Die Praxis der IT-Vergabe ist von Fehlern geprägt, die leicht vermieden werden könnten. Erkannte Fehler lassen sich beseitigen. Dieser Beitrag lädt öffentliche Auftraggeber zur Fehlerbeseitigung ein. Im ersten Teil (Fehler 1 bis 11, siehe ) geht es um die Rahmenbedingungen, die öffentliche Auftraggeber schaffen (oder zulassen), in diesem zweiten Teil (12 bis 20) um die Fehler im Rahmen der Verfahrensdurchführung.
Fehler Nr. ⑫ würde ich als die „Copy&Paste-Falle“ bezeichnen. Da Vergaben ein wiederkehrendes Geschäft sind, gibt es die verständliche Neigung, Dokumente aus vorangegangenen Verfahren als Vorlage für die Erstellung zu verwenden. Das kann funktionieren oder auch nicht. Natürlich ist der Ansatz arbeitsökonomisch grundsätzlich richtig. In der Praxis ist aber vielfach zu beobachten, dass der Bedarf an die Vorlage angepasst wird statt die Vorlage an den Bedarf. Vermeidbar ist dies, wenn die Wettbewerbskonzeption mit der Feststellung und Dokumentation der wichtigsten Erfolgsparameter und Risken der konkret auszuschreibenden Leistung begonnen wird (vgl. Nr. 2 der Best-Practices; abgerufen am 10.03.2023) unabhängig davon, ob man schon mal eine „ähnliche Leistung“ ausgeschrieben hat. Dieses Vorgehen würde ich sogar für den Fall empfehlen, dass der Bestandsvertrag einer erfolgreich ausgeschriebenen Leistung ausläuft. Ist die vorhergehende Ausschreibung reibungslos abgelaufen und hat zu einem guten Ergebnis geführt, so dürfte es gleichwohl „Lessons Learned“ aus der Leistungserbringung geben, die im Folgeverfahren abgebildet werden sollten. Ferner könnte die technische Weiterentwicklung oder das Auftreten neuer Unternehmen am Markt die Ausgangslage verändert haben.
Vergabeverfahren sind wie ein Langstreckenlauf in zwei Etappen. Die erste Etappe führt von der Auftaktbesprechung bis zur Auftragsbekanntmachung. Gute Langstreckenläuferinnen und -läufer kennen ihr Tempo und halten es beeindruckend konstant über die gesamte Strecke durch. Fehler Nr. ⑬ „Sehr langsamer Start und „Quick & Dirty“ vor der Bekanntmachung“) vermittelt ein anderes Bild: Wenn in der Auftaktbesprechung gemeinsam entschieden wird, dass eine Auftragsbekanntmachung in sechs Monaten erfolgen soll, kann das auch in komplexen Verfahren durchaus realistisch sein. Diese Planung wird aber Makulatur, wenn in den ersten zwei Monaten nach der Auftaktbesprechung jeder Stein umgedreht und jede in Betracht kommende Frage abstrakt erörtert wird, ohne dass die Klärung der Frage für den Beschaffungsbedarf erforderlich wäre. Für die Vermeidung dieses Fehlers nützlich sind insbesondere zwei Instrumente: Beschränken Sie Ihre Arbeit von Anfang an (mit drei Ausnahmen) auf die Dokumente der Vergabeunterlagen. Das Ergebnis des Vergabeverfahrens kann nur so gut werden wie es die Vergabeunterlagen am Tag der Auftragsbekanntmachung sind. Das zweite Instrument ist die Ausrichtung der Arbeit ab dem ersten Tag am Pareto-Prinzip, nach dem 80% der Ergebnisse mit 20% des Aufwandes erzielt werden. Der größte Teil der Arbeit in einem Vergabeverfahren ist vor der Auftragsbekanntmachung zu leisten. Zudem können Fehler zu Beginn der Wettbewerbskonzeption einfacher und mit geringerem Aufwand vermieden werden als zu einem späteren Zeitpunkt. Visualisieren ließe sich das am Beispiel eines Verhandlungsverfahrens wie folgt:
Fehler Nr. ⑭ ist die „Mangelnde Termindisziplin bei der Erstellung der Vergabeunterlagen“. Ein sportlicher Zeitplan ist schnell beschlossen. Ob er zu halten ist, wird sich erst zeigen, wenn Entwurfsfassungen der Vergabeunterlagen zu verbindlich vereinbarten Terminen vorzulegen sind. Da die Vergabeunterlagen zur Bekanntmachung veröffentlichungsreif vorliegen müssen, ist für Entwurfsfassungen nicht nur der Termin, sondern auch der Reifegrad festgelegter Dokumente der Vergabeunterlagen wichtig für einen qualitativ hochwertigen Wettbewerb und die Vermeidung des Fehlers Nr. ⑬. Hierzu empfiehlt sich, dass diejenigen, die für die Erstellung der Vergabeunterlagen sowie den Ertrag des Wettbewerbs verantwortlich sind, ein gemeinsames Verständnis in einer „Vereinbarung zum Reifegrad“ im Zeitplan festhalten:
