liegt in einem (niedrigeren) Angebot als die Preisvorgabe kein Verstoß gegen den Höchstpreisgrundsatz.

Es obliegt den Marktteilnehmern, ob sie sich zu einem niedrigeren Preis als ihrem preisrechtlich zulässigen Preis an dem open-house-Verfahren wirtschaftlich beteiligen können oder nicht (vgl. VK Bund, a.a.O.).

bb) Die Preisvorgabe entspricht nicht dem preisrechtlich zulässigen Preis

Liegt der preisrechtlich zulässige Preis des Unternehmens unter der Preisvorgabe, bedeutet ein Preisangebot in Höhe der Preisvorgabe für beide Vertragsparteien (!) einen sanktionierbaren Verstoß gegen den Höchstpreisgrundsatz. Denn ein Preisangebot in Höhe der Preisvorgabe übersteigt den preisrechtlich zulässigen Preis des Unternehmens. Neben der Sanktionierbarkeit nach § 11 VO PR Nr. 30/53 ist eine preisrechtlich unzulässige Preisvereinbarung gem. § 134 BGB nichtig (s.o.).

4. Fazit

Es besteht weder nach den Regeln des GWB-Teil 4 noch nach dem Haushaltsrecht die Pflicht zur Anwendung Vorschriften des Vergaberechts.

Die Vorgaben der VO PR Nr. 30/53 sind von beiden Vertragsparteien verbindlich einzuhalten, wenn ein öffentlicher Auftrag i.S.d. § 2 VO PR Nr. 30/53 vergeben wird. Die zur Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderliche Prognose, dass mit der Preisvorgabe der Beschaffungsbedarf tatsächlich am Markt realisierbar ist, stellt die preisrechtliche Herausforderung dar. Die stets betriebssubjektive Feststellung des preisrechtlich zulässigen Höchstpreises kollidiert mit der Forderung, dass der Auftraggeber im Rahmen eines Zulassungssystems denselben Preis eigenständig für alle Anbieter festzulegen hat.

Will der Auftraggeber nicht von vorneherein einen sanktionierbaren Verstoß gegen den Höchstpreisgrundsatz der Verordnung und damit auch die Nichtigkeit der zu treffenden Preisvereinbarungen riskieren, muss die Preisvorgabe so gestaltet sein, dass die Unternehmen nicht über ihrem preisrechtlich zulässigen Höchstpreis anbieten müssen.

Insoweit sind an die erforderliche Markterkundung durch den Auftraggeber, die sich nicht selektiv an den Abgabepreisen bestimmter Unternehmen orientieren darf (vgl. VK Bund, a.a.O.), sehr hohe Anforderungen zu stellen, will er nicht die Rechnung ohne den Wirt machen und vom Regen in die Traufe kommen.

Schließlich empfiehlt es sich, eine Gesamthöchstmenge, Höchstmengen pro Anbieter sowie eine Laufzeitbegrenzung des Zulassungssystems vorzusehen.


Empfehlung der Redaktion
Der Autor betreut als Referent auch verschiedene Seminare der DVNW Akademie. Am 21. April 2023 geht es um die Angabeverpflichtung für Höchstmengen und -werte bei Rahmenvereinbarungen. Unter Einbezug der aktuellen Rechtsprechung erhalten Sie einen praxisnahen Überblick über die Anforderungen.
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Hans-Peter Müller

Der Autor Hans-Peter Müller war über 20 Jahre im für die VO PR Nr. 30/53 federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für deren Inhalt und Anwendung zuständig. Zudem wirkte er maßgeblich im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien 2004 und 2014 in nationales Recht mit. Er ist Mitherausgeber des Standardkommentars „Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller“ zum Preisrecht und er fungierte im April 2016 als Sachverständiger des Bundes vor dem zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen eines Verwaltungsstreitverfahrens zum Preisrecht bei öffentlichen Aufträgen. Mittlerweile ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Kunz Rechtsanwälte, Koblenz/Mainz.

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