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Zitierangaben: Vergabeblog.de vom 14/02/2025 Nr. 69802

Der Vergabeblog Bundestagswahl-Guide: Das plant die Linke für die öffentliche Beschaffung

Wirtschaftspolitischer Sprecher Jörg Cézanne der Gruppe Die Linke im Bundestag ordnet ein

Bundestag
Am 16. Dezember 2024 haben 394 der 717 im Bundestag anwesenden Abgeordneten in einer historischen Abstimmung dem (noch) Bundeskanzler Olaf Scholz ihr Vertrauen entzogen. Der Weg für vorgezogene Neuwahlen ist nun offiziell frei. Mit dem Termin am 23. Februar bleibt jedoch nur wenig Zeit für Wahlkampf – und dementsprechend nur wenig Zeit, um sich als Wähler:in zu entscheiden. Um Ihnen bei all der Informationsflut einen Überblick zu verschaffen, haben wir in unserer exklusiven Artikel-Serie, dem Vergabeblog Bundestagswahl-Guide, zusammengefasst, was die jeweiligen Parteien in Bezug auf das Vergaberecht und die öffentliche Beschaffung geplant haben. Die Pläne seiner Partei hat Jörg Cézanne, wirtschaftspolitischer Sprecher der Gruppe Die Linke im Deutschen Bundestag exklusiv für uns eingeordnet.

Die Linke fordert weitreichende Veränderungen in der öffentlichen Beschaffung und im Vergaberecht. Dabei setzt sie auf soziale und ökologische Kriterien sowie eine stärkere öffentliche Steuerung von Schlüsselbereichen der Wirtschaft. Wir haben uns das Wahlprogramm für Sie genauer angehen und die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

  1. Tariftreue als Voraussetzung für öffentliche Aufträge: Öffentliche Aufträge sollen nur noch an Unternehmen vergeben werden, die Tarifverträge einhalten –nur für die direkten Auftragnehmer, sondern auch für Subunternehmen. Zudem sollen Beschäftigte bei einem Wechsel des Auftragnehmers zu mindestens gleichwertigen Bedingungen übernommen werden.
  2. Öffentliche Beschaffung als Instrument für Klimaschutz und gute Arbeit: Durch gezielte Steuerung in der Vergabe will Die Linke klimafreundliche Produktion fördern. Öffentliche Auftraggeber sollen Produkte bevorzugen, die sowohl ökologisch nachhaltig als auch tariflich abgesichert produziert wurden. Besonders in Branchen wie der Stahlindustrie sollen die Unternehmen belohnt werden, die klimafreundlich produzieren und gleichzeitig soziale Standards einhalten. Auch im Bereich Mobilität setzt die Partei auf die öffentliche Beschaffung: Die öffentliche Hand soll verstärkt E-Fahrzeuge anschaffen und dadurch den Umbau der Automobilindustrie vorantreiben.
  3. Gemeinnütziger Wohnungsbau und kommunales Vorkaufsrecht: Die Linke fordert, dass öffentliche Fördermittel ausschließlich für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung stehen. Kommunen sollen ein umfassendes Vorkaufsrecht auf Grundstücke erhalten. Statt sich am spekulativen Marktpreis zu orientieren, soll der Kaufpreis am sozialen Ertragswert bemessen werden. Ein Re-Kommunalisierungsfonds soll es Städten und Gemeinden ermöglichen, Wohnungen in die öffentliche Hand zurückzuholen.
  4. Stärkung öffentlicher Unternehmen und Schutz kritischer Infrastruktur: Die Partei fordert eine stärkere öffentliche Steuerung von Schlüsselbranchen durch Beteiligungen des Staates. Öffentliche Unternehmen sollen eine aktiv steuernde Rolle in der wirtschaftlichen Transformation übernehmen und kritische Infrastruktur – etwa Energieversorgung, Häfen oder Pipelines – vor Privatisierung oder Verkauf an ausländische Investoren schützen. Strom-, Wärme- und Gasnetze sollen in die öffentliche Hand überführt und dezentral organisiert werden.
  5. Kommunale Finanzautonomie und Infrastrukturförderung: Die Linke spricht sich gegen die Schuldenbremse aus und fordert ein bundesweites Kommunalentschuldungspaket. Kommunale Haushalte sollen von Sozialausgaben entlastet werden, indem der Bund diese vollständig übernimmt. Zudem sollen Förderprogramme so ausgestaltet werden, dass Kommunen sie auch ohne Eigenmittel nutzen können. Kommunale Unternehmen wie Energieversorger oder Wohnungsbaugesellschaften sollen nicht zur Haushaltssanierung herangezogen werden, sondern gemeinnützig arbeiten können.
  6. Digitalisierung und Open-Source-Software in der öffentlichen Verwaltung: Die öffentliche Verwaltung soll vermehrt auf Open-Source-Programme setzen um Abhängigkeiten von Software-Konzernen zu vermeiden. Auch ein Recht auf Open Data soll geschaffen werden. Daten, die bei öffentlichen Dienstleistungen entstehen, sollen anonymisiert und kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