Fehler Nr. ⑮ („Festpreis-Fokussierung“) betrifft das Vergütungs-Modell der auszuschreibenden Leistung. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass Pauschalfestpreise stets im Interesse des Auftraggebers liegen, weil sie die Budget-Einhaltung sicherstellen. Mag das für eine einfache Leistung noch zutreffen, wird diese Annahme mit zunehmender Komplexität der ausgeschriebenen Leistung und/oder einem zunehmenden Dienstleistungsanteil immer weniger richtig. Mit der Komplexität nehmen in der Regel auch die Risikoaufschläge zu, die Bieter vorsehen (müssen), um im Zuschlagsfalle auskömmlich die Leistung erbringen zu können. Diese Risikoaufschläge zahlen die Auftraggeber stets mit. Verzichtet ein Bieter bei einem scharf ausgestalteten Preiswettbewerb auf die Risikoaufschläge und gewinnt infolgedessen den Wettbewerb, werden kostenpflichtige Change-Requests bei jeglicher Abweichung von der geforderten Leistung von den formulierten Anforderungen der Leistungsbeschreibung wahrscheinlich. Das Ende dieser Abwärts-Spirale stellt die vorzeitige außerordentliche Beendigung des Vertrages dar. Die mit der Beendigung verbundenen Wechselkosten (Kosten des gescheiterten Projektes, der Neu-Ausschreibung, der Verzögerung etc.) markieren zugleich die ökonomische Grenze, bis zu deren Erreichen ein Auftraggeber zumindest betriebswirtschaftlich nachvollziehbar bereit wäre, kostenpflichtige Change-Requests zu akzeptieren. Juristinnen und Juristen mögen glauben, dass sie dieses Risiko durch einen „guten“ Vertrag ausschließen könnten, zumal diese Erwartung sehr verbreitet ist. Wer einmal ein IT-Projekt zum Festpreis nach dem fünften Change-Request und einer Verdoppelung der Erstellungskosten hat scheitern sehen, weiß, wie akademisch das ausschließliche Vertrauen in die zwingende Kraft des Vertragstextes ist. Festpreis-Gestaltungen können sinnvoll sein, wenn Teilleistungen festpreisfähig sind und etwa ein Verhandlungsverfahren genutzt wird, um Preistreiber und Missverständnisse zu Anforderungen zu identifizieren und zu beseitigen. Andererseits bedeuten aufwandsbasierte Vergütungsmodelle keineswegs den Verzicht auf Budgetsicherheit, sondern lassen sich zur Reduzierung von Transaktionsaufwänden zugunsten beider Vertragsparteien und damit auch des Auftraggebers nutzen. Auch hier ist der interdisziplinäre Diskurs gefordert, wenn etwa vergütungsrelevante Aufwandsschätzung in die Leistungsbewertung eingehen oder ein „agiler Festpreis“ ausgestaltet werden soll.
Die nachfolgend genannten Fehler resultieren daraus, dass der Fokus einer Beschaffung zumeist auf den ersehnten Produktiveinsatz der ausgeschriebenen Leistung ausgerichtet ist. Wird etwa eine komplexe Standardsoftware ausgeschrieben, die vor Produktiveinsatz zwei Jahre lang angepasst und/oder konfiguriert werden muss, werden bestimmte erfolgskritische Projekt-Phasen und/oder Aspekte systemimmanent ausgeblendet: Typische „Blinde Flecke“ sind Nr. ⑯ Die Phase „Herstellung der Betriebsbereitschaft“, Nr. ⑰ „Die zweite Hälfte der Vertragslaufzeit“ und Nr. ⑱ „Die Folgen eines Vendor-Lock-in“:
In der Phase der Konfiguration, d.h. der „Herstellung der Betriebsbereitschaft“ schafft der Auftragnehmer unter Mitwirkung des Auftraggebers die Voraussetzungen für den Produktiveinsatz. Das schafft spezifische Herausforderungen bei beiden Vertragsparteien: Auf Auftraggeber-Seite kann es sinnvoll sein, Arbeitsprozesse im Detail an die Funktionsabläufe der neuen Standardsoftware anzupassen. Das ist eine schwer vermittelbare Botschaft insbesondere dann, wenn eine gut eingeführte Bestands-Softwarelösung existiert. Eine übliche Standard-Erwartung ist das Gegenteil, nämlich, dass die zu beschaffende Software an den etablierten Standardprozessen des Auftraggebers auszurichten ist. Für die Gestaltung der Vergabeunterlagen sollte das in der Regel bedeuten, dass die Qualität der Benutzerführung als Zuschlagskriterium ausgestaltet ist, ohne dabei „zu sehr am Idealbild der Bestandslösung ausgerichtet zu sein“.
