Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat Ende Dezember 2022 eine öffentliche Konsultation zur Transformation des Vergaberechts („Vergabetransformationspaket“) gestartet (siehe ). Noch bevor konkrete gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen werden, wurde Organisationen, Unternehmen und Verbänden sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit gegeben, ihre Einschätzungen abzugeben. Die Bundesingenieurkammer (BIngK) hat durch Ihren Arbeitskreis Vergabe eine Stellungnahme abgesetzt:
Die Bundesingenieurkammer beteiligte sich gemeinsam mit den Länderkammern an dem Konsultationsverfahren. Der Arbeitskreis Vergabe der Bundesingenieurkammer gab unter Leitung von Dr.-Ing. Werner Weigl am 14. Februar 2023 fristgerecht eine Stellungnahme dazu ab.
Die bei der Konsultation vom BMWK in den Fokus genommenen Bereiche sind insbesondere die Stärkung der umwelt- und klimafreundlichen Beschaffung, die Stärkung der sozial-nachhaltigen Beschaffung, die Digitalisierung des Beschaffungswesens, die Vereinfachung und Beschleunigung der Vergabeverfahren und die Förderung von Mittelstand, Start-Ups und Innovationen
Planerinnen und Planer setzen sich dafür ein, das Vergaberecht zu vereinfachen, zu entbürokratisieren und mittelstandsfreundlich auszugestalten. Dies darf ihrer Ansicht nach jedoch nicht dazu führen, dass durch zusätzliche sozial-ökonomische Kriterien und Nachhaltigkeitsanforderungen der Vergabeprozess noch komplexer wird.
Neben dem Preis sollen vor allem qualitative sachbezogene Kriterien eine Rolle für die Zuschlagsentscheidung spielen. Die Bundesingenieurkammer spricht sich daher auch klar gegen zusätzliche vergaberechtsfremde Ausschreibungs- und Wertungskriterien aus, die nicht mit dem Auftragsgegenstand im Zusammenhang stehen.
Umwelt- und klimafreundlichen Beschaffung
Alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass das nachhaltige Planen und Bauen eine entscheidende Rolle zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und zur Anpassung der Städte, Quartiere und Gebäude an den Klimawandel spielt. Dazu hatte die Bundesingenieurkammer bereits im Kontext der Neufassung der Richtlinien für die Bundesförderung effizienter Gebäude (BEG) vorgeschlagen, ein möglichst einfaches und effektives Nachhaltigkeitsbewertungssystem zu entwickeln. Dieses muss zum Ziel haben, bei einer möglichst großen Zahl von Gebäuden und insbesondere auch bei kleineren Gebäuden zu einer erheblichen CO2-Reduktion zu gelangen. Der Fokus sollte auf solchen Kriterien liegen, welche für die Nachhaltigkeit besonders ergebnisrelevant sind. Bei Errichtung, Betrieb sowie Abbruch und Recycling von Gebäuden muss eine unbürokratische und praxisbezogene Nachhaltigkeitsbewertung ermöglicht werden. Das Vergaberecht benötigt hierzu klar definierte Parameter, mit denen entsprechende Anforderungen formuliert und Angebote vergaberechtskonform bewertet werden können.
Da die Bauwirtschaft wesentlich zum CO2-Ausstoß beiträgt, ist vor allem die Wiederverwendung von Baustoffen ein zentraler Ansatz, um Planen und Bauen klimafreundlicher zu machen. Die Wiederverwendung von Bauteilen, ausgebauten Baustoffen und Bodenaushub sowie der Einsatz von güteüberwachten Sekundärbaustoffen sollte gerade bei öffentlichen Bauvorhaben bevorzugt werden. Es wäre wünschenswert, wenn diese Punkte bei der Vergabeentscheidung eine wesentliche Rolle spielen würden. Dazu bedarf es jedoch entsprechender finanzieller Anreize und gesetzlicher Regelungen.
In diesem Zusammenhang müssen auch die europäischen Rahmenbedingungen wie die des European Green Deal und die derzeitige Überarbeitung der Bauprodukteverordnung berücksichtigt werden. Hier darf es zu keiner Doppelregulierung und Konflikten mit der EU-Gesetzgebung kommen. EU-Vorhaben wie beispielsweise Ökodesign-Richtlinie, Eco-Label-Verordnung, Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, Richtlinie über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen müssen auf die nationale Rechtssetzung abgestimmt werden.
Sozial-nachhaltige Beschaffung
Aus Sicht der Ingenieurinnen und Ingenieure sollten keine Nachhaltigkeitskriterien, die nicht mit dem Bauvorhaben im Zusammenhang stehen, herangezogen werden. Die Reformbestrebungen eines effizienten Vergaberechts könnten durch solche Kriterien verwässert werden. So sollte die nachhaltige Arbeitsweise eines Büros kein relevantes Eignungs- oder Zuschlagskriterium sein. Auch weitere soziale Kriterien wie familienfreundliche und flexible Arbeitszeiten und -formen müssen nicht Gegenstand von Wertungskriterien bei der Vergabe werden. Gesellschaftliche Veränderungen und die Fachkräfte- und Nachwuchsgewinnung von Ingenieurbüros sind bereits Treiber dieser Entwicklungen.