Cézanne: Tariftreuegesetz muss kommen! 

Jörg Cézanne, wirtschaftspolitischer Sprecher der Gruppe Die Linke im Deutschen Bundestag hat die Vorhaben seiner Partei exklusiv für uns eingeordnet.

Ein zentraler Aspekt eines neuen Vergaberechts müsste in erster Linie ein Tariftreuegesetz beinhalten. In diesem Bundestariftreuegesetz muss festgeschrieben werden, dass öffentliche Aufträge nur noch diejenigen Unternehmen bekommen, die tarifvertragliche Standards einhalten. Die Arbeitsministerien des Bundes und der Länder sollen Tarifverträge deutlich leichter für allgemeinverbindlich für alle Beschäftigten einer Branche erklären können – auch ohne Zustimmung der Arbeitgeberseite. Bei Auslagerungen und Betriebsaufspaltungen müssen Tarifverträge zwingend und ohne Einschränkungen fortgelten. Handwerksinnungen müssen dazu verpflichtet werden, ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag nachzukommen und Tarifverträge abzuschließen, damit auch dort Lohndumping leichter unterbunden werden kann. Bund, Länder und Kommunen sollten ihre Vergabeentscheidungen auch gezielt dazu nutzen, den Einsatz zukunftsfähiger klimagerechter Technologien (Batteriespeicher, batterieelektrische Fahrzeuge, Wasserstoff, Recycling und Ressourcenschonung) zu fördern und Leitmärkte für solche Technologie zu etablieren. Soziale, ökologische und innovative Kriterien dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, denn die ökonomischen wie ökologischen Anforderungen können nur in einem verbindlichen Wechselspiel aus ökologischem Umbau bei gleichzeitiger sozialer Abfederung fruchtbar gemacht werden. Eine Vereinseitigung führt entweder in eine ökologische oder eine wirtschaftliche Krise. 

Neben der zentralen Bedeutung der Tariftreue sieht Cézanne auch die Entbürokratisierung der Vergabeprozesse als Notwendigkeit an.

Ohne ein Tariftreuegesetz wird eine Modernisierung des Vergaberechts nichts an den zentralen Baustellen des Lohndumpings und damit der Wettbewerbsverzerrung ändern. Darüber hinaus muss das Vergaberecht auf der anderen Seite deutlich entbürokratisiert werden und auf die Höhe der digitalen Entwicklung der vergangenen Jahre, und den damit einhergehenden veränderten Anforderungen, gehoben werden. Ausnahmeregelungen oder Umgehung des Vergaberechts dürfen nicht zugelassen werden, da auch hier ein erneutes Bürokratiechaos droht und Räume bietet, die Anwendungsbereiche eines Tariftreuegesetzes auszuhebeln. Daher sollte die Wertgrenze bei Direktaufträgen weiterhin bei 25.000 statt wie vorgesehen 100.000 Euro belassen werden.

Quelle: Wahlprogramm Die Linke 

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