Erfordert die Konfiguration einen hohen Dienstleistungsanteil des Auftragnehmers, sollte zudem die Bewertung des angebotenen Personals gem. § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV in Betracht gezogen werden.
Ist eine umfassende Konfiguration erforderlich, dürfte dies auf Auftraggeberseite kein alltäglicher Standard-Prozess sein. Umso wichtiger ist, dass der Auftraggeber den eigenen Mitwirkungsaufwand quantitativ und mit zeitlicher Zuordnung („30 Personentage der Fachabteilung XYZ im März 2024“) klärt und in den Vergabeunterlagen benennt. Die Bieter können im Vergabeverfahren aufgefordert werden, dazu Stellung zu nehmen. Dies kann einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dem Auftraggeber eine vorausschauende Ressourcenplanung zu ermöglichen und die Risiken nach Zuschlagserteilung zu senken.
Mit dem Fokus auf den ersehnten Produktiveinsatz der ausgeschriebenen Leistung übersehen Auftraggeber leicht „die zweite Hälfte“ des Produktivbetriebs. Im schlimmsten Fall haben sie nicht in Betracht gezogen, ob ein „Sonderfall“ im Sinne des § 21 Abs. 6 VgV für eine lange Vertragslaufzeit vorliegt und haben die Leistung lediglich für vier Jahre ausgeschrieben, obwohl eine längere Vertragslaufzeit zulässig gewesen wäre. Das würde nicht nur vermeidbaren Aufwand produzieren, sondern zudem den möglichen wirtschaftlichen Ertrag einer langen Vertragslaufzeit verspielen. Damit würde sich der o.g. Fehler Nr. ⑨ („Dogmatische Positionierung von Entscheidern“) realisieren.
Eine unzureichende Berücksichtigung „Der zweiten Hälfte der Vertragslaufzeit“ kann bei einer angemessen langen Vertragslaufzeit auch darin bestehen, dass die Erhöhung von Abrufmengen oder in Betracht kommende Vertragsänderungen nicht bedacht werden, obwohl es vergaberechtskonforme Lösungsansätze gibt, die leicht umsetzbar wären: Den durch die Rechtsprechung gesetzten Grenzen in Bezug auf Höchstmengen des Abrufs aus Rahmenvereinbarungen (VK Bund v. 29.07.2019 – VK 2 – 48/19; EuGH, Urt. v. 17.06.2021, C 23/20 – Simonsen & Weel; OLG Koblenz v. 12.12.2022 – Verg 3-22) kann durch die Angabe eines „hypothetischen Maximalauftragswertes“ beziehungsweise einer „hypothetischen Maximalauftragsmenge“ (vgl. dazu Bock in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 6. Aufl., § 37 VgV (Stand: 15.09.2022) Rdn. 40 ff.) begegnet werden. Für absehbare Vertragsänderungen sollte bei Bedarf eine Überprüfungsklausel oder Option gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 GWB in den Vertrag aufgenommen werden.
Der dritte weit verbreitete blinde Fleck betrifft das Ende der Vertragslaufzeit der ausgeschriebenen Leistung. Wer mag schon, wenn die Ausschreibung selbst hohe Aufwände verursacht, auch noch bedenken, welche zusätzlichen Anforderungen der anschließende Wechsel auf den nachfolgenden Auftragnehmer am Ende der Laufzeit der auszuschreibenden Leistung verursachen wird. Dabei hat diese Frage bei IT-Beschaffungen eine große praktische Relevanz, da unter Anderem das ganze Thema „Vendor-Lock-in“ darunter zu subsumieren ist. Dieser dürfte bei den meisten Individualsoftware-Lösungen und den meisten Standardsoftware-Lösungen mit proprietären Schnittstellen eintreten, soweit nicht bewusst ein Architekturmodell ausgeschrieben wird, das hilft dies zu vermeiden (z.B. Microservices). Auftraggeber, die (bewusst oder unbewusst) in einem „Vendor-Lock-in“ landen, suchen später gelegentlich die Lösung in einem Verhandlungsverfahren mit nur einem Unternehmen gem. § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV. Dass dieses die Erträge eines „echten Wettbewerbs“ nicht erzielen kann, liegt auf der Hand.