Soziale und tarifrechtliche Kriterien sollten grundsätzlich nur im Kontext des Tarifrechts und nicht außerhalb des Tarifrechts mit zusätzlichen Vergabekriterien geregelt werden. Wenn der Gesetzgeber jedoch die soziale Beschaffung darüber stärken will, dann muss das Vergaberecht zumindest sicherstellen, dass sich die Vergabe nicht nur am Preis orientiert. Die geistig-schöpferische Leistung der planenden Berufe muss entsprechend angemessen honoriert werden. Nur so bleiben die Gehaltsentwicklungen in technischen Berufen und somit die Gehälter in den Ingenieurbüros leistbar.
Digitalisierung der Beschaffung
Erhebliches Verbesserungspotenzial wird von den Planenden bei der Vielzahl unterschiedlichster Vergabeplattformen gesehen, die alle unterschiedliche Standards verwenden. Beispielhaft kann hier das Vergabeportal der Autobahn GmbH genannt werden, welches bundesweit keine einheitlichen Ausschreibungsstandards nutzt. Die Vorteile der Digitalisierung können nur wirken, wenn die Vereinheitlichung hier und auch in allen anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung dringend erfolgt. Dazu schlägt die Bundesingenieurkammer eine bundesweite Vergabeplattform vor, die sich einheitlicher Ausschreibungsstandards bedient. Somit wird ein wesentlicher Beitrag zur Digitalisierung geleistet.
Vereinfachung, Beschleunigung, Mittelstandsfreundlichkeit
Vereinfachungsmaßnahmen bieten sich auch in den Ingenieurbüros selbst an. So können Instrumente für die vereinfachte Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen effektiver genutzt werden. Eine Möglichkeit ist die Teilnahme an der Präqualifizierung für die Prüfung von Eignungsnachweisen. In diesem Bereich entsteht erfahrungsgemäß der höchste Aufwand für das teilnehmende Büro.
Größtes Sorgenkind der planenden Berufe ist aber nach wie vor die mittelstandsfreundliche Auftragsvergabe. Wie berechtigt diese Sorge ist, zeigt sich in der Konsultation insbesondere an der Fragestellung, ob eine „Flexibilisierung des Grundsatzes der losweisen Vergabe“ vorstellbar wäre. Die Beibehaltung des Vorrangs der losweisen Vergabe ist aus Sicht des Berufsstandes jedoch unverzichtbar und sollte nicht weiter eingeschränkt werden. Denn dieser Grundsatz bezweckt neben der Stärkung des Mittelstands auch die Förderung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs. Nur so kann die zunehmende Vergabepraxis an Generalunternehmen/Generalübernehmer und die daraus resultierende Monopolbildung einiger weniger Anbieter vermieden werden. Alles andere würde mittelfristig den Wettbewerb einschränken.
Generell erschweren Formalien des EU-Vergaberechts und der damit verbundene hohe Aufwand die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen oder machen die Teilnahme daran unattraktiv. Deshalb muss der Aufwand für die Bewerber gerade an europaweiten Ausschreibungen in einem wirtschaftlichen Verhältnis zum erwartbaren Auftragsvolumen stehen. Je niedriger die Auftragssumme ist, desto weniger lohnt sich der erhöhte Aufwand. Für viele Mitgliedsbüros der Ingenieurkammern ist dies bereits heute Grund, weshalb sie an öffentlichen Vergabeverfahren nur noch zurückhaltend teilnehmen. Sollte das BMWK – wie bereits angekündigt – die Vorschrift des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV zur Auftragswertberechnung von Planungsleistungen abschaffen, würde dies zu einer Zunahme europaweiter Ausschreibungen führen und den Rückzug der Ingenieurbüros von der öffentlichen Auftragsvergabe noch beschleunigen.
BIngK unterstützt Entschließungsantrag
Aus diesem Grund hat die Bundesingenieurkammer auch den kürzlich im Bundesrat verabschiedeten Entschließungsantrag des Freistaates Bayern unterstützt. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, Änderungsbedarf bei den EU-Schwellenwerten zu prüfen bzw. sich für einen Sonderschwellenwert für Planungsleistungen/freiberufliche Leistungen einzusetzen (Bundesrats-Drucksache 602/22). Gerade bei der europaweiten Ausschreibung von Planungsleistungen ist nämlich festzustellen, dass ausländische Bieter hieran in der Regel nicht teilnehmen und die von EU-Kommission behauptete Binnenmarktrelevanz nicht gegeben ist. Planungsleistungen haben vor dem Hintergrund der jeweils national unterschiedlichen Regelungen und Maßstäbe im Baubereich keine Binnenmarktrelevanz.
So findet in der Regel kein Wettbewerb auf europäischer Ebene trotz europaweiter Ausschreibungen statt. Vielmehr erschwert die Vorgabe der europaweiten Ausschreibung sowohl den öffentlichen Auftraggebern als auch den teilnehmenden Ingenieurbüros den Ausschreibungs- und Teilnahmeprozess. Der für alle Seiten damit verbundene Aufwand ist vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig. Es sollte daher erwogen werden, die Schwellenwerte für nicht binnenmarktrelevante Planungsleistungen anzuheben. Alternativ könnte für diese eine vergaberechtliche Sonderregelung getroffen werden, die die Ausschreibung und die Teilnahme unbürokratischer und effektiver machen würde.
Quelle: Bundesingenieurkammer
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