Eine ergebniswirksame Beschaffung schließt den Wechsel auf den nachfolgenden Auftragnehmer mit ein und berücksichtigt dies bei Entscheidungen zur Softwarearchitektur wie zur Wettbewerbsgestaltung. Hier schließt sich der Kreis zu Fehler Nr. ②: Wenn die Entscheiderinnen und Entscheider des öffentlichen Auftraggebers der festen Überzeugung sind, dass die Folgeausschreibung in sechs, acht oder 12 Jahren technisch und wirtschaftlich zu guten Lösungen führen wird, werden sie intrinsisch motiviert sein, einen „Vendor-Lock-in“ in der aktuellen Ausschreibung zu vermeiden.
Besonders weitsichtige Auftraggeber machen sich diese Umstände sogar gezielt zunutze, indem sie z.B. bei komplexen Lösungen zunächst die Entwicklung und die Pilotphase des Betriebs einer neuen Software und etwa fünf bis sechs Jahre später den hochskalierten Betrieb in der Fläche gesondert ausschreiben.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung dürfte die Bedeutung weitsichtiger Architekturentscheidungen erheblich zunehmen, da mit der Verbreitung digitalisierter Prozesse und dem Abbau von Medienbrüchen notwendigerweise verbunden sein dürfte, dass die „Dichte“ von IT-Lösungen und die notwendigen Schnittstellen zwischen ihnen zunehmen werden.
Ein Positivbeispiel zur Software-Architektur betrifft die IT-Lösungen zur Steuerung des Verkehrs auf den Autobahnen, die unter dem Projektnamen „E21X“ ausgeschriebenen wurden und nunmehr als „Autobahn OS“ das IT-Betriebssystem für die Verkehrszentralen der Autobahn GmbH bilden (vgl. Die Autobahn, Verkehrsmanagement, Betrieb und Verkehr, abgerufen am 10.03.2023).
In laufenden Verfahren sind schließlich zwei Fehler zu beobachten: Fehler Nr. ⑲ („Mangelnde Toleranz gegenüber eigenen Fehlern“) und Fehler Nr. ⑳ („Inhaltsleere Antworten auf Bieterfragen“). Diese treten gerne in Kombination auf. Das zeigt sich häufig dann, wenn die Vergabestelle auf eine Verständnisfrage eines Bieters zu einer Passage der Vergabeunterlagen auf eben diese Passage verweist, ohne sie näher zu erläutern. Entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil ist das Vergaberecht sehr fehlertolerant: Räumt die Vergabestelle einen Fehler ein und korrigiert diesen, dürfte die Korrektur in den meisten Fällen die Angreifbarkeit des Verfahrens eher reduzieren als erhöhen. Zudem bietet jede Antwort auf eine Bieterfrage einschließlich einer erforderlichen Korrektur der Vergabeunterlagen die Chance, einen diesbezüglichen versteckten oder offenen Dissens zwischen den künftigen Vertragsparteien zu vermeiden. Da die Qualität eines Vergabeverfahrens nicht am Tag der Zuschlagserteilung sondern nach Erbringung der ausgeschriebenen Leistung beurteilt werden sollte, gehört die reibungslose Leistungserbringung ohne Dissens zwischen den Vertragsparteien zweifellos in die Zieldefinition einer ergebniswirksamen IT-Beschaffung. Am Rande: Bitte verzichten Sie auf die weit verbreitete Praxis, eine Antwort auf eine Bieterfrage ausschließlich zur Vertragsanlage zu machen, ohne die Antwort weiter in den Vergabeunterlagen abzubilden. Das Gegenteil dürfte sinnvoll sein: Antworten auf Bieterfragen zu den Vergabeunterlagen, die Missverständnisse offenlegen, sollten zum Anlass genommen werden, die betreffenden Passagen der Vergabeunterlagen zu präzisieren oder zu korrigieren. In komplexen IT-Beschaffungen werden häufig 50 bis 100 Bieterfragen gestellt. Wenn Frage 90 eine Änderung einer Passage der Vergabeunterlagen erforderlich macht, werden Sie sich freuen, den Änderungsbedarf bereits in den Fragen 1 bis 89 wohlwollend geprüft und die Änderung im Bedarfsfalle jeweils bereits umgesetzt zu haben. Die Bieter werden es Ihnen danken.
Dargestellt wurden die folgenden Fehler:
① Praxisferne Zeitplanung
② Unterschätzung des Nutzens von Wettbewerb (SWOT)
③ Unterschätzung der Bedeutung einschlägiger Erfahrung
④ Besprechungszeit anstelle ergebnisorientierter Arbeit
⑤ Textarbeit in Gruppen
⑥ Lösung von Problemen, die man gerne diskutiert, anstelle der Probleme, die der Bedarf aufwirft
⑦ Abstrakteritis
⑧ Falsche Arbeitsreihenfolge
⑨ Dogmatische Positionierung von Entscheidern
⑩ „Friedliche Koexistenz“ von Bedarfsträger und Einkauf
⑪ „Halbherzige Hypes“
⑫ Copy&Paste-Falle
⑬ Sehr langsamer Start und „Quick & Dirty“ vor der Bekanntmachung
⑭ Mangelnde Termindisziplin bei der Erstellung der Vergabeunterlagen
⑮ Festpreis-Fokussierung
⑯ Blinder Fleck: Herstellung Betriebsbereitschaft
⑰ Blinder Fleck: Zweite Hälfte des Vertrages
⑱ Blinder Fleck: Vendor-Lock-in /AN-Wechsel
⑲ Mangelnde Toleranz gegenüber eigenen Fehlern
⑳ Inhaltsleere Antworten auf Bieterfragen
Jeder der vorgenannten Punkte bedeutet für den Auftraggeber eine Weichenstellung. Die verantwortlichen Entscheiderinnen und Entscheider können die jeweilige Weiche stellen oder dies einfach unterlassen. In der Praxis passiert häufig Letzteres.
Die Erkenntnisse zu jeder der genannten Weichen sind vergleichsweise banal. Die eigentliche Herausforderung ist weder die Bestandsaufnahme noch die Erkenntnis, welche Lösung zur Vermeidung des jeweiligen Fehlers sinnvoll wäre. Die eigentliche Herausforderung ist die praktische Umsetzung einer „Ergebniswirksamen IT-Beschaffung“ in der nächsten wichtigen Ausschreibung sowie in der systematischen Aufstellung eines öffentlichen Auftraggebers (vgl. Eßig/ von Deimling/ Glas, Kompetenzorientierte Neuorientierung der öffentliche Beschaffung (abgerufen am 25.03.2023)). Für die Umsetzungshindernisse dürfte es zumeist gute Gründe geben. Ihre Überwindung ist die eigentliche Herausforderung.
Diese Umsetzung ist Sache der Chefin/des Chefs: Mindestens die Weichen ① bis ⑦ betreffen ganz grundsätzliche Fragen wie die der Arbeitsorganisation des öffentlichen Auftraggebers, so dass der „große Wurf“, die Erschließung des gesamten Ertragspotentials von Vergabeverfahren nur dann gelingen dürfte, wenn die Umsetzung von der Leitung eines öffentlichen Auftraggebers initiiert oder zumindest bestmöglich unterstützt wird. Fehler wie Nr. ④ oder ⑤ werden Sie nicht auf der Arbeitsebene lösen können. Sofern die These der Überschrift stimmt, wird sich der Aufwand für die Umsetzung des Konzeptes der ergebniswirksamen IT-Beschaffung in jedem Fall amortisieren.
Externe Beraterinnen steigen zumeist hinter Weiche ⑪ in den Zug. Der Einfluss auf die bis dahin geschaffenen Rahmenbedingungen ist dann begrenzt. Dies offenbart zugleich die Motivation für diesen Beitrag.
Sollten Sie bei der Lektüre einen der vertretenen Ansätze ablehnen, freue ich mich auf Ihre Rückmeldung und die anschließende Diskussion. Das Gleiche gilt, wenn Sie zustimmen.
Sie möchten den Autor gerne kennenlernen? Kein Problem. Herr Dr. Bock wird im Rahmen des 10. Deutschen Vergabetags hier beschriebene Fehler als Aufhänger für seine Workshop-Gestaltung verwenden. Zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.
Herr Dr. Andreas Bock ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei kbk Rechtsanwälte, Hannover. Er berät insbesondere öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung komplexer IT-Systeme (Hard- und Software), sowohl vertrags- als auch vergaberechtlich. Zu seinen Beratungsfeldern gehören darüber hinaus die Begleitung von Vergabeverfahren für Telekommunikation sowie die Umsetzung von IT-Projekten. Herr Bock ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und u.a. Mitautor eines vergaberechtlichen Praxiskommentars.
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